Deutsche Liebeslyrik - Gedicht der Woche Archiv

für das Jahr 2024

(die neuesten Gedichte oben)




An deiner Brust

An deiner Brust ist meine Stelle,
In deinen Armen mein Asyl!
Mich warf des Sturm's empörte Welle
An dieses bang ersehnte Ziel.

Die Gaben, die das Leben zieren,
Jedwedes Gut, das köstlich heißt,
Was ich besaß, mußt' ich verlieren,
Daß du fortan mir Alles sei'st.

Jetzt, da ich Alles hingegeben,
Wird mir's durch dich zurückgeschenkt,
Wenn unter wonnevollem Beben
Dein Mund auf meine Stirn' sich senkt.

Betty Paoli (1814-1894)
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Nil

Die Liebe ist wie der mystische Nil,
der aus dunkeln Gründen zum Meere fließt,
und die Ufer verheerend, ohne Damm, ohne Ziel
sich über die schauernden Lande gießt.

Und wenn verebbt der gewaltige Strom,
ein seliges Leben zu keimen beginnt,
eine Welt voll Blüten zum Himmelsdom
drängt sich, noch ehe die Flut verrinnt.

So ist die Liebe der mystische Nil,
ohne den meiner Seele Ufer verdorrt,
mit dem sie wächst zu göttlichem Ziel
und Blüten und Früchte trägt, fort und fort.

Hermione von Preuschen
(1854-1918)
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Wie ein Rausch …

Wie ein Rausch ist deine Liebe,
Deine Küsse wie der Wein -
Trank ich mich an deinen Lippen
Selig satt, so schlaf ich ein.

Und dein Arm ist meine Wiege,
Heimlich singst du mir ein Lied,
Daß ein Glanz von Glück und Liebe
Noch durch meine Träume zieht.

Anna Ritter (1865-1921)
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Und dem Karfreitag nur folgt Auferstehn ...

Es gibt Gesetze, die sich nur dem Leid
Und nur der heißen Qual sich offenbaren.
Nur, wo wir aller Schrecken Opfer waren,
Empfangen wir der Weihe Sternenkleid.

Und bindender als Fahnenschwur und Eid,
Und Ketten sprengend, gleich den wunderbaren
Gesängen hoher, weihnachtlicher Scharen,
Ist ihr unwiderruflicher Entscheid.

An ihrer Wahrheit felsenhafter Größe
Muß Zweifel sommerwellenmatt zerrinnen
Und wie ein blasses Wolkenbild zergehn.

Denn Menschenmacht bannt nicht Gewissensstöße;
Erlösungswunder kann man nicht ersinnen;
Und dem Karfreitag nur folgt Auferstehn.

Alma Heismann
(1885-1943)
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Frühling

Düfte wallen - tausend frohe Stimmen
jauchzen in den Lüften um mich her;
die verjüngten trunknen Wesen schwimmen
aufgelös't in einem Wonnemeer.

Welche Klarheit, welches Licht entfliesset
lebensvoll der glühenden Natur!
Festlich glänzt der Äther, und umschliesset,
wie die Braut der Bräutigam, die Flur.

Leben rauscht von allen Blüthenzweigen,
regt sich einsam unter Sumpf und Moor,
quillt, so hoch die öden Gipfel steigen,
emsig zwischen Fels und Sand hervor.

Welch ein zarter wunderbarer Schimmer
überstrahlt den jungen Blüthenhain!
Und auf Bergen, um verfallne Trümmer,
buhlt und lächelt milder Sonnenschein.

Dort auf schlanken silberweissen Füssen
weht und wogt der Birken zartes Grün,
und die leichten hellen Zweige fliessen
freudig durch den lauen Luftstrom hin.

In ein Meer von süsser Lust versenket,
wallt die Seele staunend auf und ab,
stürzt, von frohen Ahndungen getränket,
sich im Taumel des Gefühls hinab.

Liebe hat die Wesen neu gestaltet;
ihre Gottheit überstrahlt auch mich,
und ein neuer üpp'ger Lenz entfaltet
ahndungsvoll in meiner Seele sich.

Lass an deine Mutterbrust mich sinken,
heil'ge Erde, meine Schöpferin!
Deines Lebens Fülle lass mich trinken,
jauchzen, dass ich dein Erzeugter bin!

Was sich regt auf diesem grossen Balle,
diese Bäume, dieser Schmuck der Flur:
Einer Mutter Kinder sind wir alle,
Kinder einer ewigen Natur.

Sind wir nicht aus Einem Stoff gewoben?
Hat der Geist, der mächtig sie durchdrang,
nicht auch mir das Herz empor gehoben?
tönt er nicht in meiner Leier Klang?

Was mich so an ihre Freuden bindet,
dass mit wundervoller Harmonie,
meine Brust ihr Leben mitempfindet,
ist, ich fühl' es, heil'ge Sympathie!

Schwelge, schwelge, eh' ein kalt Besinnen
diesen schönen Einklang unterbricht,
ganz in Lust und Liebe zu zerrinnen,
trunknes Herz, und widerstrebe nicht.

Sophie Mereau (1770-1806)
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Kleines Liebeslied

Vor vielen tausend Jahren,
als wir noch beide Engel waren,
hab ich dich schon geliebt.
Und daß dein liebes Angesicht
der strenge Gott noch immer nicht
in meine Hände gibt,
macht abertausend Jahr bereit
für meiner Liebe Ewigkeit.

Else Rüthel (1899-1938)
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Der Morgenkuss nach einem Ball

Durch eine ganze Nacht sich nahe seyn,
So Hand in Hand, so Arm im Arme weilen,
So viel empfinden ohne mitzutheilen -
Ist eine wonnevolle Pein!

So immer Seelenblick im Seelenblick
Auch den geheimsten Wunsch des Herzens sehen,
So wenig sprechen, und sich doch verstehen -
Ist hohes martervolles Glück!

Zum Lohn für die im Zwang verschwundne Zeit
Dann bey dem Morgenstrahl, warm, mit Entzücken
Sich Mund an Mund, und Herz an Herz sich drücken -
O dies ist – Engelseligkeit!

Gabriele von Baumberg
(1768-1839)
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Was ist mir nur geschehen . . .

Was ist mir nur geschehen,
Daß ich so glücklich bin?
Noch gestern schritt wie träumend
Ich meines Wegs dahin.
Noch gestern lag ein Nebel
Auf Wasser, Wald und Feld, -
Wie bist du nur verwandelt,
Wie anders heut', o Welt!

Kein Reif mehr auf den Wiesen,
Kein Raum für Frost und Leid,
Und kein Gefühl im Herzen
Als lauter Freudigkeit.
Es hebt mich zu den Wolken,
Es webt um mich wie Duft;
Es tönt mir, wo ich schreite,
Wie Grüßen aus der Luft.

Hat sich ein neuer Frühling
Auch in mein Herz gesenkt?
Ist's einer Knospe Treiben,
Die sich zum Lichte drängt?
War mir ein Engel nahe?
Ich staune, frag' und sinn':
Was ist mir nur geschehen,
Daß ich so glücklich bin?

Ilse Frapan (1849-1908)
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Eros

Vom Sturm getragen zieht der Frühling ein,
Er zürnt der Flur, die lang ihm widerstanden;
In der gepeitschten Wellen stürmisch Branden
Stöhnt und frohlockt der wetterschwangre Hain.

Noch flieht die Erde trotzig dem Verein,
Doch ahnt sie schon die Freuden, die ihr schwanden,
Und zu den alten, den geliebten Banden
Drängt sie tief innen aus des Todes Schrein.

So, Eros, zogest du einst in mein Herz.
Auf Wolken donnerte dein Siegeswagen,
Und willig trug ich deinen großen Schmerz.

Ich wähnte, wie nach stürmevollem März
Die Fluren wieder bunte Blumen tragen,
So würd' auch mir dereinst ein Maitag tagen.

Ricarda Huch (1864-1947)
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Ein Gedenkblatt

Du gingst so vorschnell aus der Welt
Und liessest so das Leben stehn,
Wie, wenn sie Müdigkeit befällt,
Die Kinder abends schlafen gehn.

Du schwebst mir vor so licht und wert.
Durch harte Manneskämpfe blieb
Auf deinen Lippen, unversehrt,
Ein Knabenlächeln zart und lieb.

Im Walde liegt so tief der Schnee,
Wie liegt er hoch auf deinem Grab!
Du bist dahingegangen, eh
Dein Schicksal dir Genüge gab.

Weiss wer, wo sich der Wind erhebt?
Kennt wer der Wanderwolke Fahrt?
Du schweiftest fern und bist entschwebt
Nach Windesweise, Wolkenart.

Hedwig Lachmann
(1865-1918)
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Du bist so mild

Du bist so mild . . . auf allen Wegen
Des jungen Lenzes such' ich dich,
Und meine Lippe flüstert Segen,
Und meine Hände falten sich.

Durch Nacht und Nebel will ich dringen,
Bis meine Seele dich erspäht
Und alle Saiten mir erklingen
Zu einem einzgen Dankgebet.

Und blüh' ich auch an deinem Pfade
Wie eine wilde Blume nur, -
Schon deine Nähe ist mir Gnade,
Und Frieden haucht mir deine Spur.

Und dürft' ich nie dir mehr begegnen,
Und müßt' ich fremd am Wege stehn . . .
In Ewigkeit will ich dich segnen
Ja nur für dein Vorübergehn.

Hedwig Dransfeld
(1871-1925)
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Sieh mich, das Meer, das dir zu Füßen brandet,
Laß dich umschlingen, küssen, schmelzen, komm!
Wie Well um Welle stürmend dich erklomm,
Bist du ein Gott, in Element gewandet.

Laß deinen Leib von meinem Leib umgleiten!
Kein Flor, kein Hauch, kein Strahl mehr, der uns trennt.
Nur du, nur du, soweit der Blick erkennt,
Umbraust vom Mantel meiner Zärtlichkeiten.

Den Ozean, den ihre Glut durchdrungen,
Verläßt die Sonne, und mit Huld zerstörend
Tilgt ihre Schönheit die geballte Nacht.

Du laß die Welt in ewgen Dämmerungen!
Geduldger Andacht Ungestüm erhörend
Begrabe dich in meine Liebesmacht.

Ricarda Huch
(1864-1947)
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Trennung

Jeden stillen Abend bet ich für dich,
sonst fänd ich nicht Schlaf noch Rast.
Mit gefalteten Händen nehm ich auf mich,
was vielleicht du gesündigt hast.

Jeden stillen Abend küss ich dein Bild,
- ich hab mich bescheiden gelernt -
dein Antlitz, das als mein Himmel mir gilt,
ist ganz von Küssen besternt.

Du schreibst mir: "- ich lieb dich, so wahr und so tief,
wie's jeden nur einmal trifft ..."
Es malt sich dein lieber, zerknitterter Brief
mir am Herzen in Spiegelschrift.


Alma Johanna Koenig
(1887-1942)
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Poem

(...) Ich möchte leben.
Schau, das Leben ist so bunt.
Es sind so viele schöne Bälle drin.
Und viele Lippen warten, lachen, glühn
und tuen ihre Freude kund.
Sieh nur die Straße, wie sie steigt:
so breit und hell, als warte sie auf mich.
Und ferne, irgendwo, da schluchzt und geigt
die Sehnsucht, die sich zieht durch mich und dich.
Der Wind rauscht rufend durch den Wald,
er sagt mir, daß das Leben singt.
Die Luft ist leise, zart und kalt,
die ferne Pappel winkt und winkt.

Ich möchte leben.
Ich möchte lachen und Lasten heben
und möchte kämpfen und lieben und hassen
und möchte den Himmel mit Händen fassen
und möchte frei sein und atmen und schrein.
Ich will nicht sterben. Nein!
Nein.
Das Leben ist rot,
Das Leben ist mein.
Mein und dein.
Mein. (...)

Selma Meerbaum-Eisinger
(1924-1942)
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Mein Leib ...

Mein Leib ist nur
wie eine Spur
von deinen Händen.

Laß dich nicht blenden:
ich bin kein Ziel.
Ich bin nur ein Saitenspiel.
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An Anatol

Du bist ein Glanz.
Du bist das Lied der Bäume,
das sich in meine Träume
einsingt wie ein Tanz.
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Wie meine Tage ...

Wie meine Tage ihr Gesicht
verlöschen lassen,
wenn sie in deinem nicht
sich widerspiegelnd fassen.


Hertha Kräftner (1928-1951)
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Phantasie

Mir war, ich hätt' an deiner Brust geruht
Eine jauchzende Stunde lang.
An meinem Herzen hätt' ich deins gefühlt,
Eine jauchzende Stunde lang.

Und alle Sünde war so fern,
Und schuldlos ich und du.
Wie Ausruhn war's vom Wanderweh
Und Heimkehr in ein Kinderglück.

Und draussen lag die Welt so fremd,
Schwer schlief die grosse, öde Stadt!
Der Herbstwald stand im Nebelmeer.
Und rieselt gold'ne Blätter ab.

In ihren weichen Mantel hüllt
Die Mitternacht uns dicht;
Und nur ein grosses Leuchten ging
Von deinem Haupt auf mich.

Da wusst' ich's, dass mein Leben war
Ein einzig Wandern nur zu dir;
Ein einzig Harren auf Erlöserkuss:
Mein Heiland du - nun gib ihn mir.

Thekla Skorra
(1866-1943)

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