Greßin (Dorothea) (17. Jh.)- Liebesgedichte

 


Greßin (Dorothea)
(17. Jh.)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:



Das Lieben ohne Ende
bey dem
Beylager
des Herrn von Ende
Verfertiget den 1. Febr. 1707.


Was dieses Rund umfasst / was man kann irrdisch nennen /
Das muß auch mit der Zeit die Flüchtigkeit erkennen /
Und eilt dem Ende zu: die Tugend selbst hört auff /
Wenn nun der letzte Tag hemmt aller Tage Lauff.
Die Liebe aber wird zu keiner Endschafft kommen /
Und wie sie vor der Welt den Anfang hat genommen /
So wird sie / wann die Welt auch nicht mehr Welt wird seyn /
In vollem Glanze stehn / in güldnem Himmels-Schein.
Die Liebe hat zu uns das höchste Gut geneiget /
Und dass ein Sterblicher die Sternen-Stadt besteiget
Das macht der liebste Zug. Hier wird kein Reich bestehn /
Wenn es die Liebe heißt auß seinen Gränzen gehn /
Kein König wird mit Ruhm sein Haupt durch Cronen zieren /
Wo er die Liebe nicht den Scepter läst regieren /
Ja / wo die Liebe nicht die unterthanen bindt /
So wird das Regiment auff bloßen Sand gegründt.
Es fället ohne sie die schönste Stadt der Erden /
Weil durch uneinigkeit sie kann verderbet werden /
Wo aber Liebe nur die Nachbarschafft ergötzt /
Da wird Gerechtigkeit und Einigkeit erhalten /
Daß der Geringste kann die Pflicht mit Lust verwalten.
Auch wird des Lehrers Sinn durch sie dahin gebracht /
Daß er die gröste Müh / Gefahr und Noth verlacht.
Wenn zwey Verbundne sich in treuer Liebe weyden /
So ist ihr Ehestand ein Paradies der Freuden /
Fehlt aber Einigkeit / wird er der Höllen gleich /
Weil auch der Zanck und Streit herrscht in des Satans Reich.
Und wie uns insgesamt die Liebe hat erzeuget /
So sind wir auch von ihr umfangen / und gesäuget /
Der Eltern Liebe drückt bey aller Angst und Müh
Die Augen gleichsam zu; hingegen öffnet sie
Dieselben Sorgen voll / auch wohl mit Thränen-Quellen /
Wenn sich Gefahr und Noth den Kindern zugesellen.
Die edle Liebe ist die Freundin der Gedult /
Der Sanftmuth Pflegerin / verkehret Zorn in Huld
Wenn sie der Feindschafft wehrt / ja, Haß und Neid zerstöhret /
und alle Härtigkeit von den Gemüthern kehret;
Catonis ernster Sinn schien Eyß und Stahl zu seyn /
und gleichwohl schmelzet ihn der Liebe Sonnenschein.
Es hat die Freundlichkeit zur Mutter sie erlesen /
und will man jetzo sehn ihr' mehr als köstlichs Wesen /
So schaue man nur an das wohlgebohre Paar /
Das heute wird geführt zu Priester und Altar.
Der Herr von Ende ließ die Liebe zeitlich brennen /
Die Flamme gegen GOtt gab sich bald zu erkennen /
Weil er mit reinem Ernst und stillem Muth verricht /
Wozu ein frommes Kind des Höchsten Wort verpflicht /
und darauff hub er an die Themis zu umfassen /
Die ihn / als ihr Gemahl / nicht ohne Treu gelassen /
Es hat Minerva ihn auch liebes-werth geschätzt /
und mit gelehrter Kost gespeiset und ergötzt.
Wie nun ein edler Geist mehr Regung pflegt zu fühlen /
und reine Liebe sich weiß artig einzuspielen /
Weil sie die Meisterin von allen Künsten bleibt /
und eine Neigung ist / die GOtt ins Herze schreibt /
So wollte auch ihr Glanz sein hohes Herz bestrahlen /
Ein Bild / in das sich selbst die Anmuth wollen mahlen /
Ein Fräulein / das in GOtt und Tugend sich verliebt /
Verursacht / dass er ihr sein Herz zu eigen giebt.
Die wohlgebohrne Braut kann nun mit Lust empfinden /
Wie GOtt die Sinne weiß einander zu verbinden /
Sie hat ihr hohes Haus zwar hoch und werth geschätzt /
Doch ist in Königs-Feld / was sie noch mehr ergötzt.
Nun GOtt vermehre selbst die keusche Liebes-Flammen /
Er binde Herz und Herz je mehr und mehr zusammen /
Er lasse Königs-Feld voll Freuden-Blumen stehn /
und in demselbigen des Glückes-Lüffte wehn.
Er lege selbst auff sie den Seegen seiner Hände /
So leben sie vergnügt / sie lieben ohne Ende:
Der hohen Eltern Herz sey durch sie wohl vergnügt /
Zumahl / wenn Kindes Kind in dero Schose liegt.
Daß sich der Ahnen Ruhm durch neue Zweige mehret /
Und man Einsiedels Hauß und Endens Wachsthum ehret:
O GOtt / schreib diesen Wunsch zu den Erhörten ein /
So wird ihr Lieben Glück und ohne Ende seyn.
(S. 63-65)

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Die von der Göttin der Liebe dem Würdigsten überreichte
unschätzbare Perle bey hoher Vermählung der Hochgebohrnen
Gräfin Johannen Margarethen Reußin/ Gräfin von Plauen/ Mit
dem Hochgebohmen Grafen und
Herrn Herrn Erdmann dem jüngeren
Grafen von Rödern.
Verfertiget den 9. Mart. 1713.


Die Göttin reiner Lust/ so vielmahl tausend Hertzen
Durch Reitzung und Verstand in sanffter Feßel schlägt/
Erfuhr den stillen Brand geängster Liebes-Kertzen/
Den Margaris ihr Bild in Röders Brust erregt:
Drum ließ der kleine Gott die schnelle Tauben fliegen/
Getreue/ geht dahin/ so gab er den Befehl/
Wo an dem Elben-Strand die Silber-Perlen liegen/
Daß mit Graf Rödern sich dergleichen Schatz vermähl.
Die Göttin hatte hier noch kaum das Land beschritten/
Als ihr besorgtes Aug dergleichen Perlen sah:
Der Tugend reiner Glantz/ der Scharlach artger Sitten/
War zur Vergnüglichkeit in reicher Menge da.
Hilff Himmel/ ruffte sie/ als sie noch weiter gienge/
Hier ist ein solch Portrait, das schöner ist/ als ich/
Das Jovem, wenn ers säh/ mit seiner Schönheit fienge/
Das Todte lebend macht/ und fast entseelet mich.
Sie sah es beßer an/ und lernte auß den Augen
Es sey in dieser Perl der Gräffin Reußin Bild:
Wer wolte/ sagte sie/ nicht Gluth und Flammen saugen/
Wenn du auff Hertz und Brust mit Feuer spielen wilt.
Vor dir läst Indien die güldnen Segel streichen/
Den spielenden Rubin kehrst du in Kieselstein/
Der helle Diamant muß deinen Strahlen weichen/
Ihr Perlen hüllt euch nur in blassen Todten-Schein.
Ihr fraget/ was bey euch dergleichen Fall erwecket?
So wisset; was mir selbst Altar und Scepter raubt/
Und meiner Sonnen Gluth zu trüben Wolcken stecket/
Dem hat der Himmel und der Rang vor euch erlaubt.
Die schöne Gräffin ists/ das Kleinod dieser Erden
Der Perlen Königin/ der Schönheit steter Sitz/
Vor der/ ihr Perlen/ müst zu leichten Trübsand werden/
Vor der ein Mond verbleicht/ vor welcher Augen Blitz/
Ein Alabast wie Wachs/ das Gold wie Bley zufließet/
Und das/ was kostbar ist/ sich als ein Schaum verstellt/
Ob auch die Sonnen-Burg euch selbst ihr Perlen gießet/
Wenn ein durchklärter Thau in reine Muscheln fällt:
So hat euch niemals doch ein ewger Geist beseelet,
Ein scharffer Eßig macht euch offtermals zergehn/
Hier hat GOtt und Natur was herrliches erwehlet/
GOtt läst den muntem Geist bey klugen Engeln stehn.
Die gütige Natur giebt uns ein Meisterstücke/
Apellens Pinsel hat dergleichen nicht gemahlt:
Wär jener Paris noch/ er ließe die zurücke/
Vor die Halb Asien mit Glut und Blut bezahlt.
Ihr Perlen müst gar offt den weißen Schnee verliehren/
Wenn euch bey der Geburth ein trübes Licht bescheint:
Hier kan der nette Leib noch kaum die Welt berühren/
Als schon ein naßes Aug um Held und Vatter weint.
Doch/ wie kein Donner-Knall die Cedern kan zersplittern/
Wie ein gehärter Fels der Wellen Grimm verhönt:
So kunte diese Perl vor keinem Sturm erzittern/
Es war der große Geist zu größerm Muth gewöhnt.
Ihr Perlen liegt wohl eh im schlechten Ufer-Sande/
Hier diese schickt sich nur zu saubern Marmor-Stein/
Ist jemand ihrer Art an Klugheit und Verstande/
So kan wohl bey August die Livia mit seyn.
Wo Gold und Sonne brennt/ darff Mond und Silber schimmem/
Ein blauer Türckis wird in ächtes Gold gefaßt/
Wo legt man Purpur auff? als in meublirten Zimmern/
Ein weisser Bourcellan steht gut bey Alabast.
Allein der Würdigste soll Cron und Thron erlangen/
Wo eines tapffer ist/ folgt der gerechte Schluß.
So muß ein Perlen-Schmuck in Demant-Rosen prangen/
Wenn eine Helden-Brust die Heldin lieben muß.
Ein Hochgebohrnes Hauß wehlt Hochgebohrne Ahnen/
Da ein entzückter Graf die frohe Gräffin küßt;
So schwingt ihr Amorers beglückte Himmels-Fahnen/
Ich schwere/ daß die Perl kein andrer würdig ist.
Nimm Hochgebohrner Graf/ den Lohn auß meinen Händen/
Den deine Würdigkeit dir längsten zugedacht,
Du magst dich gleich nach Ost/ nach West und Süden wenden/
Es wird dir nirgends was so schätzbahrs vorgebracht.
Ihr Himmels-hoher Geist kan dir als Sonne dienen/
Ihr Perlen-reiner Leib ist dir ein seidnes Kleid:
Hier ist ein strahlend Gold von Engel-gleichen Mienen/
Ein lieblicher Rubin beliebter Freundlichkeit.
Dort ist die Zärtlichkeit mit vester Treu beysammen/
Wie hier die Liljen-Milch mit Schnecken-Blut vermengt.
Bey dir ist heiße Glut/ bey ihr sind liechte Flammen/
Weil durch der Funcken Blick die Regung Zunder fängt.
Du bist durch sie erfreut/ und sie durch dich vergnüget.
Weil sie in ihrer Brust dein schönes Bildnüß hat/
Und doch als Siegerin in deinem Hertzen lieget/
Du bist Jan Friederich/ sie thut/ was Agnes that.
Hier kam die Göttin weg/ von Auge/ Stadt und Erden/
Doch schrieb sie diß zuvor mit Gold in Diamant:
Wann einst die Perle wird zur fruchtbam Muschel werden/
So wird ihr hoher Ruhm der Nachwelt noch bekannt.
Doch jetzo läst mein Kiel nur diese Littern lesen;
Der Höchste schütte dir/ du Hochgebohrnes Paar/
Die Seegens-Schaalen auß; des Wohlseyns güldnes Wesen
Das stelle sich bey dir/ wie reine Perlen dar.
(S. 68-71)

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Alle Gedichte aus: Teutschlands Galante Poetinnen
Mit ihren sinnreichen und netten Proben
Nebst einem Anhang Ausländischer Dames So sich gleichfalls durch Schöne Poesien bey der curieusen Welt bekannt gemacht, und einer Vorrede Daß das Weibliche Geschlecht so geschickt zum Studieren / als das Männliche ausgefertiget von Georg Christian Lehms Franckfurt am Mayn
Zu finden bey Samuel Tobias Hocker
Gedruckt bey Anton Heinscheidt Anno 1715
siehe auch:
http://de.wikisource.org/wiki/Teutschlands_Galante_Poetinnen



Biographie:
Ihr Eheherr ist Pastor zu Ober-Franckenhayn gewesen / den sie aber vor wenig Jahren verlohren / und lebet sie jetzt als Wittib bey ihrer Tochter unweit Rochlitz. Von ihrer Fertigkeit in der Poesie ist mir bereits in Leipzig viel Rühmens gemacht worden, ich habe auch unterschiedene Piéces daselbst gesehen; Nachfolgende aber sind mir von Hn. M. Samuel Gottlieb Heinen / meinem allezeit sehr lieb und angenehm gewesenen Academischen Freunde jetzigem Pastore zu Rochlitz / vor weniger Zeit übersendet worden / und will ich dem geneigten Leser alle drey Stücke communiciren.
Aus: Teutschlands Galante Poetinnen Mit ihren sinnreichen und netten Proben Nebst einem Anhang Ausländischer Dames So sich gleichfalls durch Schöne Poesien bey der curieusen Welt bekannt gemacht, und einer Vorrede Daß das Weibliche Geschlecht so geschickt zum Studieren /
als das Männliche ausgefertiget von Georg Christian Lehms
Franckfurt am Mayn Zu finden bey Samuel Tobias Hocker
Gedruckt bey Anton Heinscheidt Anno 1715


 

 


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