Deutsche Liebeslyrik - Gedicht der Woche Archiv

für das Jahr 2025

(die neuesten Gedichte oben)



O Sternen Äugelein! O seiden Härelein/
O Rosen Wängelein/
Corallen Lippelein/
O Perlen Zänelein/
O Honig Züngelein/
O Perlemutter Oehrelein/
O Helffenbeinen Hälßelein/
O Pomerantzen Brüstelein/
Bißher an euch ist alles fein:
Abr O du steinern Hertzelein/
Wie daß du tödst das Leben mein?

O grüne Wälderlein! O Myrtensträuchelein/
O kühle Brünnelein/
Cristallen Bächelein/
O grüne Wieselein/
O schöne Blümelein/
O Felßen klufft/ O Berg und Thal/
O Eccho Trewer Wiederschall/
O Pan O Schäffr und Schäfferin/
Seht doch wie ich so Elend bin/
Der grimmig Todt mich greiffet an/
Ach helffet/ wer da helffen kan?

O wahre Lieb und Trew! O falsche Heucheley/
O Hoffnung Sicherheit/
O Forcht/ Schwermütigkeit/
O süsse Lust und Frewd/
O Angst und Hertzeleid/
O Music edler Frewden Schall/
O seufftzen/ heulen/ Hertzensknall/
O Leben Lieb O bitter Todt/
Ach wechselt umb es ist die Noht/
Wie könnet ihr doch alle seyn/
Ein liebend Hertz zu trümmern gehn?

Johann Hermann Schein
(1586-1630)
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Wie Er wolle geküsset seyn

NIrgends hin/ als auff den Mund/
da sinkts in deß Herzen grund.
Nicht zu frey/ nicht zu gezwungen/
nicht mit gar zu fauler Zungen.

Nicht zu wenig, nicht zu viel.
Beydes wird sonst Kinder-spiel.
Nicht zu laut und nicht zu leise/
Bey der Maß' ist rechte weise.

Nicht zu nahe/ nicht zu weit.
Diß macht Kummer/ jenes Leid.
Nicht zu trucken/ nicht zu feuchte/
wie Adonis Venus reichte.

Nicht zu harte/ nicht zu weich.
Bald zugleich/ bald nicht zugleich.
Nicht zu langsam/ nicht zu schnelle.
Nicht ohn Unterscheid der Stelle.

Halb gebissen/ halb gehaucht.
Halb die Lippen eingetaucht.
Nicht ohn Unterscheid der Zeiten.
Mehr alleine/ denn bei Leuten.

Küsse nun ein Jederman
wie er weiß/ will/ soll und kan.
Ich nur/ und die Liebste wissen/
wie wir uns recht sollen küssen.

Paul Fleming
(1609-1640)
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Zum neuen Jahr

Wie heimlicher Weise
Ein Engelein leise
Mit rosigen Füßen
Die Erde betritt,
So nahte der Morgen.
Jauchzt ihm, ihr Frommen,
Ein heilig Willkommen,
Ein heilig Willkommen!
Herz, jauchze du mit!

In Ihm sei's begonnen,
Der Monde und Sonnen
An blauen Gezelten
Des Himmels bewegt.
Du, Vater, du rate!
Lenke du und wende!
Herr, dir in die Hände
Sei Anfang und Ende,
Sei alles gelegt!

Eduard Mörike (1804-1875)
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