DE VITA MENTALI
ODER VOM ÜBERSINNLICHEN LEBEN
Ein Gespräch eines
Meisters und Jüngers
Wie die Seele möge zu
göttlicher Anschauung und Gehör kommen und was ihre Kindheit in dem
natürlichen und übernatürlichen Leben sei, und wie sie aus der Natur in
Gott und wieder aus Gott in die Natur der Selbheit eingehe, auch was ihre
Seligkeit und Verderben sei.
(...)
23. Der Jünger sprach: Wie mag das sein oder geschehen, daß ich liebe, was
mich verachtet? — Der Meister sprach: Jetzt liebest du irdische Weisheit.
Wenn du aber überkleidet bist mit himmlischer, so siehest du, daß alle
Welt nur deinen Feind hasset, als das sterbliche Leben, das du selber auch
hassest in deinem Willen; so hebest du an, solche Verachtung des tödlichen
Leibes auch zu lieben.
24. Der Jünger sprach: Wie mag aber das beieinander stehen, daß sich ein
Mensch liebe und auch hasse? — Der Meister sprach: Was du dich liebest,
das liebest du dich nicht als eine Deinheit, sondern als eine gegebne
Liebe Gottes. Du liebest den göttlichen Grund in dir, dadurch du Gottes
Weisheit und Wunderwerke samt deinen Brüdern liebest. Was du dich aber
hassest, das tust du nach der Deinheit, in welcher dir das Böse anhanget.
Das tust du, daß du gerne wollest die Ichheit gar zerbrechen und sie dir
würde zu einem ganz göttlichen Grunde. Die Liebe hasset die Ichheit, darum
daß die Ichheit ein tödlich Ding ist, und mögen nicht wohl
beisammenstehen; denn die Liebe besitzet den Himmel und wohnet in sich
selber. Aber die Ichheit besitzet die Welt samt ihren Wesen, und wohnet
auch in sich selber. Gleichwie der Himmel die Welt beherrschet und die
Ewigkeit die Zeit, also auch herrschet die Liebe über das natürliche
Leben.
25. Der Jünger sprach: Lieber Meister, sage mir doch, warum muß Liebe und
Leid, Freund und Feind beisammen stehen. Wäre es nicht besser eitel
(nichts als) Liebe? — Der Meister sprach: Wenn die Liebe nicht in Leid
stünde, so hätte sie nichts, das sie lieben könnte. Weil aber ihr Wesen,
das sie liebet, als (nämlich) die arme Seele, in Leid und Pein stehet, so
hat sie Ursache, ihr eigen Wesen zu lieben und das von Pein zu erretten,
auf daß sie wieder geliebet werde. Auch möchte nicht erkannt werden, was
Liebe wäre, so sie nicht hätte, daß sie möchte lieben.
26. Der Jünger sprach: Was ist die Liebe in ihrer Kraft und Tugend, und in
ihrer Höhe und Größe. — Der Meister sprach: Ihre Tugend ist das Nichts und
ihre Kraft ist durch alles. Ihre Höhe ist so hoch als Gott und ihre Größe
ist größer als Gott. Wer sie findet, der findet nichts und alles.
27. Der Jünger sprach: O lieber Meister, sage mir doch, wie ich das
verstehen mag? — Der Meister sprach: Daß ich sprach, ihre Tugend sei das
Nichts, das verstehest du, wenn du von aller Kreatur ausgehest und aller
Natur und Kreatur ein Nichts wirst, so bist du in dem ewigen Ein, das ist
Gott selber, so empfindest du der Liebe höchste Tugend. Daß ich aber
sagte: ihre Kraft ist durch alles, das empfindest du in deiner Seelen und
Liebe, so die große Liebe in dir angezündet wird, so brennet sie als kein
Feuer vermag.
Auch siehest du alles ausgegossen und in allen Dingen der innerste und
äußerste Grund ist. Innerlich nach der Kraft und äußerlich nach der
Gestalt. Und daß ich ferner sprach: Ihre Höhe ist so hoch als Gott, das
verstehest du in dir selber, daß sie dich in sich so hoch führet als Gott
selber ist, wie du das kannst an unserm lieben Herrn Christo nach unserer
Menschheit sehen, welchen die Liebe hat bis in den höchsten Thron in die
Kraft der Gottheit geführet. Daß ich aber auch gesprochen, ihre Größe wäre
größer als Gott, das ist auch wahr, denn wo Gott nicht wohnet, da gehet
die Liebe hinein; denn da unser lieber Herr Christus in der Höllen stund,
so war die Hölle nicht Gott, aber die Liebe war da und zerbrach den Tod.
Auch wenn dir Angst ist, so ist Gott nicht die Angst, aber seine Liebe ist
da und führet dich aus der Angst in Gott. Wenn Gott in dir sich verbirget,
so ist die Liebe da und offenbaret ihn in dir. Und daß ich weiter gesaget:
Wer sie findet, der findet nichts und alles, das ist auch wahr, denn er
findet einen übernatürlichen, übersinnlichen Ungrund, da keine Stätte zu
ihrer Wohnung ist, und findet nichts, das ihr gleich sei. Darum kann man
sie mit nichts vergleichen, denn sie ist tiefer als Ichts (Seiendes).
Darum ist sie allen Dingen ein Nichts, weil sie nicht faßlich ist. Und
darum, daß sie nichts ist, so ist sie von allen Dingen frei und ist das
einige Gute, das man nicht sprechen mag, was es sei. Daß ich aber endlich
sagte: Er finde alles, wer sie findet, das ist auch wahr. Sie ist aller
Dinge Anfang gewesen und beherrschet alles. So du sie findest, so kommest
du in den Grund, daraus alle Dinge sind herkommen und darinnen sie stehen
und bist in ihr ein König über alle Werke Gottes.
28. Der Jünger sprach: Lieber Meister, sage mir doch, wo wohnet sie im
Menschen? — Der Meister sprach: Wo der Mensch nicht wohnet, da hat sie
ihren Sitz im Menschen.
29. Der Jünger sprach: Wo ist das, da der Mensch in sich selber nicht
wohnet? — Der Meister sprach: Das ist die zu Grund (die bis auf den Grund)
gelassene Seele, da die Seele ihres eigenen Willens erstirbet und selber
nichts mehr will, ohne was Gott will, da wohnet sie. Denn so viel der
eigene Wille ihme (sich) selber tot ist, so viel hat sie die Stätte
eingenommen, da zuvorhin eigener Wille saß, da ist jetzt nichts. Und wo
nichts ist, da ist Gottes Liebe alleine wirkende.
30. Der Jünger sprach: Wie mag ich sie aber fassen ohne Sterben meines
Willens? — Der Meister sprach: Ists, daß du sie willst fassen, so fliehet
sie von dir. So du dich ihr aber ganz und gar ergibst, so bist du dir nach
deinem Willen tot und sie wird alsdann das Leben deiner Natur. Sie tötet
dich nicht, sondern machte dich lebendig nach ihrem Leben. Alsdann lebest
du, aber nicht deinem, sondern ihrem Willen; denn dein Wille wird ihr
Wille. So bist du dir alsdann tot und lebest aber Gotte.
31. Der Jünger sprach: Wie daß sie so wenig Menschen finden und hätten sie
doch alle gerne? — Der Meister sprach: Sie suchen sie alle in etwas als in
bildlicher Meinung (d.h. im Abbild statt in der Realität) in eigener
Begierde. Dazu haben sie fast alle eine natürliche Lust. Ob sie sich ihnen
gleich anbeut (obwohl sie sich anbietet), so findet sie doch keine Stätte
in ihnen, denn die Bildlichkeit eigenen Willens hat sich an ihre Stätte
gesetzt. So will sie die Bildlichkeit eigener Lust in sich haben. Aber sie
fleucht (flieht) davon, denn sie wohnet allein im Nichts. Darum finden sie
sie nicht.
32. Der Jünger sprach: Was ist ihr Amt im Nichts? — Der Meister sprach:
Das ist ihr Amt, daß sie ohne Unterlaß ins Etwas eindringet. Und so sie im
Etwas mag eine Stätte finden, die stille stehet, die nimmt sie ein und
erfreuet sich mit ihrer feuerflammenden Liebe mehr darinnen als die Sonne
in der Welt. Ihr Amt ist, daß sie ohne Unterlaß im Etwas ein Feuer anzünde
und das Etwas verbrenne und sich damit überinflammiere (überhitze).
33. Der Jünger sprach: O lieber Meister, wie verstehe ich das? — Der
Meister sprach: Ists, daß sie in dir mag ein Feuer anzünden, so wirst du
das fühlen, wie sie deine Ichheit verbrennet und sich deines Feuers also
hoch erfreute, daß du dich eher ließest töten, als daß du wieder in dein
Etwas eingingest. Auch ist ihre Flamme so groß, daß sie nicht von dir
ließe, ob es gleich dein zeitlich Leben gilt, so gehet sie mit dir in
ihrem Feuer in Tod. Und ob du in die Hölle führest, sie zerbräche die
Hölle um deinetwillen.
34. Der Jünger sprach: Lieber Meister, ich kann nicht mehr ertragen, das
mich irret (weil ich irritiert bin); wie mag ich den nähesten Weg zu ihr
finden? — Der Meister sprach: Wo der Weg am härtesten ist, da gehe hin,
und was die Welt wegwirft, des nimm dich an; und was sie tut, das tue du
nicht. Wandele der Welt in allen Dingen zuwider, so kommst du den nächsten
Weg zu ihr.
35. Der Jünger sprach: Ists, daß ich in allen Dingen zuwider wandele, so
muß ich ja in eitel (nichts als) Not und Unruhe stehen; auch würde ich als
töricht erkannt werden. — Der Meister sprach: Ich heiße dich nicht,
jemanden Leides tun. Allein die Welt liebet nur Trug und Eitelkeit und
wandelt auf falschem Wege. Und so du in allen Dingen ihrem Wege ein
Gegenspiel sein willst, so wandle alleine auf rechtem Wege; denn der
rechte Weg ist allen ihren Wegen zuwider. Daß du aber sagest, du würdest
in eitel Angst stehen, das geschiehet nach dem Fleisch. Das gibt dir
Ursache zu steter Buße. Und in solcher Angst ist die Liebe am
allerliebsten mit ihrem Feuer-Aufblasen (Verstärkung des Feuers). Daß du
auch sagest, du würdest für töricht erkannt werden, das ist wahr; denn der
Weg zur Liebe Gottes ist der Welt eine Torheit und aber den Kindern Gottes
eine Weisheit. Wenn die Welt solch Liebefeuer in Gottes Kindern siehet, so
saget sie, sie sind töricht worden. Aber den Kindern Gottes ist es der
größte Schatz, den nie kein Leben aussprechen kann, auch nie kein Mund
nennen mag, was da sei Feuer der inflammenden Liebe Gottes, welches weißer
ist denn die Sonne und süßer denn kein Honig und kräftiger den keine
Speise und Trank, auch lieblicher denn alle Freude dieser Welt. Wer dieses
erlanget, ist reicher denn kein König auf Erden und edler als kein Kaiser
sein mag und stärker denn alle Macht.
Aus: Jakob Böhme
Christosophia Ein christlicher Einweihungsweg
Herausgegeben und kommentiert von Gerhard Wehr
Aurum Verlag Freiburg im Breisgau 1976 (S. 153-157)
DE REGENERATIONE
ODER VON DER NEUEN WIEDERGEBURT
Das ist: Wie sich ein
Mensch, dem die Seligkeit ernst ist, durch Christi Geist aus dem
verwirrten und zänkischen Babylon müsse herausführen lassen, auf daß er in
Christi Geist neu geboren werde und ihme allein lebe.
Das 1. Kapitel
(...)
7. Denn eines Christen Gerechtigkeit ist in Christo, der kann nicht
sündigen; denn St. Paulus sagt: Unser Wandel ist im Himmel, von dannen
(von woher) wir warten des Heilandes Jesu Christi, (Phil. 3,20). Ist nun
unser Wandel im Himmel, so muß der Himmel in uns sein. Christus wohnet im
Himmel. So wir nun sein Tempel sind, so muß derselbe Himmel in uns sein.
15. Wie nun Gott in der Welt wohnet und alles erfüllet und doch nichts
besitzet, und das Feuer im Wasser wohnet und das nicht besitzt, und wie
das Licht in der Finsternis wohnet und die Finsternis doch nicht besitzet,
der Tag in der Nacht und die Nacht im Tage, die Zeit in der Ewigkeit und
die Ewigkeit in der Zeit also auch ist der Mensch geschaffen.
Er ist nach der äußern Menschheit die Zeit und in der Zeit, und die Zeit
ist die äußere Welt. Das ist auch der äußere Mensch. Und der innere Mensch
ist die Ewigkeit und die geistliche Zeit und Welt, welche auch steht in
Licht und Finsternis, als (nämlich) in Gottes Liebe nach dem ewigen Licht,
und in Gottes Zorn nach der ewigen Finsternis. Welches in ihm offenbar
ist, darinnen wohnet sein Geist, entweder in der Finsternis oder im
Lichte. Es ist beides in ihm, das Licht und die Finsternis. Ein jedes
wohnet in sich selber; keines besitzet das andere.
Das 4. Kapitel
(...)
2. Es muß ein großer mächtiger Ernst sein, nicht nur ein Lernen und
Wissen, sondern ein Hunger und großer Durst nach Christi Geist; denn das
Wissen allein ist kein Glaube, sondern der Hunger und Durst nach deme, das
ich begehre, daß ichs mir einbilde und mit der Einbildung eigentümlich
fasse und nehme, das ist Glauben.
3. Der Wille muß aus der Eitelkeit des Fleisches ausgehen, sich freiwillig
ins Leiden und Tod Christi und in allen Spott der Eitelkeit, welche ihn
darum spottet, daß er aus seinem eigenen Haus, darin er geboren ist,
ausgehe — ergeben und nicht mehr der Eitelkeit wollen, sondern nur bloß
der Liebe Gottes in Christo Jesu begehren.
7. Und so nun die Seele von dieser süßen, heiligen, himmlischen Speise
isset, so entzündet sie sich in der großen Liebe im Namen Jesu. Davon wird
ihr Angst-Feuer ein großer Triumph; und gehet ihr die wahre Sonne auf, in
welcher sie eines andern Willens geboren wird. Und allhie ist die Hochzeit
des Lammes, welches wir herzlich wünschen, daß es doch die Titul- und
Maulchristenheit einmal erfahren möchte und von der Historia ins Wesen
eingehen.
Das 6. Kapitel
(...)
2. Man bindet uns anjetzo an die Historien, an die steinernen Kirchen,
welche zwar in ihrem Wert gut wären, so man auch den Tempel Christi darein
brächte.
3. Man lehret, ihre Absolution sei eine Vergebung der Sünden; item
(desgleichen) , das Abendmahl nehme die Sünden weg; item, der Geist Gottes
werde vom Predigtamt eingegossen.
4. Dieses alles hätte seinen Wert, so es recht erkläret würde und man
nicht nur an der Hülsen hinge. Mancher gehet 20 oder 30 Jahr in die
Kirche, höret predigen und braucht (empfängt) Sakrament, läßt sich
absolvieren und ist einmal ein Tier des Teufels und der Eitelkeit wie das
ander. Ein Tier gehet in die Kirchen und zum Abendmahl, und ein Tier gehet
wieder davon. Wie will der essen, der keinen Mund hat? Wie will der hören,
der kein Gehör hat? Mag auch einer eine Speise genießen, die seinem Munde
verschlossen ist? Wie will der trinken, der fern vom Wasser ist? Was hilft
michs, daß ich in die Mauerkirche gehe und fülle meine Ohren mit einem
leeren Odem oder gehe zum Abendmahl und speise nur den irdischen Mund,
welcher sterblich und verweslich ist? Mag ich ihme doch wohl daheim ein
Stücke Brot geben, daß er satt werde. Was hilft das die Seele, welche ein
unsterblich Leben ist, daß der tierische Mensch die Weise des Gebrauchs
Christi hält, so sie nicht mag das Kleinod des Gebrauchs erreichen? Denn
St. Paulus sagt vom Abendmahl: Darum daß ihr nicht unterscheidet den Leib
des Herrn, empfahet ihrs (empfängt) zum Gerichte, (1.Kor. 11,29).
5. Der Bund bestehet, er wird im Gebrauch gerüget. Christus beut (bietet)
uns mit seinem Worte seinen Geist an als in dem gepredigten Worte und in
den Sakramenten seinen Leib und Blut, und in der brüderlichen Versöhnung
seine Absolution.
6. Was hilfts aber, daß ein Tier allda zuhöret und kein Gehör zum innern
lebendigen Worte hat? Hat auch kein Gefäß, darein es kann das Wort legen,
daß es Frucht bringe. Von denen sagt Christus: Der Teufel reißt das Wort
von ihren Herzen, daß sie nicht glauben und selig werden, (Luk. 8,12).
Warum? Darum, daß das Wort keine Stätte im Gehör findet, da es möchte
haften.
7. Also auch von der Absolution: Was hilfts, daß einer zu mir sagt: Ich
verkündige dir die Absolution deiner Sünden, so (wenn) doch die Seele ganz
in Sünden verschlossen liegt? Der solches zum verschlossenen Sünder sagt,
der irret und der es annimmt ohne Gottes Stimme in ihme, der betrügt sich
auch selber.
8. Niemand kann Sünde vergeben als allein Gott. Des Predigers Mund hat
nicht die Vergebung in eigener Gewalt. Der Geist Christi hat sie in der
Stimme des Priesters Mund, so er aber auch ein Christ ist. Was halfs aber
diejenigen, die Christum auf Erden höreten lehren, da er sprach: Kommt
alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken?
Was halfs dieselben, die es höreten und nicht mühselig waren? Wo bliebe
die Erquickung, da sie tote Ohren hatten und nur den äußern Christus
höreten, nicht aber das Wort der göttlichen Kraft, wurden sie doch nicht
erquicket, also viel hilft auch einem tierischen Menschen seine
heuchlerische Absolution. Also (Ebenso wenig) helfen ihm auch die
Sakramenta.
13. Aber in dem heiligen Lehrer lehret der Hl. Geist, und in dem heiligen
Hörer hört der Geist Christi durch die Seele und göttlich Gehäuse des
göttlichen Schalles. Der Heilige hat seine Kirche in sich, da er inne
höret und lehret. Aber Babel hat den Steinhaufen (eine nur äußerliche
Kirche), da gehet sie hinein heucheln und gleißen, läßt sich mit schönen
Kleidern sehen, stellt sich andächtig und fromm. Die steinerne Kirche ist
ihr Gott, darein sie das Vertrauen setzt.
14. Der Heilige aber hat seine Kirche an allen Orten bei sich und in sich;
denn er sehet und gehet, er liegt und sitzt in seiner Kirchen. Er ist in
der wahren christlichen Kirchen, im Tempel Christi. Der Hl. Geist predigt
ihme aus allen Kreaturen. Alles was er ansiehet, da siehet er einen
Prediger Gottes.
15. Hie wird der Spötter sagen, ich verachte die steinerne Kirche, da die
Gemeinde zusammenkommt. Da sage ich "nein" zu, sondern ich weise an die
heuchlerische babylonische Hure, die mit der steinern Kirche nur Hurerei
treibet und nennet sich einen Christen, ist aber ein Hurenbalg (Hurenkind
im Gegensatz zum Gotteskind).
16. Ein rechter Christ bringt seine heilige Kirche mit in die Gemeinde.
Sein Herz ist die wahre Kirche, da man soll Gottes dienst pflegen. Wenn
ich tausend Jahr in die Kirchen gehe, auch alle Wochen zum Sakrament,
lasse ich mich auch gleich alle Tage absolvieren, habe ich Christus nicht
in mir, so ists alles falsch und ein unnützer Tand, ein Schnitzwerk in
Babel und ist keine Vergebung der Sünden.
Das 7. Kapitel
1. Ein rechter Mensch, welcher in Christi Geist neugeboren ist, der ist in
der Einfalt Christi, hat mit niemanden einigen Zank um die Religion. Er
hat in ihm (sich) selbst Streit genug mit seinem tierischen, bösen Fleisch
und Blut. Er meinet immerdar, er sei ein großer Sünder, und fürchtet sich
vor Gott; denn seine Sünden stehen offenbar und sind im Gerichte, denn die
Turba (Verwirrung) verschleußt (verschließt) sie in sich, davon ihm der
Zorn Gottes unter Augen schilt als einen Schuldigen. Aber die Liebe
Christi dringt hindurch und vertreibt sie, wie der Tag die Nacht
verschlingt.
2. Dem Gottlosen aber ruhen seine Sünden im Schlafe des Todes und grünen
im Abgrunde aus und bringen Früchte in der Höllen.
3. Die Christenheit in Babel zankt um die Wissenschaft (das bloße formale
theologische Wissen), wie man Gott dienen, ehren und erkennen soll, was er
sei nach seinem Wesen und Willen; und lehren schlecht (schlicht), wer
nicht in allen Stücken mit ihnen einig sei in der Wissenschaft und
Meinung, der sei kein Christ, sondern ein Ketzer.
4. Nun wollte ich doch gerne sehen, wie man alle ihre Sekten sollte
zusammen in eine bringen, die sich die christliche Kirche könnte nennen,
weil sie allesamt nur Verächter sind, da je ein Haufe den andern lästert
und für falsch ausschreit.
5. Ein Christ aber hat keine Sekte. Er kann mitten unter den Sekten
wohnen, auch in ihrem Gottesdienst erscheinen, und hangt doch keiner Sekte
an. Er hat nur eine einige Wissenschaft, die ist Christus in ihme. Er
sucht nur einen Weg. Der ist die Begierde, daß er immerdar wollte gerne
recht tun und leben, und stellt all sein Wissen und Wollen ins Leben
Christi ein. Er seufzet (ruft innerlich) und wünschet immerdar, daß doch
Gottes Wille in ihme möchte geschehen und sein Reich in ihme offenbar
werden. Er tötet täglich und stündlich die Sünde im Fleisch; denn des
Weibes Same, als der innere Mensch in Christo, zertritt stets dem Teufel
in der Eitelkeit den Kopf, (Gen. 3,15).
6. Sein Glaube ist eine Begierde zu Gott. Die hat er in die gewisse
Hoffnung eingewickelt. Darin wagt ers auf die Worte der Verheißung. Er
lebet und stirbet darinnen, und da er doch nach dem rechten Menschen
nimmermehr stirbet. Denn Christus sagt auch also: Wer an mich glaubet,
wird nimmermehr sterben (Joh. 11, 25), sondern ist vom Tode zum Leben
hindurchgedrungen. Item: Es werden Ströme des lebendigen Wassers von ihm
fließen (Joh. 7, 38), als gute Lehre und Werke.
7. Darum, sage ich, ist alles Babel, was sich miteinander beißet und um
die Buchstaben zanket. Die Buchstaben stehen alle in einer Wurzel. Die ist
der Geist Gottes, gleichwie die mancherlei Blumen alle in der Erde stehen
und wachsen alle nebeneinander. Keine beißt sich mit der andern um die
Farben, Geruch und Schmack. Sie lassen die Erde und Sonne, sowohl Regen
und Wind, auch Hitze und Kälte mit sich machen, was sie wollen. Sie aber
wachsen eine jede in ihre Essenz und Eigenschaft. Also ist auch mit den
Kindern Gottes. Sie haben mancherlei Gaben und Erkenntnis, aber alles aus
einem Geiste. Sie freuen sich nebeneinander der großen Wunder Gottes und
danken dem Höchsten in seiner Weisheit. Was sollen sie lange um den
zanken, in dem sie leben und sind, dessen Wesen sie selber sind?
8. Es ist die größte Torheit in Babel, daß der Teufel hat die Welt um die
Religionen zankend gemacht, daß sie um selbstgemachte Meinung zanken, um
die Buchstaben, da doch in keiner Meinung das Reich Gottes stehet, sondern
in Kraft und der Liebe. Auch sagte Christus und ließ es seinen Jüngern
zuletzt, sie sollten einander lieben. Dabei würde jedermann erkennen, daß
sie seine Jünger wären, gleichwie er sie geliebt hätte (Joh. 13, 34). Wenn
die Menschen also sehr nach der Liebe und Gerechtigkeit trachteten als
nach Meinungen, so wäre gar kein Streit auf Erden. Wir lebten als Kinder
in unserm Vater und bedürften keines Gesetzes noch Ordens.
9. Denn mit keinem Gesetz wird Gott gedienet, allein mit Gehorsam. Die
Gesetze sind wegen der Bösen, die nicht der Liebe und der Gerechtigkeit
wollen, die werden mit Gesetzen getrieben und gezwungen. Wir haben alle
einen einigen Orden. Der ist, daß wir dem Herrn aller Wesen stille halten
und unsern Willen ihme ergeben und lassen seinen Geist in uns wirken,
spielen und machen, was er will. Und was er in uns wirket und offenbaret,
das geben wir ihm wieder dar als seine Frucht.
10. So wir nun um die mancherlei Frucht, Gaben und Erkenntnis nicht
zanketen, sondern erkenneten und untereinander als Kinder des Geistes
Gottes, was wollte uns richten? Lieget doch das Reich Gottes nicht an
unserm Wissen und Wähnen, sondern in der Kraft.
11. Wenn wir nicht halb so viel wüßten und wären viel kindischer
(kindlicher) und lebten als Kinder einer Mutter als wie die Zweige an
einem Baume, die alle von einer Wurzel Saft nehmen, so wären wir heiliger.
12. Das Wissen ist nur zu dem Ende, daß wirs lernen, weil wir haben die
göttliche Kraft verloren in Adam und sind nun jetzt zum Bösen geneigt, daß
wir es lernen erkennen, wie wir böse Eigenschaften in uns haben und daß
das böse Tun Gott nicht gefällt, damit wir mit dem Wissen lernen recht
tun. So wir aber die Kraft Gottes in uns haben und begehren von allen
Kräften recht zu tun und recht zu leben, so ist das Wissen nur unser
Spiel, darinnen wir uns erfreuen.
13. Denn das wahre Wissen ist die Offenbarung des Geistes Gottes durch die
ewige Weisheit. Der weiß in seinen Kindern, was er will. Er geußt (gießt)
seine Weisheit und Wunder durch seine Kinder aus, gleichwie die Erde die
mancherlei Blumen. So wir nun im Geiste Christi als demütige Kinder
nebeneinander wohneten und erfreuete sich je einer des andern Gaben und
Erkenntnis, wer wollte uns richten? Wer richtet die Vögel im Walde, die
den Herrn aller Wesen mit mancherlei Stimme loben, ein jeder aus seiner
Essenz? Straft sie auch der Geist Gottes, daß sie nicht ihre Stimmen in
eine Harmonie führen? Gehet doch ihr aller Hall aus seiner Kraft, und vor
ihm spielen sie.
14. Darum sind die Menschen, so um die Wissenschaft und um Gottes Willen
zanken und einander darum verachten, törichter denn die Vögel im Walde und
die wilden Tiere, die keinen rechten Verstand haben. Sie sind vor dem
heiligen Gott unnützer als die Wiesenblumen, welche doch dem Geist Gottes
stillehalten und lassen ihn die göttliche Weisheit und Kraft durch sich
offenbaren. Ja, sie sind ärger denn die Disteln und Dörner (Dornen)
unter den schönen Blumen, welche doch stille stehen. Sie sind als die
räuberischen Tiere und Vögel im Walde, welche die andern Vögel von deren
Gesang und Lobe Gottes abschrecken.
15. In Summa: Sie sind des Teufels Gewächs im Zorne Gottes, die durch ihre
Pein doch dem Herrn dienen müssen. Denn sie treiben mit ihrer Plag und
Verfolgung den Saft durch die Essenz der Kinder Gottes aus, daß sie sich
im Geiste Gottes bewegen mit Beten und emsigen Flehen, in welchem der
Geist Gottes sich in ihnen bewegt; denn die Begierde wird dadurch geübt
und auch die Kinder Gottes, daß sie grünen und Frucht bringen; denn in
Trübsal werden Gottes Kinder offenbar nach der Schrift: Wenn du sie
züchtigest, so rufen sie ängstlich zu dir. (Jes. 26, 16)
Das 8. Kapitel
1. Die ganze christliche Religion stehet in deme, daß wir uns lernen
erkennen, was wir sind, von wannen (woher) wir kommen sind, wie wir aus
der Einigung in die Uneinigkeit, Bosheit und Ungerechtigkeit eingegangen,
wie wir dieselbe haben in uns erweckt. Zum andern, wo wir in der Einigung
sind gewesen, da wir Kinder Gottes waren. Zum dritten, wie wir jetzt und
in der Uneinigkeit sind, in dem Streit und Widerwillen. Zum vierten, wo
wir hinwallen aus diesem zerbrechlichen Leben (Wesen). Wo wir mit dem
Unsterblichen hin wollen und dann auch mit dem Sterblichen.
2. In diesen vier Punkten stehet unsere ganze Religion, zu lernen, aus der
Uneinigkeit und Eitelkeit zu kommen und wieder in einen Baum, daraus wir
in Adam alle kommen sind, einzugehen, welcher ist Christus in uns. Wir
dürfen um nichts streiten, haben auch keinen Streit. Lerne sich nur ein
jeder üben, wie er wieder möge in die Liebe Gottes und seines Bruders
eingehen.
Aus: Jakob Böhme
Christosophia Ein christlicher Einweihungsweg
Herausgegeben und kommentiert von Gerhard Wehr
Aurum Verlag Freiburg im Breisgau 1976 (S. 106-142)
DE AEQUANIMITATE
ODER VON DER WAHREN GELASSENHEIT
Wie der Mensch mit seinem eigenen Willen in seiner Selbheit müsse täglich
sterben und wie er seine Begierde in Gott einführen, was er von Gott
bitten und begehren soll, und wie er aus dem Sterben des sündlichen
Menschen mit einem neuen Gemüte und Willen in Gott ausgrünen soll. Auch
was der alte und neue Mensch, ein jeder in seinem Leben, Willen und Tun
sei.
Das 1. Kapitel
(...)
35. Ich sage nicht, daß der
Mensch in natürlichen Künsten nichts forschen und lernen soll. Nein, denn
dasselbe ist ihm nützlich, aber die eigene Vernunft soll nicht der Anfang
sein. Der Mensch soll sein Leben nicht allein durch das äußere
Vernunft-Licht regieren. Dasselbe ist wohl gut, aber er soll sich mit
demselben in die tiefeste Demut vor Gott einsenken und den Geist und
Willen Gottes in all seinem Forschen vorne anstellen, daß das
Vernunft-Licht durch Gottes Licht sehe. Und ob (obwohl) die Vernunft viel
erkennet, so soll sie sich des doch nicht annehmen als eines Eigentums,
sondern Gott die Ehre geben, welchem alleine ist die Erkenntnis und
Weisheit. (2.Röm. 11, 32)
36. Denn je mehr sich die Vernunft in die alberne Demut vor Gott ersenket,
und je unwürdiger sie sich vor Gott hält, je (desto) mehr stirbet sie der
eigenen Begierde ab und je mehr durchdringet sie Gottes Geist und führet
sie in die höchste Erkenntnis ein, daß sie mag die großen Wunder Gottes
schauen. Denn Gottes Geist fähret nur in der gelassenen Demut. Was sich
selber nicht suchet noch begehret, was in sich selber vor Gott begehret
einfältig zu sein, das ergreifet der Geist Gottes und führets in seinen
Wundern aus. Ihme gefallen allein, die sich vor ihme fürchten und biegen
(beugen, bücken).
37. Denn Gott hat uns nicht zur Eigenherrschaft geschaffen, sondern zum
Werkzeuge seiner Wunder, durch welche er will seine Wunder selber
offenbaren. Der gelassene Wille vertrauet Gott und hoffet alles Gutes von
ihme. Aber der eigene Wille regieret sich selber, denn er hat sich von
Gott abgebrochen.
40. Denn das ist eben der rechte Glaube im Menschen, daß er der Selbheit
abstirbet, als der eigenen Begierde, und seine Begierde in allem seinen
Fürhaben (Vorhaben) in Gottes Willen einführet und sich keines Eigentums
annimmt (beansprucht), sondern in allem seinen Tun nur für Gottes Knecht
und Diener achtet, und denket, daß er alles das, was er tut und fürhat
(vorhat), Gott tut. (Kol. 3, 23)
43. Kein Werk außer Gottes Willen mag Gottes Reich erreichen. Es ist alles
nur ein unnützes Schnitzwerk in der großen Mühseligkeit der Menschen; denn
nichts gefällt Gott, ohne was er selber durch den Willen tut. Denn es ist
nur ein einiger Gott in dem Wesen aller Wesen, und alles, was in demselben
Wesen mit ihme arbeitet und wirket, das ist ein Geist mit ihme.
44. Was aber in seiner Selbheit in eigenem Willen wirket, das ist außer
seinem Regiment, in sich selber. Wohl ists in seinem allmächtigen
Regiment, mit welchem er alles Leben regieret, aber nicht in dem heiligen
göttlichen Regiment, sondern im Regiment der Natur, damit er Böses und
Gutes regieret. Kein Ding wird göttlich geheißen, das nicht in Gottes
Willen gehet und wirket.
45. Alle Pflanzen, spricht Christus, die mein Vater nicht gepflanzet hat,
sollen ausgerottet und, im Feuer verbrennet werden, (Matth. 25, 13). Alle
Werke des Menschen, welche er außer Gottes Willen wirket, die werden alle
im letzten Feuer Gottes verbrennen und im Zorne Gottes, als dem Abgrunde
der Finsternis, zur ewigen Ergötzlichkeit gegeben werden. Denn Christus
spricht: Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich, und wer nicht mit mir
sammlet, der zerstreuet. (Matth. 12, 30) Das ist: Wer nicht im gelassenen
Willen im Vertrauen auf ihn wirket und tut, der verwüstet und zerstöret
nur. Es ist ihm nicht angenehm. Kein Ding gefällt Gott, ohne was er mit
seinem Geist selbst will und durch sein Werkzeug tut.
46. Darum ist alles Fabel und Babel, was aus Schlüssen der menschlichen
Selbheit ohne göttliche Erkenntnis und Willen geschiehet, und ist nur ein
Werk des Gestirns und der äußern Welt, und wird von Gott nicht für sein
Werk erkannt, sondern ist ein Spiegel des ringenden (drehenden) Rades der
Natur, da Gutes und Böses miteinander ringet. Was das Gute bauet, das
zerbricht das Böse; und was das Böse bauet, das zerbricht das Gute. Und
dies ist der große Jammer der vergebenen (unnützen) Mühseligkeit, welches
alles in Gerichte Gottes zum Scheiden des Zankes gehöret.
Das 2. Kapitel
1. Wer da gedenket, etwas Vollkommenes und Gutes zu wirken, darinnen er
gedenket sich ewig zu erfreuen und dessen zu genießen, der gehe aus der
Selbheit als aus eigener Begierde in die Gelassenheit in Gottes Willen ein
und wirke mit Gott.
7. Der Mensch ist ins Paradeis in Gottes Liebe geschaffen, und so er sich
in Zorn, als in Gift-Qual und Tod einführet, so ist ihme das widerwärtige
Leben eine Pein.
9. Denn Gott ist alles. Er ist Finsternis und Licht, Liebe und Zorn, Feuer
und Licht. Aber er nennet sich alleine Gott nach dem Lichte seiner Liebe.
16. Darum ist alles Spintisieren und forschen von Gottes Willen ohne
Umwendung (Bekehrung) des Gemütes ein nichtig Ding. Wenn das Gemüte in
eigener Begierde des irdischen Lebens gefangen stehet, so mag es Gottes
Willen nicht ergreifen. Es läufet nur in der Selbheit von einem Wege in
den andern und findet doch keine Ruhe; denn die eigene Begierde führet
doch immer Unruhe ein.
22. Darum hat niemand eine Entschuldigung, als könnte er nicht wollen. Ja,
weil er in der Selbheit steckt, in eigener Begierde, und nur dem Gesetz
der Sünden im Fleisch dienet, so kann er nicht, denn er wird gehalten, und
ist der Sünden Knecht. Wenn er aber das Zentrum des Gemütes umwendet und
in Gottes Gehorsam und Willen einwendet, so kann er.
23. Nun ist doch das Zentrum des Gemütes aus der Ewigkeit, aus Gottes
Allmacht. Es mag sich einführen, wo es hin will; denn was aus dem Ewigen
ist, das hat kein Gesetze. Aber der Wille hat ein Gesetze, Gott zu
gehorsamen (gehorchen), und der Wille wird aus dem Gemüte erboren. Der
soll sich nicht von deme verrücken, in deme es Gott geschaffen hat.
24. So schuf doch Gott den Willen des Gemütes ins Paradeis zu einer
Gespielin der göttlichen Freudenreich. Aus deme sollte er sich nicht
verrücken. Nun er sich aber verrücket hat, so hat Gott seinen Willen
wieder ins Fleisch eingeführet und hat uns in diesem neueingeführten
Willen Macht gegeben, unsern Willen darein zu führen und ein neu Licht
darinnen anzuzünden und wieder seine Kinder zu werden.
25. Gott verstockt niemand, sondern der eigene Wille, welcher im Fleische
der Sünden beharret, der verstocket das Gemüte; denn er führet die
Eitelkeit dieser Welt ins Gemüte, auf daß das Gemüte verschlossen bleibe.
26. Gott, soviel er Gott heißet und ist kann nichts Böses wollen; denn er
ist nur ein einiger Wille in Gott, und der ist ewige Liebe, eine Begierde
der Gleichheit, als Kraft, Schöne und Tugend.
27. Gott begehret sonst nichts als nur, was seiner Begierde ähnlich ist.
Seine Begierde nimmt sonst nichts ein als nur das, was sie selber ist.
33. Kein anderer Weg ist zu Gott als ein neu Gemüte, das von der Bosheit
umwendet und in Reu seiner begangenen Sünden eingehet, von der Übeltat
ausgehet und diese nicht mehr will, sondern seinen Willen in Christi Tod
einwindet, und der Sünden der Seelen mit Ernste in Christi Tod abstirbet,
daß das seelische Gemüte der Sünden nicht mehr will. Ob alle Teufel hinter
ihm her wären und ins Fleisch mit ihrer Begierde einführen, so muß der
Seelen Wille im Tode Christi stillestehen, sich verbergen und nichts
wollen als nur Gottes Barmherzigkeit.
34. Kein Heucheln und äußerlich Trösten hilft nichts, da man den Schalk
der Sünden im Fleische mit Christi Bezahlung wollte zudecken und in der
Selbheit stehen bleiben. Christus sprach: Es sei denn, daß ihr umkehret
und werdet wie die Kinder, so sollt ihr das Reich Gottes nicht schauen, (Matth.
18, 3). Also gar muß ein neues Gemüte werden, als (wie) in einem Kinde,
das von Sünden nichts weiß. Ferner sprach Christus: Ihr müsset von neuem
geboren werden, anders sollet ihr Gottes Reich nicht schauen, (Joh. 3, 3).
Es muß ein ganz neuer Wille aus Christi Tod aufstehen, ja aus Christi
Eingehung (Inkarnation) in die Menschheit muß er ausgeboren werden und in
Christi Auferstehung aufstehen.
37. Alles Heucheln, daß wir sagen: Christus hat bezahlet und für die Sünde
genug getan; er ist für unsere Sünde gestorben; so wir nicht auch der
Sünden in ihme sterben und sein Verdienst in einem neuen Gehorsam anziehen
und darinnen leben, ist alles falsch und ein Trug, nichtig, ungültig
Trösten.
39. Nicht das Werk machet die Kindschaft, das im äußern Fleisch allein
geschieht, aber das Wirken Christi im Geist, welches mit dem äußern Werke
kräftig ist und sich als ein neues Licht erzeiget und die Kindschaft im
äußern Werke des Fleisches offenbaret, das ist und macht die Kindschaft.
40. Denn so das Auge der Seelen lichte ist, so ist der ganze Leib in allen
Gliedern lichte. So sich nun einer der Kindschaft rühmet und lässet den
Leib in Sünden brennen, der ist der Kindschaft noch nicht fähig oder
lieget ja in Banden des Teufels in einer schweren Finsternis gefangen. Und
so er auch nicht den ernsten Willen zur Wohltat in der Liebe in sich
brennen findet, so ist sein Vorgehen nur ein Vernunft-Dichten aus der
Selbheit, welche nicht mag Gott schauen, sie werde dann neu geboren und
erzeige sich in der Kraft der Kindschaft; denn kein Feuer ist ohne
Leuchten. So nun Gottes Feuer im Gemüte ist, so wirds wohl hervorleuchten
und das tun, das Gott haben will.
46. Es muß gerungen sein bis das finstere, harte verschlossene Zentrum
zerspringet und der Funke fähet (zündet), daraus, alsobald der edle
Lilienzweig, als aus einem göttlichen Senfkörnlein, wie Christus saget (Matth.
13, 31), ausgrünet. Es muß ernstes Beten mit großer Demut und mit der
eigenen Vernunft eine Weile ein Narr sein, sich selbst darinnen töricht
sehen, bis Christus eine Gestalt in dieser neuen Menschwerdung bekommt.
50. Die Selbheit dienet nur dem zeitlichen Wesen, aber die Gelassenheit
beherrschet alles, was unter ihr ist. Die Selbheit muß tun, was der Teufel
in Fleischeswollust und hoffärtigem Leben haben will. Aber die
Gelassenheit tritt das mit Füßen des Gemüts. Die Selbheit verachtet, was
albern (einfältig) ist, aber die Gelassenheit leget sich zum Albern in
Staub. Sie spricht: Ich will albern sein und nichts verstehen, auf daß
mein Verstand sich nicht erhebe und sündige. Ich will in den Vorhöfen
meines Gottes zu Füßen liegen, auf daß ich meinem Herrn diene, wozu er
mich haben will. Ich will nichts wissen, auf daß mich die Gebote meines
Herrn leiten und führen und ich nur das tue, das Gott durch mich tut und
haben will. Ich will in meiner Selbheit schlafen bis mich der Herr mit
seinem Geist aufwecket. Und so er nicht will, so will ich ewig in ihm in
der Stille ruhen und seines Gebotes erwarten.
55. Lieben Brüder, es ist eine Zeit des Suchens, Findens und Ernstes; wen
es trifft, den triffts. Wer da wachet der wirds hören und sehen. Wer aber
in Sünden schläfet und in seinen fetten Tagen des Bauchs der spricht: Es
ist alles Friede und stille; wir hören keinen Schall vom Herrn. Aber des
Herrn Stimme ist an den Enden der Erden erschollen und gehet auf ein Rauch
und mitten im Rauche eine große Helle eines Glanzes. Amen! Halleluja!
Amen!
Jauchzet dem Herrn in Zion denn alle Berge und Hügel (Jes. 44, 23; 49, 13)
sind voll seiner Herrlichkeit. Er scheußt (schießt) (Jes. 53, 2) auf wie
ein Gewächse, wer will das wehren? Halleluja.
Aus: Jakob Böhme
Christosophia Ein christlicher Einweihungsweg
Herausgegeben und kommentiert von Gerhard Wehr
Aurum Verlag Freiburg im Breisgau 1976 (S. 73-99)
Aus den theosophischen
Sendbriefen
4. Sendbrief
An Christian Bernhard, vom
14. November 1619
(...)
7. Also sind wir Gottes Bild und Gleichnis, welcher selber alles ist.
Sollen wir uns denn nicht freuen? Wer will uns von Gott scheiden, so die
Seele in Gott stehet, da kein Tod noch Zerbrechen ist?
8. Darum, mein gar lieber, treuer Freund und Bruder in Christo, achte ichs
mir für eine große Freude, daß ich also habe an euch funden ein edel
Gewächse Gottes, von welchem meine Seele auch hat gerochen, davon sie
wieder stark ward, als sie der Treiber (Widersacher) wollte reißen aus dem
Lande der Lebendigen, da sie lag unter den Treibern und sie der Antichrist
im Dornengewächse wollte verschlingen.
9. Aber wie Gott seinen Zweiglein, so in ihm stehen, zu Hilfe kommt mit
seiner Kraft, daß sie nicht verderben, ob gleich der Teufel und der Tod
einst drüber herrauschet, dennoch müssen sie wieder durch den Tod und
Grimm des Zorns und Stachel des Todes grünen. Und sollte Gott alle seine
edelsten Kräfte seines Gewächses dransetzen, so muß sein Wille bestehen.
Was in ihm gesäet wird, muß in ihm wachsen.
10. Welches uns erkenntlich ist, indem er sein Herze als sein edelstes
Gewächse in ihm hat lassen einen Menschen werden, uns zu einem starken
Geruche der Wiedergeburt in ihm, auf daß, so wir im Tode stünden, wieder
mit und durch ihn aus dem Tode grüneten in Gott seinem Vater, und brächten
Früchte des Paradeises.
11. So wir denn solches wissen, daß wir Gewächse Gottes sind, sollen wir
uns vor nichts fürchten, sondern ohne Unterlaß grünen im Leben Gottes, und
Früchte bringen zu Gottes Ehren und Wundertat, welcher wir ewig werden
genießen.
12. Und so wir dann auch wissen, wie unser edel Leben also in großer
Gefahr stehet zwischen Himmel- und Höllenreich in dieser Zeit des Lebens,
von beiden gefangen, so sollen wir vorsichtig wandeln, daß nicht unsere
Perle zerbrochen werde, sollen nicht den Ruch des Grimmes in uns lassen,
daß er uns verderbe, dadurch die edle Frucht im Gewächse verhindert wird
und Gott über uns klagen muß, er sei wie ein Weingärtner, der da
nachlieset und wollte doch auch gerne der edlen Trauben genießen.
13. So lasset uns munter sein, zu widerstreben dem Fürsten des Grimmes,
auf daß die edlen Trauben und Gottes Früchte in uns wachsen, daran Gott
einen guten Schmack und Ruch hat, auf daß wir ihm ein lieblicher Ruch in
Christo sind. (Eph.5,2 )
14. Wir werden dessen wohl genießen. So wir der Eitelkeit
(Vergänglichkeit) des Lebens loswerden, so werden wir alsdann leben und
grünen in Gott und essen vom reinen Leben Gottes ohne Makel. Und er wird
unsere Speise sein und wir seine, daß es also sei ein liebliches Gewächse
ineinander: wir in Gott und Gott in uns, ein ewiger Quall des Hl. Lebens
im Gewächse Gottes, darinnen eitel Vollkommenheit in der Liebe stehet.
Aus: Jakob Böhme
Theosophische Sendbriefe I
Herausgegeben und erläutert von Gerhard Wehr
Aurum Verlag Freiburg in Breisgau 1979 (S. 54-55)
8. Sendbrief
An Herrn Paul Kaym,
kaiserlicher Zolleinnehmer zu Liegnitz, vom 14. August 1620
(...)
5. Nein, dieses ist nicht die Jungfrauschaft in Zion. Es muß Ernst sein.
Wir müssen in Zion aus Gott geboren werden und seinen Willen erkennen und
auch tun. Gottes Geist muß Zeugnis geben unserm Geist, daß wir Gottes
Kinder sind, nicht alleine im Munde der Wissenschaft (bloßen Wissens)
sondern im Herzen, im Tun, nicht auf einem gleißnerischen Wege ohne Kraft,
welches der Teufel spottet. Sondern wir müssen den Helm der Gerechtigkeit
und der Liebe, auch der Keuschheit und Reinigkeit anziehen, wollen wir mit
dem Fürsten dieser Welt in Streit ziehen. Er giebet auf einen äußerlichen
Glanz nichts. Kraft muß ihn überwinden, auch soll die Kraft in
Wohltätigkeit leuchten. Also können wir um das Ritterkränzlein streiten,
denn wir haben einen gewaltigen Kriegsmann wider uns. Er greifet uns in
Leib und Seele und schläget uns bald zu Boden, und mag anders nicht
überwunden werden als mit Kraft in Demut. Die kann ihm sein giftig Feuer
löschen, damit er gegen uns und in uns wider das edle Bild streitet.
6. Darum, mein geliebter Herr und Bruder in Christo, weil ihr euch zu der
göttlichen Weisheit bekennet und in Arbeit derselben stehet, so ists
billig und recht, daß wir uns untereinander ermahnen, daß wir wacker
werden, dem Teufel zu widerstehen und uns den Weg, den wir wandeln sollen,
stets unter Augen stellen und auch darauf treten. Denn anders richten wir
nichts aus. Haben wir die Erkenntnis, daß die Welt in Babel blind sei und
irregehe, so sollen wir die ersten sein, die wir mit der Tat aus Babel
ausgehen, auf daß die Welt sehe, daß es ernst sei.
7. Es ist nicht genug, daß wir Babel offenbaren (entlarven) und tun eben
das, was Babel tut, damit bezeugen wir, so wir also tun, daß uns Gott zwar
sein Licht lässet leuchten, das wir sehen, aber wir wollen nur die Werke
der Finsternis machen. Und wird dasselbe Licht, das uns im Verstande
leuchtet, ein Zeugnis über uns sein, daß uns der Herr hat gerufen und hat
uns den Weg gezeiget. Aber wir haben den nicht wollen wandeln.
8. Es ist wohl gut, daß wir Babel offenbaren. Wir sollen aber auch sehen,
mit was Geiste und Gemüte und in welcher Erkenntnis das geschiehet. Es ist
wohl gut eifern (aktiv sein) aber das Herze muß in Gott gerichtet sein und
die Erkenntnis muß aus Gott sein. Gottes Geist muß uns Zeugnis geben und
unsere Gewißheit sein, sonst laufen wir ungesandt und sind doch von Gott
in unserm Laufen nicht erkannt worden. So spottet nur der Teufel unser und
führet uns in Irrwege. Dazu beweiset die Schrift, daß uns unsere Werke und
Worte sollen nachfolgen, Apok.14, 14.
9. Darum ist uns ernstlich zu betrachten, in was Geist und Erkenntnis wir
die hohen Geheimnisse angreifen. Denn der ein Böses will zerbrechen, soll
ein Bessers an die Stelle setzen, sonst ist er kein Baumeister Gottes,
arbeitet auch nicht in Christi Weinberg. Denn es ist nicht gut zerbrechen,
so man nicht weiß, wie das Gebäude wieder in eine bessere Form zu machen
ist. Denn Gott ist alleine der Baumeister der Welt. Wir sind nur Knechte.
Wir müssen eben zusehen, wie wir arbeiten, wollen wir Lohn empfahen und
auch daß wir sein Werk in seiner Schule gelernet haben und nicht laufen
ungesandt, da wir noch seines Werks nicht fähig sind, sonst werden wir
unnütze Knechte erfunden — so rede ich gutherzig und in ganzen Treuen, uns
zu vermahnen, was wir tun sollen, daß unsere Arbeit Gott angenehm sei.
10. Denn die dunklen Geheimnisse sind uns anders gar nicht zu erkennen als
im Hl. Geiste. Wir können nicht Schlüsse über verborgene Dinge machen. Wir
haben das denn in wahrer Erkenntnis und befinden in Erleuchtung Gottes,
daß es die Wahrheit und Gottes Wille sei, auch daß es seinem Worte ähnlich
sei und im Licht der Natur gegründet.
11. Denn ohne das Licht der Natur ist kein Verstand von göttlichen
Geheimnissen. Der große Bau Gottes stehet im Lichte der Natur offenbar.
Darum, wem Gottes Licht scheinet, mag alle Dinge erkennen, wiewohl die
Erkenntnis nicht einerlei ist, denn Gottes Wunder und Werke sind ohne
Ziel, auch ungemessen, und werden einem jeglichen offenbaret nach seinen
Gaben. Denn dem das Licht scheinet, hat eitel Freude an Gottes Werken.
12. Auch so ist das Alte vor tausend Jahren im Lichte so nahe und leicht
zu erkennen, als das heute geschiehet. Denn vor Gott ist tausend Jahr kaum
als für uns eine Minute oder Augenblick. Darum ist seinem Geiste alles
nahe und offenbar, beides das Geschehene und Zukünftige.
13. Und so wir dann in seinem Lichte sehen, so sollen wir seine Wunder
verkündigen und seinen herrlichen Namen offenbaren und preisen, und nicht
unser Pfund in die Erde vergraben, denn wir sollens unserm Herrn mit
Wucher darstellen. Er will Rechenschaft von uns fordern, wie wir damit
sind umgegangen. Und ohne Erkenntnis soll keiner im großen Mysterio
richten, denn es ist ihnen nicht befohlen, sondern er soll also dahin
arbeiten, daß er das wahre Licht erreiche, so arbeitet er recht in Gottes
Schule.
14. Denn es finden sich viel Richter, die da wollen im Mysterio richten
(urteilen), aber sie sind von Gott nicht (an)erkannt. Darum heißet ihre
Schule Babel, eine Mutter der Hurerei auf Erden, die mit Gott und auch dem
Teufel buhlen, und nennen sich doch Christi Hirten, und sind doch nicht
gesandt, viel weniger von Gott erkannt, sondern tun es um des Bauchs und
Ehren willen. Und erlangeten sie das nicht in ihrem Hurenlauf, sie liefen
nicht. Das rechte und hochteure Mysterium Gottes haben sie zu einem
Ministerium (Dienst) ihrer Hurerei und Wollust gemacht. Darum nennet es
der Geist Babel, eine Verwirrung, da man einen heuchlerischen Gottesdienst
treibet und Gott mit der Zungen bekennet und mit der Kraft verleugnet, da
man mit dem Munde Gott heuchelt und mit dem Herzen mit dem Drachen in der
Offenbarung Jesu Christi buhlet.
15. Solche sollen wir nicht sein, wollen wir das göttliche Mysterium
erreichen und des Lichtes fähig sein, sondern unsern Weg gänzlich in Gott
richten und uns ihm ergeben, daß Gottes Licht in uns leuchte, daß er sei
unser Wissen, Erkennen, Wollen und auch Tun. Wir müssen seine Kinder sein,
wollen wir von seinem Wesen reden und darinnen arbeiten. Denn keinem
Fremden, der sein Werk nicht lernet, giebet er sein Werk zu treiben.
Aus: Jakob Böhme
Theosophische Sendbriefe I
Herausgegeben und erläutert von Gerhard Wehr
Aurum Verlag Freiburg in Breisgau 1979 (S. 70-74)
11. Sendbrief
An Herrn Paul Kaym,
kaiserlicher Zolleinnehmer zu Liegnitz,
vom 19. November 1620
2. Christus spricht: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben, wer in mir
bleibet, der wird viel Früchte bringen, denn ohne mich könnet ihr nichts
tun. Item: Wer an mir bleibet und meine Worte in ihm, der bringet viel
Früchte. Joh.15,5.7.
3. In diesem lieget der ganze Grund und ist die einzige Wurzel zu dem
Brünnlein, daraus der göttliche Verstand fleußt (fließt). Kein anderer
Grund ist zu der wahren und rechten Erkenntnis in der Weisheit Gottes. Es
hilft kein ander Suchen, Studieren oder Forschen, denn ein jeder Geist
forschet nur seine eigene Tiefe und dasjenige, darinnen er sich entzündet.
Und wiewohl es ist, daß er in seiner Entzündung forschet, so findet er
doch nicht mehr als des Dinges Vorbild, gleich einem Schatten oder Traum.
Das Wesen mag er nicht schauen, denn so er das Wesen schauen will, so muß
er in dem Wesen sein und das Wesen in ihm, auf daß er dessen fähig sei und
in dem Wesen selber sehe.
4. So es aber denn nun ist, daß wir in Adam sind der göttlichen Wesenheit
abgestorben und gleich als blind und fremd worden, so ist kein Vermögen in
uns. Wir wissen in unserer Vernunft nichts von Gott als nur die Historie,
daß ein Gott sei. Denn seine Kraft fühlen wir nicht, und sein Licht sehen
wir nicht. Es sei denn, daß wir umkehren und werden wie die Kinder, die
nichts wissen, welche sich lassen pflegen und regieren, und wie ein Kind
auf seine Mutter siehet und sich nach ihr sehnet, welche es auch nähret
und aufziehet, also muß die äußere Vernunft ganz geblendet,
niedergeschlagen und gedämpfet werden und muß sich die Begierde in Gottes
Gnade und Liebe einwerfen, nichts achten das Widerfechten (Widerstand) der
äußern Vernunft, die da spricht: Es ist nicht wahr; Gott ist ferne; du
mußt ihn ersinnen; du mußt nach seinem Willen forschen, wie er sich hat
offenbaret, also und nicht anders will er erkannt sein.
5. Also richtet die äußere, gestirnete Vernunft, welche auch die ganze
Welt regieret, bis auf ein kleines Häuflein der Kinder Gottes. Christus
sprach: Ihr müsset in mir bleiben, denn ohne mich könnet ihr nichts tun,
nichts von Gott wissen, nichts Wahrhaftiges forschen; denn wer zu mir
kommet, den will ich nicht hinausstoßen; in mir werdet ihr viel Früchte
bringen. — Nun wächset ein jeder Zweig aus seinem Baume und hat des Baumes
Saft, Kraft und Eigenschaft und bringet Frucht nach des Baumes
Eigenschaft.
6. So muß nun ein jeder, der da will von Gott gelehret sein und will
göttliche Erkenntnis haben, in dem Baume, darein uns Gott durch die
Wiedergeburt gepflanzet hat, stehen; und er muß desselben Baumes Saft und
Kraft haben, sonst bringet er fremde, wilde Früchte, die nicht den Schmack
des guten Baumes haben. Wir müssen werden als ein Kind, das nichts
verstehet, sondern kennet nur seine Mutter und sehnet sich nach der. Wir
müssen von der neuen Milch der Menschwerdung Christi trinken, daß wir
seines Fleisches und Geistes teilhaftig werden. Seine Kraft und Saft muß
unser Saft und Kraft werden. Wir müssen in göttlichem Essen und Trinken
Gottes Kinder werden.
7. Nikodemus sprach: Wie mag das zugehen, daß ein Mensch mag im Alter
anders geboren werden? Joh. 3, 4. — Ja, lieber Nikodemus und liebe äußere
irdische Vernunft, wie mochte es zugehen, daß Adam, der doch ein
vollkommen Bildnis Gottes war, in seiner Vollkommenheit verdarb und
irdisch war? Geschah es nicht durch Imagination (hier: Begierde), daß er
seine Sucht und Lust in das äußere gestirnte und elementische irdische
Reich einführete, da er dann auch alsobald in seiner Begierde, Lust und
Einbildung geschwängert und irdisch ward, davon er in Schlaf der äußeren
Magiae fiel.
8. Also gehet es auch zu mit der Wiedergeburt. Durch die Imagination und
ernstliche Begierde werden wir wieder der Gottheit schwanger und empfahen
den neuen Leib im alten. Nicht mischet sich der neue mit dem alten,
gleichwie das Gold im groben Steine ein gar viel ander Ding ist, hat auch
einen andern Geist und Tinktur als das Grobe im Steine. Also ist auch der
neue Mensch im alten. Der grobe Stein weiß nichts vom Golde. Also auch
weiß der irdische Adam nichts vom göttlichen himmlischen Adam.
9. Darum ist der Streit im Menschen und ist ihm (sich) der Mensch selber
widerwärtig. Der irdische Adam will sehen, fühlen und schmecken, aber er
empfähet nur einen Strahl und Vorbild vom inneren Menschen, der ja zu
Zeiten etwas schmecket, aber nicht essentialisch, sondern gleichwie der
Sonne Licht die traurige Finsternis verschlinget, da es scheinet, als wäre
keine Finsternis mehr da, und da die Finsternis doch wahrhaftig im Lichte
verborgen bleibet, welches offenbar wird, wenn der Sonne Licht weichet.
10. Also verschlinget oft der neue Mensch in göttlicher Kraft den alten,
daß der alte meinet, er habe die Gottheit ergriffen. Aber er ist derselben
in seiner Essenz nicht fähig, sondern der Geist Gottes durchgehet den
alten als den neuen. Und so der wieder in sein Mysterium tritt, so weiß
der alte nicht wie ihm geschehen ist, suchet Wege zu Gott, forschet nach
Gottes Vorsatz und Willen, und er findet nur Tand und Meinungen, eifert in
seiner Meinung, und weiß nicht, was er tut. Er findet die Wurzel nicht,
denn er ist nicht fähig noch würdig. Das bewähret sein Sterben und
Verwesen.
11. Aber der neue Mensch, welcher im ernsten Willen und Vorsatze durch
Imagination (d. h. wie ihn Gott will) urständet, der bleibet in der Ruhe
Christi in dem Baume, welchen Gott der Vater durch seine Bewegung, als er
sich zum andernmal nach seinem Herzen — das ist: mit der Geburt und
Menschwerdung seines Sohnes — bewegte, in die menschliche Seele pflanzete,
steht und grünet im Leben Gottes. Er wächset in der Kraft und im Safte der
Weisheit Gottes in Gottes Leibe, der empfähet göttliche Erkenntnis und
Wissenschaft, nicht nach dem Maß des äußern Willens, was der äußere Mensch
wissen will, sondern nach dem Maß des innern Himmels.
12. Der innere Himmel zündet den äußern an, daß der Verstand das Äußere
ergreifet und verstehet. Denn mit der äußern Welt hat sich Gott, der da
ist ein Geist und auch ein Wesen, im Gleichnis geoffenbaret, auf daß sich
der Geist im Wesen schaue, und nicht allein das, sondern auch daß die
Kreatur Gottes Wesen in der Figur (Geistgestalt) schaue und erkenne. Denn
Gottes Wesen mag keine Kreatur außer sich selber schauen.
13. Der Geist schauet Gott im Wesen und im Glanz der Majestät, und das an
sich und seinesgleichen, denn Gott ist selber der Geist aller Wesen,
verstehet aber: der himmlischen. So wir die göttliche Kreatur sehen, so
sehen wir ein Bild aus Gottes Wesen. Und so wir derselben Willen und Tun
sehen, so sehen wir Gottes Willen und Tun.
14. Also ist auch der neue Mensch aus Gott geboren. Was der will und tut,
das ist Gottes Willen und Tun. Sein Wissen ist Gottes Wissen, denn ohne
Gottes Geist wissen wir nichts von Gott. Das Äußere kann nicht das Innere
schauen. Aber so das Innere das Äußere mit einem Blick in sich zeucht
(zieht), so ergreift das äußere des innern Spiegel zu einer Andeutung, daß
die äußere Welt aus der innern urständet und daß uns unsere Werke sollen
im Mysterio nachfolgen und durch die Scheidung des Gerichtes Gottes durchs
Feuer des Principii ins Ewige gestellet werden, zu welchem Ende Gott die
Engel und Menschen erschaffen als zu seiner Wundertat, daß erscheine die
Weisheit der göttlichen Kraft und daß sich Gott in Bildnissen der
Kreaturen schaue und seine Freude in sich selber mit dem Geschöpfe aus
seiner Weisheit habe.
40. Die Kinder Gottes haben geredet, vom Hl. Geist getrieben. Sie haben
viel und mancherlei Bäume gepflanzet. Aber sie stehen alle auf einer
Wurzel. Die ist der innere Himmel. Niemand kann sie finden, er stehe denn
auch auf derselben Wurzel. Es sind wohl mancherlei Gaben und Unterschied
der Gaben, aber sie wachsen alle aus derselben Wurzel. Darum kann sie der
äußere Himmel nicht finden oder meistern; und bleiben die Worte der
heiligen Kinder Gottes dem irdischen Menschen ein verborgen Mysterium. Und
ob sie meinen, sie verstehen sie, so haben sie doch nicht mehr als einen
Glast (Schein) davon.
41. Gleich wie man jetzt um Christi Worte, Lehre und Ehre zanket und
streitet um Gottes willen, wie man Gott dienen soll, da ihm doch nicht mit
Meinungen gedienet wird, sondern im Geiste Christi und in der Wahrheit
dienet man Gott. Es lieget nicht daran, was einer für Zeremonien und
Gebärde gebrauche. Ein jeder arbeitet in seinem Werke und Gaben aus seiner
Konstellation und Eigenschaft, aber alle aus einem Geiste getrieben und
geführet, sonst wäre Gott endlich und meßlich, wenn die Gaben einerlei
wären. Aber er ist eitel Wunder. Wer ihn ergreifet, der geht in seinen
Wundern einher.
Aus: Jakob Böhme
Theosophische Sendbriefe I
Herausgegeben und erläutert von Gerhard Wehr
Aurum Verlag Freiburg in Breisgau 1979 (S. 111-115; 121)
12. Sendbrief
An Herrn Kaspar Lindner,
Zolleinnehmer zu Beuthen.
Am Tage Mariä Himmelfahrt 1621
(...)
22. Gebt euch demnach dieses zur Antwort, daß die eigene Vernunft, welche
ohne Gottes Geist nur bloß vom Buchstaben gelehret ist, alles tadelt und
verachtet, was nicht schnurrecht nach dem Gesetze der hohen Schule
eintrifft (übereinstimmt). Wundert mich aber gar nichts, denn sie ist von
außen und Gottes Geist von innen. Sie ist gut und böse. Sie fähret dahin
als ein Wind und lässet sich wägen und treiben. Sie achtet auf
Menschenurteil. Und was das hohe Ansehen dieser Welt richtet, danach
richtet sie auch. Sie erkennet nicht des Herrn Sinn, denn er ist nicht in
ihr. Ihr Verstand ist vom Gestirne und ist nur ein Spiegel gegenüber der
göttlichen Weisheit.
23. Wie mag der die göttlichen Sachen richten (beurteilen), in dem nicht
der Geist des Herrn ist? Der Geist des Herrn prüfet und richtet allein
alle Dinge. Denn ihm allein ist alles bewußt und offenbar. Die Vernunft
aber richtet von außen, und richtet je eine Vernunft nach der andern: der
Kleine nach dem Großen, der Laie nach dem Doktor, und ergreifet keiner die
Wahrheit und des Herrn Sinn, ohne den Geist Gottes, welcher im Menschen
richtet und niemands Person ansiehet; der Laie ist ihm als (wie) der
Doktor.
48. Gott ist im Himmel, und der Himmel ist im Menschen. Will aber der
Mensch im Himmel sein, so muß der Himmel im Menschen offenbar werden. Das
muß durch ernste Buße und herzliches Einergeben (Hingabe) geschehen. Das
können sie wohl daheim und an ihren Orten tun. Dem sie gedenken zu
entfliehen, darein werden sie laufen. Wenn sie daheim einen göttlichen Weg
wandelten, daß andere Leute ein Exempel an ihnen hätten, wäre Gott
angenehmer.
Aus: Jakob Böhme
Theosophische Sendbriefe I
Herausgegeben und erläutert von Gerhard Wehr
Aurum Verlag Freiburg in Breisgau 1979 (S. 133; 139)
DE POENITENTIA VERA ODER VON
WAHRER BUSSE
DAS ERSTE BÜCHLEIN
(...)
Eine kurze Formula des Gebets
wenn die edle Sophia mit ihrer Liebe die Seele küsset und ihr die Liebe
anbietet.
42. O allerheiligste und tiefste Liebe Gottes in Christo Jesu! Schenke mir
doch dein Perllein. Drücke es doch in meine Seele ein; nimm doch meine
Seele in deinen Arm.
O du allersüßeste Liebe, ich bin wohl unrein vor dir. Zerbrich doch meine
Unreinigkeit durch deinen Tod. Führe doch meinen Seelenhunger und Durst
durch deinen Tod in deiner Auferstehung, in deinen Triumph aus. Schlage
meine Ichheit in deinem Tode zu Boden. Nimm sie gefangen und führe nur
meinen Hunger in deinem Hunger aus.
O höchste Liebe, bist du doch in mir erschienen, bleibe doch in mir und
fasse mich in dich. Halte mich doch in dir, daß ich nicht von dir weichen
kann. Erfülle doch meinen Hunger mit deiner Liebe. Speise doch meine Seele
mit deinem himmlischen Wesen und tränke sie mit dem Blute meines Erlösers
Jesu Christi. Tränke sie doch aus deinem Brünnlein.
O große Liebe, wecke doch mein verblichenes Bilde, welches in meinem Vater
Adam am Himmelreich verblich, durch das Wort, das es in des Weibes Samen
in Maria aufweckete, auf. Herr bewege du es doch.
O du Leben und Kraft der Gottheit, der du uns zugesaget hast, wir wollen
zu euch kommen und Wohnung in euch machen! (1.Joh. 14, 23) O süße Liebe,
in das Wort deiner Verheißung führe ich meine Begierde ein. Du hast ja
zugesagt, daß dein Vater will den Hl. Geist geben denen, die ihn darum
bitten. So führe ich nun meiner Seelen Hunger in deine Verheißung ein und
nehme dein Wort in meinen Hunger ein. Vermehre doch du meinen Hunger in
mir, nach dir. Stärke mich doch, o süße Liebe, in deiner Kraft. Mache mich
doch in dir lebendig, daß mein Geist deine Süßigkeit schmecke. Glaube doch
du durch deine Kraft in mir, denn ohne dich kann ich nichts tun.
O süße Liebe, ich bitte dich, durch die Liebe, da du Gottes Zorn mit
überwandest und den in Liebe und in die göttliche Freudenreich
verwandeltest, verwandele doch auch den Zorn in meiner Seele durch
dieselbe große Liebe, daß ich dir gehorsam werde und daß dich meine Seele
ewig darinnen liebe. Verwandele doch du meinen Willen in deinen. Führe
doch deinen Gehorsam in meinen Ungehorsam ein, auf daß ich dir gehorsam
werde.
O große Liebe Jesu Christi, zu dir flehe ich. Führe doch meiner Seelen
Hunger in deine Wunden ein, daraus du dein heiliges Blut vergossest und
den Zorn in der Seelen löschetest. In deine hohle Seite, daraus Blut und
Wasser rann, führe ich meinen Hunger ein und werfe mich ganz darein. Sei
doch du mein und erquicke mich in deinem Leiden. Laß mich doch nicht von
dir.
O mein edler Weinstock, gib doch deiner Reben Saft, daß ich in deiner
Kraft und Saft in deiner Essenz grüne und wachse. Gebäre doch du durch
deine Kraft in mir die rechte Kraft.
O süße Liebe, bist du doch mein Licht, leuchte doch du meiner armen Seelen
in ihrem schweren Gefängnis, in Fleisch und Blut. Führe sie doch stets auf
rechter Straße. Zerbrich doch du des Teufels Willen und führe meinen Leib
durch den Lauf dieser Welt, durch des Todes Kammer, in deinen Tod und Ruhe
ein, auf daß er am Jüngsten Tage aus deinem Tod in dir aufstehe und in dir
ewig lebe. Lehre doch du mich, was ich in dir tun soll. Sei doch du mein
Willen, Wissen und Tun, und ohne dich lass mich nirgends hingehen. Ich
ergebe mich dir ganz und gar. Amen.
Ein Gebetlein um göttliche
Wirkung, Schutz und Regierung
wie das Gemüte im Lebensbaume Christi mit und in Gott wirken soll.
43. In dir, o lebendige Quelle, erhebe ich meiner Seelen Begierde durch
das Leben meines Heilandes Jesu Christi in dich.
O du Leben und Kraft Gottes, erwecke dich doch in meiner Seelen Hunger.
Zünde doch du meiner Seelen Hunger mit deiner Liebe Begierde, durch den
Durst Jesu Christi, den er am Kreuze nach uns Menschen hatte, an, und
führe meine schwache Kraft durch deine mächtige Kraft in deinem Geiste
aus. Sei doch du mit deiner Kraft das Wirken und Wollen in mir. Blühe du
in der Kraft Jesu Christi in mir aus, auf daß ich dir möge Lob gebären als
rechte Früchte in deinem Reich. Laß nur mein Herze und Begierde ewig nicht
von dir weichen.
Weil ich aber in diesem Jammertal, in dem äußern irdischen Leib und Blut
in der Eitelkeit (Vergänglichkeit) schwimme und meine Seele und edle
Bildnis nach deinem Gleichnis auf allen Seiten mit (von) Feinden umfangen
ist, als (das heißt) mit des Teufels Begierde gegen mich, auch mit der
falschen Begierde der Eitelkeit im Fleisch und Blut, sowohl mit dem
Gegensatz aller gottlosen Menschen, welche deinen Namen nicht kennen, und
schwimme mit meinem äußern Leben in Sternen und Elementen, da meine Feinde
auf allen Seiten, innerlich und äußerlich, auf mich warten, auch der
zeitliche Tod, welcher der Zerbrecher dieses eitelen Lebens ist, so fliehe
ich zu dir, o heilige Kraft Gottes, weil du dich mit deiner Liebe in
Gnaden in unserer Menschheit hast offenbaret durch den heiligen Namen Jesu
und denselben zu unsern Gefährten in uns gegeben. So bitte ich dich, laß
doch auch seine Engel, die ihm dienen, auf unsere Seele warten und sich um
uns her lagern und uns bewahren vor den feurigen Pfeilen der Begierde des
Bösewichts, welche er durch den Fluch Gottes Zornes, der in unserem
irdischen Fleische erwecket ist, täglich scheußt (in uns hineinschießt).
Halte doch durch deine Kraft auf die Strahlen des Gestirnes in ihrer
Widerwärtigkeit, in welche sich der Bösewicht mit seiner Begierde
einflicht, uns in Seele und Fleisch zu vergiften und in falsche Begierde
einzuführen, auch in Krankheit und Elend. Wehre doch du diesen
Zornesstrahlen mit dem heiligen Namen Jesu in unserer Seelen und Geiste,
daß sie uns nicht rühren (berühren), und laß deinen heiligen guten Engel
bei uns sein, daß er diese Giftstrahlen unserm Leibe abtreibe.
O große Liebe und süße Kraft Jesu, du Quellbrunn der göttlichen Süßigkeit
aus dem ewigen großen Namen Jehova. Ich rufe mit meiner Seelen Begierde in
dich. Meine Seele rufet in den Geist ein, aus deme sie ist in Leib
eingeblasen worden, der sie hat zum Gleichnis Gottes formieret und
begehret in ihrem Durste des süßen Quellbrunnens Jesu aus Jehova in sich
zur Labung in ihrem Feuerodem Gottes, der sie selbst ist, auf daß in ihrem
Feuerodem aufgehe durch den Quelbrunn Jesu aus Jehova die süße Liebe Jesu
und der Herr Christus in meinem verblichenen Bilde der himmlischen,
geistlichen Leiblichkeit offenbar und Mensch werde und die arme Seele ihre
liebe Braut wieder in ihre Arme bekomme, mit der sie sich mag ewig
erfreuen.
O Immanuel, du Ehestatt (Ebenbild) Gott und Mensch, in deine Arme deiner
Begierde gegen und in uns ergebe ich mich, deiner begehre ich. Tilge du
doch deines Vaters Zorn mit deiner Liebe in mir und stärke mein schwaches
Bild in mir, daß es möge die Eitelkeit im Fleisch und Blut überwinden und
zähmen und dir dienen in Heiligkeit und Gerechtigkeit.
O großer, allerheiligster Name und Kraft Gottes, Jehova, der du dich im
verheißenen Ziel des Bundes, mit Adam unserm Vater gemacht, im Weibessamen
der Jungfrauen Maria, in unserer verblichenen himmlischen Menschheit hast
mit deiner allersüßesten Kraft Jesu beweget und deine lebendige Wesenheit,
deiner heiligen Kraft, in der jungfräulichen Weisheit Gottes (d. i. die
göttliche Sophia) in unsere an dir verblichenen Menschheit eingeführet und
uns zum Leben, Sieg und neue Wiedergeburt gegeben. Dich bitte ich aus
allen meinen Kräften: Gebäre mich doch auch in deiner süßen Kraft Jesu zu
einem neuen und heiligen Leben, auf daß ich in dir und du in mir seist und
dein Reich in mir offenbar werde und meiner Seelen Wille und Wandel im
Himmel sei.
O großer, unbegreiflicher Gott, der du alles erfüllest, sei doch du mein
Himmel, in deme meine neue Geburt in Christo Jesu möge wohnen. Laß doch
meinen Geist deines Hl. Geistes Saitenspiel, Klang und Freude sein. Spiele
du in mir in deiner wiedergebornen Bildnis und führe meine Harmonie in
deinem göttlichen Freudenreich aus in großem Lobe Gottes, in den Wundern
deiner Glorie und Herrlichkeit, in der Gemeinschaft der heiligen
englischen Harmonie (Harmonie der Engel) und baue in mir auf die heilige
Stadt Zion, in der wir als Kinder Christi alle in einer Stadt leben,
welche ist Christus in uns. In dich ersenke ich mich ganz und gar. Tue du
in mir, was du willst. Amen.
(...)
Ein Gebetlein oder Gespräche
zwischen der armen verwundeten Seele und der edlen Jungfrauen Sophia in
dem inwendigen Grunde des Menschen, als mit dem Geiste Christi in der
neuen Geburt, aus seiner Menschheit in uns und der Seelen. Wie so große
Freude im Himmel des neuen wiedergebornen Menschen sei, wie holdselig sich
die edle Sophia gegen ihren Bräutigam der Seelen stelle, wenn die Seele in
die Buße eingehet, und wie sich die Seele gegen sie halte, wenn ihr
Jungfrau Sophia offenbar wird.
Die Pforte des paradeisischen Rosengartens
niemand als Christi Kindern,
verstanden, welche diese erkannt haben.
45. Wenn sich der Eckstein Christus in dem verblichenen Bilde des
Menschen, in seiner herzlichen Bekehrung und Buße beweget, so erscheinet
Jungfrau Sophia in der Bewegung des Geistes Christi, in dem verblichenen
Bilde vor der Seelen in ihrem jungfräulichen Schmucke, vor welcher sich
die Seele in ihrer Unreinigkeit entsetzet, daß alle ihre Sünden erst in
ihr aufwachen und vor ihr erschrecken und zittern. Denn allda gehet das
Gerichte über die Sünde der Seelen an, daß sie auch wohl in ihre
Unwürdigkeit zurücke weichet und sich vor ihrem schönen Buhlen (Geliebten)
schämet, in sich geht und sich vernichtiget als ganz unwürdig, ein solches
Kleinod zu empfahen (zu empfangen), den Unsern verstanden, so (die) dieses
Kleinod geschmecket haben und sonst niemanden wissende. Aber die edle
Sophia nahet sich in der Seelen Essenz und küsset sie freundlich und
tingieret (färbt) mit ihrem Liebestrahl das finstere Feuer der Seelen und
durchscheinet die Seele mit ihrem Liebeskusse. So springet die Seele in
ihrem Leibe vor großen Freuden in Kraft der jungfräulichen Liebe auf,
triumphieret und lobet den großen Gott kraft der edlen Sophia.
Dessen ich allhie eine kurze Andeutung stellen will, wie es zugehe, wenn
die Braut den Bräutigam herzet. Dem Leser, so vielleicht noch nicht möchte
sein an diesem Ort gewesen, zum Nachdenken, ob ihn lüstere, uns
nachzufahren und auch an den Reigen zu treten, da man mit Sophia spielet.
Wenn nun dieses, wie oben gemeldet, geschiehet, so erfreuet sich die Seele
in ihrem Leibe und spricht:
Seele:
46. Nun sei dir, o großer Gott, in deiner Kraft und Süßigkeit, Lob, Dank,
Stärke, Preis und Ehre, daß du mich von dem Treiber der Angst erlöset
hast. O du schönes Lieb, mein Herze fasset dich, wo bist du so lange
gewesen? Mich deuchte (ich meinte) ich wäre in der Hölle und in Gottes
Grimm. O holdseliges Lieb, bleib doch bei mir, sei doch meine Freude und
Erquickung. Führe mich doch auf rechter Straße. In deine Liebe ergebe ich
mich. Ach ich bin ja vor dir dunkel; mache mich doch lichte. O edles Lieb,
gib mir doch deine süße Perle; lege sie doch in mich!
O großer Gott in Christo Jesu, nun preise und lobe ich dich in deiner
Wahrheit, in deiner großen Macht und Herrlichkeit, daß du mir hast meine
Sünde vergeben und hast mich mit deiner Kraft erfüllet. Ich jauchze dir in
meinem Leben und lobe dich in deiner Feste (Wohnung Gottes), welche
niemand aufschließen kann als dein Geist in deiner Barmherzigkeit. Meine
Gebeine erfreuen sich in deiner Kraft, und mein Herz spielet in deiner
Liebe. Dank sei dir ewiglich, daß du mich aus der Höllen erlöset und den
Tod in mir zum Leben gemacht hast. Jetzo empfinde ich deine verheißende
Wahrheit. O süßes Lieb, laß mich doch nicht wieder von dir weichen.
Schenke mir doch dein Perlenkränzlein und bleib in mir. Sei doch mein
Eigentum, daß ich mich ewig in dir erfreue.
Darauf spricht die Jungfrau Sophia zur Seelen:
47. Mein edler Bräutigam, meine Stärke und Macht, bist mir zu vielen Malen
willkommen. Wie hast du meiner so lange vergessen, daß ich in großem
Trauren vor deiner Tür stehen müssen anklopfen? Habe ich dir doch allezeit
geflehet und gerufen. Aber du hattest dein Antlitz von mir gewandt. Deine
Ohren waren aus meinem Lande gegangen. Mein Licht konntest du nicht sehen,
denn du wandeltest im finstern Tal. Ich bin nahe bei dir gewesen und habe
dir stets geflehet, aber deine Sünde hielt dich im Tode gefangen, daß du
mich nicht kanntest. Ich kam in großer Demut zu dir und rief dir, aber du
warest in der Macht des Zornes Gottes reich und achtest meiner Demut
nicht. Du hattest dir den Teufel zum Buhlen (Geliebten) genommen. Der hat
dich also besudelt und sein Raubschloß der Eitelkeit in dir aufgebauet und
dich ganz von meiner Liebe und Treue abgewendet in sein gleißnerisches
falsches Reich, darinnen hast du viel Sünde und Bosheit gewirket und
deinen Willen von meiner Liebe abgebrochen, und hast mir die Ehe gebrochen
und eine fremde Buhlschaft gepflogen und mich, deine dir von Gott gegebene
Braut, lassen im verblichenen Wesen ohne Stärke deiner Feuersmacht stehen.
Ich habe nicht können ohne deine Feuersmacht fröhlich sein, denn du bist
mein Mann. Von dir wird mein Glanz offenbar. Du kannst meine verborgenen
Wunder in deinem Feuerleben offenbaren und in Majestät einführen, und bist
doch außer mir ein dunkel Haus, da nur Angst und Pein, dazu eine
feindliche Qual innen ist.
O edler Bräutigam, bleib doch mit deinem Angesichte vor mir stehen und gib
mir deine Feuerstrahlen. Führe deine Begierde in mich und zünde mich an,
so will ich dir aus meiner Sanftmut deine Feuerstrahlen in ein weißes
Licht verwandeln und meine Liebe durch deine Feuerstrahlen in deine
Feueressenz einführen, und will dich ewig küssen.
O mein Bräutigam, wie ist mir so wohl in deiner Ehe. Küsse mich doch mit
deiner Begierde, in deiner Stärke und Macht, so will ich dir alle meine
Schöne zeigen und dich mit meiner süßen Liebe und hellem Licht in deinem
Feuerleben erfreuen. Alle heiligen Engel erfreuen sich jetzt mit uns, daß
sie uns wieder in der Ehe (Verbindung) sehen. Nun mein lieber Buhle, bleib
doch in meiner Treue und wende dein Angesichte nicht mehr von mir. Wirke
du in meiner Liebe deine Wunder, dazu dich Gott erwecket hat.
Weiter spricht die Seele zu ihrer edlen Jungfrau Sophia als zu ihrer in
ihr wiedergeborenen Buhlschaft:
48. Ach, meine edle Perle und eröffnete Flamme meines Lichtes in meinem
ängstlichen Feuerleben, wie verwandelst du mich in deine Freude! O schönes
Lied, ich bin dir ja in meinem Vater Adam brüchig (untreu) worden und habe
mich durch die Feuersmacht in Wollust und Eitelkeit der äußern Welt
gewandt und eine fremde Buhlschaft (Liebesverbindung) angenommen und hätte
also müssen ewig im finstern Tal, in fremder Buhlschaft wandeln, wenn du
nicht wärest in großer Treu durch dein Durchdringen und Zerbrechung des
Zornes Gottes, der Höllen und finstern Todes in das Haus meines Elendes zu
mir kommen und hättest meinem Feuerleben deine Sanftmut und Liebe
wiederbracht.
O süße Liebe, du hast mir Wasser des ewigen Lebens aus Gottes Brünnlein
mitgebracht und mich in meinem großen Durste erquicket. In dir sehe ich
Gottes Barmherzigkeit, welche mir zuvorn in der fremden Buhlschaft
verborgen stunde. In dir kann ich mich erfreuen. Du wandelst mir meine
Feuerangst in große Freude. Ach holdseliges Lieb, gib mir doch deine
Perle, daß ich ewig möge in solcher Freude stehen.
Darauf antwortet die edle Sophia der Seelen wieder und spricht:
49. Mein lieber Buhle und treuer Schatz, du erfreuest mich hoch in deinem
Anfange. Ich bin ja durch die tiefen Tore Gottes zu dir eingebrochen,
durch Gottes Zorn, durch Hölle und Tod in das Haus deines Elendes, und
habe dir meine Liebe aus Gnaden geschenket und dich von Ketten und Banden
erlöset, daran du feste angebunden warest. Ich habe dir meine Treu
gehalten. Aber du bittest jetzt ein Schweres von mir, das ich nicht gerne
mit dir wage. Du willst mein Perllein zum Eigentum haben. Gedenke doch,
mein lieber Bräutigam, wie du es vorhin (beim Sündenfall) in Adam
verwahrloset hast. Dazu stehest du noch in großer Gefahr und wandelst in
zweien gefährlichen Reichen. Als in deinem Feuer-Urstand wandelst du im
Lande, da sich Gott einen starken eiferigen Gott und ein verzehrend Feuer
nennet. Im andern Reiche wandelst du in der äußern Welt in der Luft, im
eiteln verderbten Fleisch und Blut, da der Welt Wollust mit des Teufels
Angriffen alle Stunde über dich herrauschen. Du möchtest in deiner großen
Freude wiederum Irdigkeit (das Irdische, Menschliche) in meine Schöne
einführen und mir mein Perllein verdunkeln. Auch möchtest du stolz werden
wie Luzifer ward, als er das Perllein zum Eigentum hatte, und möchtest
dich von Gottes Harmonie abwenden. So müßte ich hernach ewig meines Buhlen
beraubet sein.
Ich will mein Perllein in mir behalten und will in deiner verblichenen und
jetzt in mir wieder lebendig gemachten innern Menschheit im Himmel in dir
wohnen und mein Perllein dem Paradeis vorbehalten, bis du diese Irdigkeit
von dir ablegest. Alsdann will ich dirs zum Eigentum geben. Aber mein
Antlitz und süße Strahlen des Perlleins will ich dir die Zeit dieses
irdischen Lebens gerne darbieten. Ich will mit dem Perllein im inneren
Chor wohnen und deine getreue liebe Braut sein. In dein irdisch Fleisch
vermähle ich mich nicht, denn ich bin eine Königin der Himmeln und mein
Reich ist nicht von dieser Welt. Jedoch will ich dein äußer Leben nicht
wegwerfen, sondern ofte mit meinen Liebesstrahlen heimsuchen, denn deine
äußere Menschheit soll wiederkommen (in der "Auferstehung des Leibes").
Aber das Tier der Eitelkeit will ich nicht haben. Gott hat das (die
menschliche Leiblichkeit) auch nicht aus seinem Fürsatz also grob und
irdisch geschaffen, sondern deine Begierde hat diese viehische Grobheit in
Adam durch Lust gefasset aus allen Essentien der aufgewachten Eitelkeit
irdischer Eigenschaft, darinnen Hitze und Kälte, dazu Wehetun und
Feindschaft, auch das Zerbrechen stehet.
Nun, mein lieber Buhle und Bräutigam, gib dich mir in meinen Willen. Ich
will dich in diesem irdischen Leben in deiner Fährlichkeit (Gefährdung)
nicht verlassen, wenn dich gleich wird Gottes Zorn überziehen, daß dir
wird bange sein und meinest, ich habe dich verlassen, so will ich doch bei
dir sein und dich verwahren, denn du kennest dich nicht, was dein Amt ist.
Du sollst diese Zeit wirken und gebären. Du bist die Wurzel dieses Baumes,
aus dir sollen Zweige geboren werden, die müssen alle in Ängsten geboren
werden. Ich dringe durch deine Zweige in ihrem Saft mit aus und gebäre
Früchte auf deinen Ästen, und das weißt du nicht; denn der Höchste hat
mich also geordnet, bei und in dir zu wohnen.
Darum wickle dich in die Geduld und behüte dich vor Wollust des Fleisches.
Brich ihm den Willen und Begierde. Halte es im Zaum als (wie) wie ein böses Roß, so
will ich dich ofte in deiner feurischen Essenz besuchen und dir meinen
Liebeskuß geben und dir ein Kränzlein aus dem Paradeis zum Zeichen meiner
Liebe mitbringen und aufsetzen, darinnen du dich sollst erfreuen. Aber
mein Perllein gebe ich dir diese Zeit nicht zum Eigentum. Du sollst in der
Gelassenheit bleiben stehen und hören, was der Herr in deiner Harmonie in
dir spielet. Dazu sollst du ihm Klang und Essenz deines Tons aus meiner
Kraft geben, denn du bist nun jetzt ein Bote seines Mundes und sollst
seinen Ruhm und Ehre verkündigen. Um dieser Ursache halben hab ich mich
jetzt aufs neue mit dir verbunden und dir mein ritterliches
Siegeskränzlein, das ich in der Schlacht des Teufels und Todes erlanget
habe, aufgesetzet. Aber die Perlenkrone, damit ich dich krönete, habe ich
dir beigeleget (aufbewahrt). Die sollst du nicht mehr tragen bis du rein
vor mir wirst sein.
Die Seele spricht ferner zur edlen Sophia:
50. Ach du meine schöne und süße Gemahlin, was soll ich vor dir sagen?
Laß mich nur dir befohlen sein. Ich kann mich nicht verwahren. Willst du
mir jetzt nicht das Perllein geben, so sei es in deinem Willen. Gib mir
nur deine Liebesstrahlen und führe mich durch diese Pilgramstraße. Erwecke
und gebäre du in mir, was du willst. Ich will hinfort dein eigen sein und
mir nichts mehr wollen noch begehren, ohne was du durch mich willst. Ich
hatte deine süße Liebe verscherzt und dir meine Treue nicht gehalten.
Dadurch ich war in ewige Strafe gefallen. Weil du aber bist aus Liebe zu
mir in die Höllenangst kommen und hast mich von Pein erlöset, auch wieder zum Gemahl angenommen, so will ich jetzt um deiner Liebe willen meinen
Willen brechen und dir gehorsam sein und auf deine Liebe warten. Ich habe
nun genug, daß ich weiß, daß du in allen Nöten bei mir bist und mich nicht verlässest. O holdseliges Lieb, ich wende mein feuriges Angesichte zu dir.
O schöne Krone, hole mich doch balde in dich und führe mich aus der
Unruhe. Ich will ewig dein eigen sein und nimmermehr von dir weichen.
Die edle Sophia antwortet der Seelen ganz tröstlich und spricht:
51. Mein edler Bräutigam, sei getrost, ich habe mich mit dir verlobet in
meiner höchsten Liebe und in meiner Treue mit dir verbunden. Ich will alle
Tage bis an der Welt Ende bei und in dir sein. Ich will zu dir kommen und
Wohnung in deinem innern Chor in dir machen. Du sollst aus meinem
Brünnlein trinken, denn ich bin nun dein und du bist mein; uns soll der
Feind nicht mehr scheiden. Wirke du in deiner feurischen Eigenschaft, so
will ich dir meine Liebesstrahlen in dein Wirken eingeben. Wir wollen den
Weinberg Jesu Christi bauen. Gib du Essenz des Feuers, so will ich Essenz
des Lichtes und Gedeihen geben. Sei du Feuer, so will ich Wasser sein und
wir wollen das in dieser Welt verrichten, dazu wir von Gott verordnet
sind, und wollen ihm dienen in seinem Tempel, der wir selber sind. Amen.
Aus: Jakob Böhme
Christosophia Ein christlicher Einweihungsweg
Herausgegeben und kommentiert von Gerhard Wehr
Aurum Verlag Freiburg im Breisgau 1976 (S. 46-50; 53-60)
Aus: Die drei Principien
göttlichen Wesens
Das 4. Kapitel
Von der rechten ewigen Natur
(...)
8. Was lässest du dich den Antichrist narren mit seinen Gesetzen und
Schwätzen? Wo willst du Gott suchen? In der Tiefe über den Sternen? Da
wirst du ihn nicht finden! Suche ihn in deinem Herzen, im Centro deiner
Lebensgeburt: Da wirst du ihn finden, wie Vater Adam und Mutter Heva
thaten.
9. Denn es stehet
geschrieben: Ihr müsset von Neuem geboren werden, durch das Wasser und
Geist: sonst werdet ihr das Reich Gottes nicht sehen. Joh. 3, 5. Diese
Geburt muß in dir geschehen; das Herz oder Sohn Gottes muß in deines
Lebens Geburt aufgehen: alsdann ist der Heiland Christus dein getreuer
Hirte und du bist in ihm und er in dir, und Alles, was er und sein Vater
hat, ist dein, und Niemand wird dich aus seinen Händen reißen; sondern wie
der Sohn (das ist des Vaters Herz) einig ist, also ist auch dein neuer
Mensch im Vater und Sohne einig, Eine Kraft, Ein Licht, Ein Leben, Ein
ewig Paradies, Eine ewige himmlische Geburt, Ein Vater, Sohn, heiliger
Geist und du sein Kind. Siehet doch der Sohn wohl, was der Vater im Hause
machet: so es nun der Sohn auch lernet, was Mißfallen hat der Vater am
Sohne? Wird sich nicht der Vater freuen über seinen Sohn, daß er so wohl
gerathen ist? Warum wollte denn der himmlische Vater Verdruß nehmen von
seinen Kindern in dieser Welt, die ihm anhangen und nach ihm fragen, ihn
gern wollten kennen, sein Werk treiben und seinen Willen thun? Heißet uns
doch der Wiedergebärer zu ihm kommen; und wer zu ihm kommt, den will er
nicht hinausstoßen. Wollte denn Jemand wehren dem Geist der Weissagung,
welche ist Gottes? Sehet doch an die Apostel Christi: wer lehret sie
anders als Gott? der in ihnen war und sie in Gott.
(S. 25)
57. Und so wir nun wollen reden von der heiligen Dreifaltigkeit, so müssen
wir erstlich sagen, es sei ein Gott: und der heißt der Vater und Schöpfer
aller Dinge, der da ist allmächtig und Alles in Allem, Alles ist sein und
Alles ist von ihm, in ihm und aus ihm herkommen, und bleibet in ihm
ewiglich. Und dann zweitens sagen wir, er sei dreifaltig in Personen und
habe von Ewigkeit aus sich geboren seinen Sohn, welcher ist sein Herz,
Licht und Liebe; und sind doch nicht zwei Wesen, sondern eins. Und dann
drittens sagen wir vermöge der Schrift, es sei ein heiliger Geist, der
gehe vom Vater und Sohne aus, und sei Ein Wesen in dem Vater, Sohn und
heiligen Geiste. Und das ist recht also geredet.
(S. 35)
Das 9. Kapitel
Vom Paradeis
1. Kein Geld noch Gut, weder Kunst noch Macht wird dich bringen zur ewigen
Ruhe der ewigen Sanftmuth des Paradeises, allein die edle Erkenntniß;
darein kannst du deine Seele wickeln: das ist die Perle, die keine Motte
frißt, und kein Dieb stiehlet; darum suche die, so findest du einen edelen
Schatz.
2. Unser Wissen und Erkenntniß ist uns also hart zerronnen, daß wir keine
Erkenntniß mehr vom Paradeis haben, es sei denn, daß wir wieder neugeboren
werden durch das Wasser und heiligen Geist; sonst liegt uns immer die
Decke Mosis vor unsern Augen, wenn wir seine Schriften lesen und
vermeinen, das sei das Paradeis, davon Moses saget: Gott habe Adam in den
Garten Eden gesetzet, den er gepflanzet hatte, daß er den baue, Gen. 2,
15.
3. Mein lieber Mensch, es ist nicht das Paradeis, Moses saget solches auch
nicht; sondern es ist der Garten in Eden gewesen, da sie sind versucht
worden, davon du beim Fall Adams findest. Das Paradeis ist die göttliche
Wonne: die ist in ihrem eigenen Gemüthe gewesen, da sie in Gottes Liebe
waren. Als aber der Ungehorsam kam, wurden sie ausgetrieben, und sahen,
daß sie nackend waren; denn es empfing sie zur Stunde der Geist dieser
Welt, darinnen eitel Angst, Noth, Kummer und Elend ist, und endlich die
Zerbrechlichkeit und der Tod. Darum war es Noth, daß das ewige Wort
Fleisch ward und führete sie wieder in die paradeisische Ruhe, davon du an
seinem Orte findest beim Falle des Menschen.
4. Das Paradeis hat ein ander Principium: denn es ist die göttliche und
englische Wonne; aber nicht außer dem Loco dieser Welt, wohl außer der
Kraft und Quelle dieser Welt. Es mag's auch der Geist dieser Welt gar
nicht begreifen, viel weniger einige Kreatur, denn es stehet nicht in der
ängstlichen Geburt; und ob's gleich also seinen Urkund empfangen, so
stehet's doch in eitel Vollkommenheit, in eitel Liebe, Freude und Wonne,
da keine Furcht ist, auch kein Tod noch Qual: kein Teufel kann das
berühren, kein Thier erreicht das.
5. Wenn wir aber wollen reden von des Paradeises Quell und Freude, und von
seinem höchsten Wesen, was das sei: so haben wir kein Gleichniß in dieser
Welt, wir bedürften Engels-Zungen darzu, und englische Erkenntniß; und ob
wir die hätten, so können wir's doch mit dieser Zunge nicht reden. Im
Gemüthe, so die Seele auf dem paradeisischen Braut-Wagen fähret, wird es
wohl verstanden; aber mit der Zunge können wir's nicht erheben: jedoch
wollen wir das Abc nicht wegwerfen, und derweil mit den Kindern reden, bis
uns ein anderer Mund zu reden wird gegeben werden.
(S. 71-72)
15. Darum, o Menschenkind! Siehe dich in dieser Zeit vor, laß dir die
Ohren nicht jucken, wenn du hörest die falschen Hirten die Kinder Christi
hinrichten; es ist nicht Christi Stimme, sondern des Antichrists. Der Weg
zum Paradeis hat gar einen andern Eingang: dein Herz muß zu Gott gerichtet
sein aus ganzen Kräften, und wie Gott will, daß allen Menschen geholfen
werde, und daß einer des andern Last tragen, einander freundlich mit
züchtiger Ehrerbietung im heiligen Geist entgegnen sollen; auch ein Jeder
seines Nächsten Heil mit Demuth und Ernst suchen und gerne wollen, daß er
von der Eitelkeit los würde, und mit ihm in Rosengarten ginge.
16. Die Erkenntniß ist in dem unendlichen Gott mancherlei: es soll sich
aber ein Jeder des Andern Gaben und Erkenntniß freuen und denken, daß uns
Gott in der paradeisischen Welt wird so überschwengliche Wissenschaft
geben, welches wir allhie mit den unterschiedlichen Gaben nur ein Fürbild
haben. Darum sollten wir nicht zanken wegen der Gaben und Erkenntniß; denn
der Geist giebt einem Jeden nach seiner Essentia in dem wunderlichen Gott
auszusprechen nach seiner Gestalt. Denn das wird im Paradesi in der
vollkommenen Liebe gar ein sehnliches Liebespiel sein, da ein Jeder aus
seiner Erkenntniß der großen Wunder in der heiligen Geburt wird reden.
(S. 74)
25. Die heilige Pforte. Die Vernunft, welche mit Adam aus dem
Paradeis ist ausgegangen, fraget: Wo ist das Paradeis anzutreffen? Ist es
weit oder nahe? Oder, wo fahren die Seelen hin, wann sie ins Paradeis
fahren? Ist es in dieser Welt, oder außer dem Loco dieser Welt über den
Sternen? Wo wohnet denn Gott mit den Engeln, und wo ist das liebe
Vaterland, da kein Tod ist; weil keine Sonne und Sterne darinnen sind, so
mußte es ja nicht in dieser Welt sein, sonst wäre es lange funden worden?
26. Liebe Vernunft, es kann keiner dem andern einen Schlüssel darzu
leihen; und ob es ist, daß einer einen hat, so schleust er doch dem andern
nicht auf, wie der Antichrist rühmet, er habe Schlüssel zu Himmel und
Hölle. Zwar er mag in dieser Zeit beide Schlüssel haben, es ist wahr, aber
er kann keinem andern mit aufschließen, ein jeder muß mit seinem eignen
Schlüssel aufschließen, sonst kommt er nicht hinein; denn der Schlüssel
ist der heilige Geist, wann er den Schlüssel hat, so gehet er ein und aus.
27. Es ist dir nichts näher als Himmel, Paradeis und Hölle: zu welchem du
geaneigenet bist und hinwirbest, dem bist du in dieser Zeit am nähesten.
Du bist zwischen beiden, und ist zwischen jedem eine Geburt; du
stehest in dieser Welt in beiden Thüren und hast beide Geburten in dir.
Gott hält dich in einer Pforte und rufet dich, und der Teufel hält dich in
der andern Pforte und rufet dich auch: mit welchem du gehest, da kommst du
hin. Der Teufel hat in seiner Hand Macht, Ehre, Wollust und Freude, und
die Wurzel darinnen ist der Tod und Feuer. So hat Gott in seiner Hand
Kreuz, Verfolgung, Jammer, Armuth, Schmach und Elend, und die Wurzel
desselben ist auch ein Feuer, und in dem Feuer ein Licht, und in dem
Lichte die Kraft, und in der Kraft das Paradeis, und im Paradeis die
Engel, und bei den Engeln die Freude. Die tölpischen Augen können es nicht
sehen, denn sie sind aus dem dritten Principio, und sehen nur vom Glast
der Sonnen; wenn aber der heilige Geist in die Seele kommt, so gebieret er
sie treu in Gott; so wird sie ein paradeisisch Kind und krieget den
Schlüssel zum Paradeis: dieselbige schauet hinein.
(S. 76-77)
37. Wenn nun nicht wäre das ewige Gemüth, daraus gehet der ewige Wille, so
wäre kein Gott; so aber ist das ewige Gemüth: das gebieret den ewigen
Willen, und der ewige Wille gebieret das ewige Herz Gottes, und das Herz
gebieret das Licht, und das Licht die Kraft, und die Kraft den Geist, und
das ist der allmächtige Gott, der in einem unwandelbaren Willen ist. Denn
so das Gemüth nicht mehr gebärete den Willen, so gebärete auch der Wille
nicht das Herz, und wäre alles ein Nichts: so aber nun das Gemüth gebieret
den Willen, und der Wille das Herz, und das Herz das Licht, und das Licht
die Kraft, und die Kraft den Geist; so gebieret der Geist nun wieder das
Gemüth, denn er hat die Kraft, und die Kraft ist das Herz und ist ein
unauflöslich Band.
(S. 91)
Aus: Jakob Böhme's
sämmtliche Werke
herausgegeben von K. W. Schiebler
Dritter Band: Die drei Principien göttlichen Wesens
Leipzig 1841 Verlag von Johann Ambrosius Barth
De mysterio magno
das ist: Von der Offenbarung göttlichen Worts
durch die drei Principia göttlichen Wesens
Das 1. Kapitel
Was der geoffenbarte Gott sei, und von der Dreiheit
1. Wenn wir wollen die neue Wiedergeburt verstehen, was sie ist, und wie
sie geschehe: so müssen wir erstlich wissen, was der Mensch ist, und wie
er Gottes Bild ist, und wie die göttliche Inwohne sei, auch was der
geoffenbarte Gott sei, dessen der Mensch ein Bild ist.
2. Wenn ich betrachte, was Gott ist, so sage ich: Er ist das Eine gegen
der Kreatur, als ein ewig Nichts; er hat weder Grund, Anfang noch Stätte;
und besitzet nichts, als nur sich selber: er ist der Wille des Ungrundes,
er ist in sich selber nur Eines: er bedarf keinen Raum noch Ort: er
gebäret von Ewigkeit in Ewigkeit sich selber in sich: er ist keinem Dinge
gleich oder ähnlich, und hat keinen sonderlichen Ort, da er wohne: die
ewige Weisheit oder Verstand ist seine Wohne: er ist der Wille der
Weisheit, die Weisheit ist seine Offenbarung.
3. In dieser ewigen Gebärung sind uns drei Dinge zu verstehen: als 1) ein
ewiger Wille, 2) ein ewig Gemüth des Willen 3) der Ausgang vom Willen und
Gemüthe, welcher ein Geist des Willens und Gemüthes ist.
4. Der Wille ist Vater; das Gemüth ist das Gefassete des Willens, als des
Willens Sitz oder Wohnung, oder das Centrum zum Etwas, und ist des Willens
Herz; und der Ausgang vom Willen und Gemüthe ist die Kraft und der Geist.
5. Dieser dreifache Geist ist ein einig Wesen, und da er doch kein Wesen
ist, sondern der ewige Verstand: Ein Urstand des Ichts, und ist doch die
ewige Verborgenheit, gleichwie der Verstand des Menschen nicht faßlich
oder in Zeit und Stätte ist, sondern ist selber seine Faßlichkeit und
Sitz, und das Ausgehen des Geistes ist die ewige urständliche
Beschaulichkeit, als eine Lust des Geistes.
5. Das Ausgegangene heißt die Lust der Gottheit oder die ewige Weisheit,
welche ist der ewige Urstand aller Kräfte, Farben und Tugenden, durch
welche der dreifache Geist in dieser Lust begehrend wird, als nämlich der
Kraft, Farben und Tugenden, und sein Begehren ist ein Impressen, ein sich
selber Fassen: der Wille fasset die Weisheit ins Gemüth, und das Gefassete
im Verstande ist das ewige Wort aller Farben, Kräfte und Tugenden, welches
der ewige Wille aus dem Verstande des Gemüths durch den Geist ausspricht.
7. Und dasselbe Sprechen ist das Bewegen oder Leben der Gottheit; ein Auge
des ewigen Sehens, da eine Kraft, Farbe und Tugend die andere im
Unterscheid erkennet, und stehen aber alle in gleicher Eigenschaft ohne
Gewicht, Ziel oder Maaß, auch von einander ungetrennt. Alle Kräfte, Farben
und Tugenden liegen in Einer, und ist eine unterschiedliche, in einander
wohlgestimmete, gebärende Harmonie, oder, wie ichs setzen möchte, ein
sprechendes Wort, da in dem Wort oder Sprechen alle Sprachen, Kräfte,
Farben und Tugenden inne liegen, und mit dem Hallen oder Sprechen sich
auswickeln und in ein Gesicht oder Sehen einführen.
8. Das ist nun das Auge des Ungrundes, das ewige Chaos, da alles innen
lieget, was Ewigkeit und Zeit ist, und heißet Rath, Kraft, Wunder und
Tugend: dessen eigentlicher Name heißet Gott, oder Jevovah, der ist außer
aller Natur, außer allen Anfängen einiges Wesens, ein in sich selber
Wirken, sich selber Gebären und Finden, oder Empfinden, ohne einigerlei
Qual von etwas oder durch etwas; hat weder Anfang noch Ende, ist
ungemessen, kann mit keiner Zahl in seiner Weite und Größe ausgesprochen
werden, denn er ist tiefer als sich ein Gedanke schwingen kann: er ist
nirgend weit von etwas, oder nahe bei etwas, er ist durch Alles und in
Allem; seine Geburt ist überall, und ohne ihn ist sonst nichts: er ist
Zeit und Ewigkeit, Grund und Ungrund, und begreifet ihn doch nichts als
der wahre Verstand, der ist Gott selber.
(S. 23-24)
Aus: Jakob Böhme's
sämmtliche Werke
herausgegeben von K. W. Schiebler
Fünfter Band: Mysterium magnum,
oder Erklärung über das erste Buch Mosis
Leipzig 1843 Verlag von Johann Ambrosius Barth
Wem Zeit ist wie Ewigkeit
Und Ewigkeit wie Zeit,
Der ist befreit
Von allem Streit.