Gottesliebe

Worte der Liebe
aus der christlichen Welt
 

Christus - 7. Jh., Koptisches Museum, Alt-Kairo




Angelus Silesius
(1624-1677)


Aus dem Cherubinischen Wandersmann


Die Liebe durchdringt das Innerste  ...

Die Lieb durchdringet alls;
ins innerste Gemach,

Welchs Gott vor alln verschließt,
geht ihm die Liebe nach.

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Das geistliche Losungswort  ...

Das Losungswort ist Lieb;
hast dus nicht eingenommen,

So darfst du nimmermehr
ans Himmels Grenzen kommen.

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Die Liebe zeucht zum Geliebten ...

Die Lieb ist das Gewicht.
Ists wahr, daß wir Gott lieben,

So werden wir von ihr
stets hin zu Gott getrieben.

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Das allerseligste Herze ...

Ein reines Herz schaut Gott,
ein heilges schmecket ihn,

In ein verliebetes
will er zu wohnen ziehn.

Wie selig ist der Mensch,
der sich befleißt und übt,

Daß ihm sein Herze wird
rein, heilig und verliebt!

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Das Lautenspiel Gottes ...

Ein Herze, das zu Grund
Gott still ist, wie er will,

Wird gern von ihm berührt:
es ist sein Lautenspiel.

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Des Weisen Verrichtung ...

Ein Narr ist viel bemüht;
des Weisen ganzes Tun,

Das zehnmal edeler,
ist Lieben, Schauen, Ruhn.

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Der nächste Weg zu Gott ...

Der nächste Weg zu Gott
ist durch der Liebe Tür;

Der Weg der Wissenschaft
bringt dich gar langsam für.

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Der guldene Begriff ...

Der guldene Begriff,
durch den man alles kann,

Ist Liebe; liebe nur,
so hast dus kurz getan.

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Die Liebe ist Gott gemeiner als Weisheit ...

Die Liebe geht zu Gott
unangesagt hinein,

Verstand und hoher Witz
muß lang im Vorhof sein.

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Ein unverwundetes Herz ist ungesund ...

Ein Herze, welches nicht
von Gottes Lieb ist wund,

Ist, ob es zwar nicht scheint,
ganz krank und ungesund.

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Die Liebe Gottes ist wesentlich ...

Die Liebe gegen Gott
steht nicht in Süßigkeit;

Süß ist ein Zufall nur,
sie steht in Wesenheit.

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Das Schnellste ...

Die Lieb ists schnellste Ding,
sie kann für sich allein

In einem Augenblick
im höchsten Himmel sein.

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Die Liebe hat keine Furcht ...

Die Liebe fürcht sich nicht,
sie kann auch nicht verderben,

Es müßte Gott zuvor
samt seiner Gottheit sterben.

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Je liebender, je seliger ...

Das Maß der Seligkeit
mißt ihr die Liebe ein;

Je völler du von Lieb,
je selger wirst du sein.

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Weisheit ohne Liebe ist nichts ...

Mensch, wo du weise bist
und liebst nicht Gott dabei,

So sag ich, daß ein Narr
dir vorzuziehen sei.

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Der Liebe Belohnung ...

Die Liebe hat Gott selbst
zum wesentlichen Lohn,

Er bleibet ewiglich
ihr Ruhm und Ehren-Kron.

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Die Schönheit kommt von Liebe ...

Die Schönheit kommt von Liebe;
auch Gottes Angesicht

Hat seine Lieblichkeit
von ihr, sonst glänzt es nicht.

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Die Würdigkeit kommt von Liebe ...

Ach, lauf doch nicht nach Witz
und Weisheit über Meer;

Der Seelen Würdigkeit
kommt bloß von Liebe her.

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Die Liebe ist Feuer und Wasser ...

Die Lieb ist Flut und Glut;
kann sie dein Herz empfinden,

So löscht sie Gottes Zorn
und brennt hinweg die Sünden.

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Die Tugend ohne Liebe gilt nichts ...

Die Tugend nackt und bloß
kann nicht vor Gott bestehn,

Sie muß mit Liebe sein
geschmückt, dann ist sie schön.

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Wie die Schule, so die Lehre ...

In Schulen dieser Welt
wird Gott uns nur beschrieben,

Ins heilgen Geistes Schul
lernt man ihn schaun und lieben.

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Das allersüßeste Leben ...

Der Himmel auf der Welt,
das allersüßste Leben

Ist, der Beschaulichkeit
aus Liebe sein ergeben.

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Gott will, was er ist ...

Gott ist die Liebe selbst
und tut auch nichts als lieben;

Drum will er auch, daß wir
die Liebe stets solln üben.

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Gott hat keinen eignern Namen als Liebe ...

Kein Nam ist, welcher Gott
recht eigen wär; allein

Die Liebe heißt man ihn,
so wert ist sie und fein.

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Die Natur Gottes ...

Die Lieb ist Gotts Natur,
er kann nicht anders tun;

Drum, wo du Gott willst sein,
lieb auch in jedem Nun.

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Die Liebe ists höchste Gut ...

Es ist vom höchsten Gut
viel Redens und Geschrei,

Ich schwöre, daß dies Gut
allein die Liebe sei.

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Der Liebe ist alles untertan ...

Die Lieb beherrschet alls;
auch die Dreieinigkeit

Ist selbst ihr untertan
gewest von Ewigkeit.

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Die Natur der Heiligkeit ...

Der Heiligkeit Natur
ist lauter Lieb, o Christ;

Je lauterer du liebst,
je heiliger du bist.

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Die seraphische Liebe ...

Die Liebe, welche man
seraphisch pflegt zu nennen,

Kann man kaum äußerlich,
weil sie so still ist, kennen.

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Die neue und alte Liebe ...

Die Liebe, wenn sie neu,
braust wie ein junger Wein;

Je mehr sie alt und klar,
je stiller wird sie sein.

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Gott hat alle Namen und keinen ...

Man kann den höchsten Gott
mit allen Namen nennen,

Man kann ihm wiederum
nicht einen zuerkennen.

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Gott ist ewig in seine Schönheit verliebt ...

Gott ist so überschön,
daß ihn auch selber ganz

Von Ewigkeit verzückt
seins Angesichtes Glanz.

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Christus ist ein lebendiges Buch gewest ...

Das lebendige Buch
des Lebens uns zu lesen,

Ist Christus auf der Welt
mit Red und Tat gewesen.

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Nicht alles Gute ist gut ...

Nicht alles Gut ist gut;
Mensch, überred dich nicht,

Was nicht im Lieböl brennt,
das ist ein falsches Licht.

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Der Glaube allein ist ein hohles Faß ...

Der Glaub ohne Lieb allein
(wie ich mich wohl besinne),

Ist wie ein hohles Faß,
es klingt und hat nichts drinne.

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Wie Gott das Herz will zubereitet haben ...

Wie kocht man Gott das Herz?
Es muß gestoßen sein,

Gepreßt und stark vergoldt,
sonst geht es ihm nicht ein.

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Was Gott gern isset ...

Gott ißt die Herzen gern.
Willst du ihn stattlich speisen,

So richt ihm deines zu,
er wird es ewig preisen.

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Im Reinen erscheinet Gott ...

Mensch, denkst du Gott zu schaun,
dort oder hier auf Erden,

So muß dein Herz zuvor
ein reiner Spiegel werden.

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Man bedarf nicht viel zur Seligkeit ...

Christ, du bedarfst nicht viel
zur ewgen Seligkeit,

Es hilft ein einzigs Kraut,
das heißt Gelassenheit.

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Gott ist in uns selbst ...

Gott ist so nah bei dir
mit seiner Gnad und Güte,

Er schwebt dir wesentlich
im Herzen und Gemüte.

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Das geistliche Feuerzeug ...

Mein Herz ists Feuerzeug,
der Zunder guter Wille,

Schlägt Gott ein Fünklein drein,
so brennts und leuchts die Fülle.

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Die Majestät des Menschen ...

Ich bin (o Majestät!)
ein Sohn der Ewigkeit,

Ein König von Natur,
ein Thron der Herrlichkeit.

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Der Lustgarten Gottes ...

Die ewge Lustbarkeit
sehnt sich in mir zu sein.

Warum? ich bin (o hört!)
ihr Blum- und Würzgärtlein.

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Das wandelnde Gezelt Gottes ...

Die Seel, in der Gott wohnt,
die ist (o Seligkeit!)

Ein wandelndes Gezelt
der ewgen Herrlichkeit.

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Der weiseste Mensch ...

Kein Mensch kann weiser sein,
als der das ewge Gut

Vor allem andern liebt
und sucht mit ganzem Mut.

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Wer der freudigste Mensch ist ...

Kein Mensch ist freudiger,
als der zu aller Stund

Von Gott und seiner Lieb
entzündt wird und verwundt.

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Wie Gott so herzlich liebt ...

Gott liebt so herzlich dich;
er würde sich betrüben,

Im Fall es möglich wär,
daß du ihn nicht willst lieben.

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Der Überfluß der Seligen ...

Gott schenkt den Seligen
so überflüssig ein,

Daß sie mehr in dem Trank,
als der in ihnen, sein.

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Die Liebe ist zerschmelzend ...

Die Liebe schmilzt das Herz
und machts wie Wachs zerfließen,

Erfahr es, wo du willst
die süße Wirkung wissen.

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Was ohne Lieb ist, stinkt ...

Mensch, kommst du ohne Lieb,
so steh nur bald von fern,

Was nicht nach Liebe reucht,
das stinkt vor Gott, dem Herrn.

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Was die Seele erweitert ...

Was macht des Menschen Herz
und seine Seele weit?

Die Liebe Gottes gibt
ihm die Beschaffenheit.

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Der allerlieblichste Ton ...

Es kann in Ewigkeit
kein Ton so lieblich sein,

Als wenn des Menschen Herz
mit Gott stimmt überein.

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Nichts ist süßer als Liebe ...

Es ist doch keine Lust
und keine Seligkeit,

Die übertreffen kann
der Liebe Süßigkeit.

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Das edelste Gebet ...

Das edelste Gebet
ist, wenn der Beter sich

In das, vor dem er kniet,
verwandelt inniglich.

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Die Liebe macht beliebter ...

Mit was macht sich die Braut
beim Bräutgam mehr beliebt?

Mit Liebe, wenn sie sich
ihm mehr und mehr ergibt.

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Des Paradeis auf Erden ...

Du suchst das Paradeis
und wünschest hinzukommen,

Wo du von allem Leid
und Unfried bist entnommen.

Befriedige dein Herz
und mach es rein und weiß,

So bist du selbst noch hier
dasselbe Paradeis.

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Der unerkannte Gott ...

Was Gott ist, weiß man nicht.
Er ist nicht Licht, nicht Geist,

Nicht Wahrheit, Einheit, Eins,
nicht was man Gottheit heißt.

Nicht Weisheit, nicht Verstand,
nicht Liebe, Wille, Güte,

Kein Ding, kein Unding auch,
kein Wesen, kein Gemüte.

Er ist, was ich und du
und keine Kreatur,

Eh wir geworden sind,
was er ist, nie erfuhr.

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Zu dem Herrn Jesu ...

Ich nah mich, Herr, zu dir
als meinem Sonnenschein,

Der mich erleucht, erwärmt
und macht lebendig sein.

Nahst du dich wiederum
zu mir als deiner Erden,

So wird mein Herze bald
zum schönsten Frühling werden.

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Der Allerverliebteste, der Allerheiligste ...

Wer ist der Heiligste?
der mehr verliebet ist:

Die Liebe machts, daß man
für heilig wird erkiest.

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Gott gibt gern große Gaben ...

Gott, weil er groß ist, gibt
am liebsten große Gaben;

Ach, daß wir Arme nur
so kleine Herzen haben!

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Die Weisheit und die Liebe ...

Die Weisheit schauet Gott,
die Liebe küsset ihn;

Ach daß ich nicht voll Lieb
und voller Weisheit bin.

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Die Liebe ist die beste ...

Ich mag mich auf der Welt
in keiner Kunst so üben,

Als wie ich meinen Gott
aufs innigste soll lieben.

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Gott liebt man nie zu viel ...

Wer Gott recht lieben will,
der tuts ohn Maß und Ziel;

Er ist so süß und gut,
man liebt ihn nie zu viel.

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Vom Lieben ...

Die Liebe dieser Welt,
die endt sich mit Betrüben,

Drum soll mein Herz allein
die ewge Schönheit lieben.

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Die lieblichste Musik ...

Die lieblichste Musik,
die Gott den Grimm benimmt,

Entsteht, wenn Herz und Mund
in ihm zusammenstimmt.

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Die Lieb ist über Wissen ...

Mit Gott vereinigt sein
und seinen Kuß genießen,

Ist besser als viel Ding
ohn seine Liebe wissen.

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Der Himmlische auf Erden ...

Wer reines Herzens ist
und züchtig in Gebärden

Und hoch verliebt in Gott,
ist himmlisch auf der Erden.

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Gotts süßester Geruch ...

Der süßeste Geruch,
der Gott so sehr beliebt,

Steigt auf vom Lob, das ihm
ein reines Herze gibt.

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In Sanftmut wohnet Gott ...

Besänftige dein Herz;
Gott ist in starken Winden,

In Erdbewegungen
und Feuer nicht zu finden.

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Ein Herz umschließet Gott ...

Gar unausmeßlich ist
der Höchste, wie wir wissen,

Und dennoch kann ihn ganz
ein menschlich Herz umschließen.

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Die Seel ist Gottes Bild ...

Das Bildnis Gottes ist
der Seelen eingeprägt,

Wohl dem, der solche Münz
in reiner Leinwand trägt.

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Irdischer Seraphin ...

Du bist ein Seraphin
noch hier auf dieser Erden,

Wo du dein Herze läßt
zu lauter Liebe werden.

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Gott der Freigebigste ...

Gott gibt sich ohne Maß:
je mehr man ihn begehrt,

Je mehr und mehr er sich
erbietet und gewährt.

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Majestät mit Liebe ...

Wärs wahr, daß Majestät
nicht könnte stehn mit Liebe?

So sage mir, wie Gott
ein ewger König bliebe.

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Die Liebe zwingt Gott...

Das Himmelreich wird leicht
erobert und sein Leben:

Belagre Gott mit Lieb,
er muß dir's übergeben.

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Das seraphinische Leben ...

Aus Liebe gehn und stehn,
Lieb atmen, reden, singen

Heißt seine Lebenszeit
wie Seraphim verbringen.

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Nur eins will Gott von uns...

Ein einzigs Wort spricht Gott
zu mir, zu dir und allen:

Lieb! tun wir das durch ihn,
wir müssen ihm gefallen.

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Das geistliche Küchelein ...

Mein Leib ist eine Schal,
in dem ein Küchelein

Vom Geist der Ewigkeit
will ausgebrütet sein.

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Die Liebe sucht nicht Lohn ...

Mensch, liebst du Gott, den Herrn,
und suchest Lohn dabei,

So schmeckest du noch nicht,
was Lieb und lieben sei.

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Nichts Süßes in der Welt ...

Wer etwas in der Welt
mag süß und lieblich nennen,

Der muß die Süßigkeit,
die Gott ist, noch nicht kennen.

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Die Rose ...

Die Rose, welche hier
dein äußres Auge sieht,

Die hat von Ewigkeit
in Gott also geblüht.

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Der Himmel ist in dir ...

Halt an, wo laufst du hin,
der Himmel ist in dir;

Suchst du Gott anderswo,
du fehlst ihn für und für.

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Die Liebe ...

Die Lieb ist unser Gott,
es lebet alls durch Liebe:

Wie selig wär ein Mensch,
der stets in ihr verbliebe!

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In dir muß Gott geboren werden

Wird Christus tausendmal
zu Bethlehem geboren

Und nicht in dir, du bleibst
noch ewiglich verloren.

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Aus: Angelus Silesius Cherubinischer Wandersmann

 

 


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