Julie von Großmann (1790-1860) - Liebesgedichte


 

Julie von Großmann
(1790-1860)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




Glaube, Hoffnung, Liebe

Wer in des Busens heil'gen Gründen
Die hohen Himmelsworte trägt,
Der wird den Weg zum Heile finden,
Sei er mit Dornen rings umhegt.

Und läg er tief in weiten Fernen,
Erreichte ihn das Auge nicht,
Und führt' er aufwärts zu den Sternen,
Und sänk' in Nacht das ird'sche Licht:

Des Pilgers Fuß wird doch nicht gleiten,
Denn ihn umstrahlt des Glaubens Licht,
Und wie auch Furcht und Zweifel streiten,
Sie irren seine Schritte nicht.

Und blickt sein Aug' einst matt und trübe
Den Stern der heitern Hoffnung an,
Dann öffnet sanft den Arm die Liebe,
Und trägt den Schützling himmelan.
(S. 7)
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Der Liebe Kraft

Viel kann die Lieb' um Liebe leiden,
Viel dulden, tragen und verzeih'n,
An ihrem Schmerze selbst sich weiden
Und Rosenschimmer ihm verleih'n.

Sie kann das Liebste sterben sehen
Und mit ihm leiden selbst den Tod;
Im Kampfe unerschüttert stehen,
Und stark besiegen jede Noth.

Sie kann des Lebens Lasten tragen
Mit immer heiterm Angesicht;
Sie kann beim schwersten Drucke sagen:
Es fühlt mein Herz nicht sein Gewicht!

Sie kann, wenn sie allein, verlassen
Sich von dem Theuersten hier sieht,
Erinnerung als Tröstung fassen,
Und nie der Frühling ihr verblüht.

Dies Alles kann sie; nur vergessen
Kann nie sie, was das Herz ihr brach;
Was sie als Trugbild nur besessen,
Folgt immer ihr als Schatten nach.
(S. 9)
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Liebe und Freundschaft

O, klage nicht, wer auf dem Lebenswege
Ein Veilchen nur versteckt im Moose fand,
Und es erhob zu treuer Herzenspflege,
Er hat das Glück, das seligste gekannt,
Und trafen ihn des Schicksals harte Schläge,
Ihm fehlte nicht des Trostes milde Hand,
Die in des Veilchens liebevoller Bläue
Den Lohn verheißt durch der Gefühle Treue.

Und wohnt er auch nur in dem tiefen Raume,
Der eng und weit die höchste Welt umschließt,
Die, unbegränzt von keinem Erdensaume,
Im Dunkel selbst des Lichtes Quelle ist,
Deß sanfter Strahl aus einem Himmelstraume
Das Herz als Pfand der Ewigkeit begrüßt;
Es hat den Preis in Ewigkeit gefunden,
Wenn Lieb' und Freundschaft hier sich ihm verbunden.
(S. 10)
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Unvergängliches

Ist auch das Bild erblichen,
Das reizend dir gestrahlt,
Die Zauberin entwichen,
Die rosig dir's gemalt.

Versinke nicht in Trauer,
Daß wie ein Traum sie schwand;
Sie ließ zu ew'ger Dauer
Dir ein Erinn'rungspfand.

Und bringt dies Pfand auch Schmerzen
Durch den Besitz dir ein,
Es wird doch deinem Herzen
Nie die Erwerbung reu'n.

Mußt' auch das Licht erbleichen,
Das Farbenlicht der Zeit;
Der Liebe Himmelszeichen
Strahlt für die Ewigkeit.
(S. 19)
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Wintertrost

Und ist's auch Abend geworden
Und winterliche Nacht;
Es hat der rauhe Norden
Mein Herz nicht kälter gemacht.

Es brennt darin eine Flamme,
Die Schneeluft nicht verweht,
Beschützt von einem Damme,
Der ewiglich besteht.

Ich darf die Flamme nicht nennen,
Auch nicht ihr sichernd Schild;
Wer würde nicht erkennen
Der treuen Liebe Bild!
(S. 24)
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Befestigung

Wenn Untreu' lös't hienieden
Der Seelen Liebesband,
Dann bleiben sie geschieden
Auch dort im Heimathland;
Die ausgelöschten Flammen
Zündet kein Stern mehr an,
Kein Weg führt dort zusammen,
Was hier sich trennen kann.

Doch lag in einem Herzen
Die Schuld der Trennung nur,
Und trägt von ihren Schmerzen
Das eine nur die Spur,
Dann nimmt des Fadens Ende
Die Liebe in die Hand,
Die bei der Sonnenwende
Verhüllt in Thränen stand.

Und d'runter webt sie leise
Den Faden wieder an
In einer andern Weise,
Daß er nicht reißen kann.
Verknüpft mit Himmelstreue
Im Opferdienst der Zeit
Hält nach der Thränenweihe
Er fest in Ewigkeit.
(S. 27-28)
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Seelengruß
An M.

Vorüber bist du mir gezogen,
Ein Stern, durch Wolken dicht verhüllt;
Des Herzens Wunsch, er ward betrogen,
Das Aug' mit Thränen nur gefüllt.

Nicht wieder hab' ich dich gesehen,
Nur deine Nähe tief gefühlt,
Im schmerzlichen Vorübergehen
Ich innig dich umfangen hielt.

Mein Herz, voll Ahnung deiner Nähe,
Schlug in der Brust so bang, so schwer,
Und wie ich oft im Traum dich sehe,
So zog dich meine Sehnsucht her.

Ich schloß die Augen, dich zu grüßen,
An deinem Anblick mich zu freu'n,
Dich an das treue Herz zu schließen
Im stillen geistigen Verein.

Da fühlt' ich sanftes Zephyrwehen -
Es war dein treuer Seelengruß,
Im schmerzlichen Vorübergehen,
Nach unser's Schicksals strengem Schluß.
(S. 73)
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Wiedersehen

Ich sah' dich wieder, theures Leben!
Und sehe noch im Nachgenuß
Dich hold vor meinen Augen schweben
Und fühle deines Hauches Kuß,
Und höre deine süßen Worte,
Und spreche zärtlich noch mit dir,
Als säßest du am trauten Orte
Noch lächelnd liebevoll bei mir.

Und doch ist Alles nur gewesen,
Und mein Entzücken Träumerei,
Und doch fühlt sich mein Herz genesen
Und meine Brust, sie athmet frei.
Als Lebenslust hat sie durchdrungen
Des Wiedersehens süßes Glück,
Das tröstende Erinnerungen
Mir führen still in's Herz zurück.

Nun ist es ruhig, und ergeben
Fügt es sich in den Schicksalsschluß,
Nur in Gedanken dir zu leben,
Dir nur zu senden ihren Gruß.
Ich weiß, daß sie in Obhut stehen
Der guten Engel, welche oft
Mit Liebe auf sie niedersehen
Und sie erfreuen unverhofft.

Denn, wenn sie lange still getragen
Die Sehnsucht hin und wieder her;
Die Engel zu einander sagen:
"Die Last ist den Gedanken schwer!
Wir wollen hülfreich sie berühren;
Die Sehnsucht finde einmal Ruh,
Wenn selbst wir die Getrennten führen
Einander Aug' in Auge zu."

So ist es diesmal auch geschehen;
Die Engel hatten mild berührt
Die Sehnsucht, wieder uns zu sehen,
Und zu einander uns geführt.
Und mußten wir auch wieder scheiden,
Es fand die Sehnsucht einmal Ruh;
Nun trägt sie stärker ihre Leiden
In Liebe den Gedanken zu.
(S. 74-75)
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Liebeserklärung

Wie lieb' ich dich, Natur!
Voll Heil und Segen,
Und folge deiner Spur
Auf allen Wegen.
Wie möcht' ich lauschen
Der Quelle Rauschen,
In Thalesgründen
Die Freundin finden,
Auf Berges Höhen
In's Aug' ihr sehen,
Auf Blumenauen,
Ihr still vertrauen
Mein Denken, Sinnen,
All' mein Beginnen,
All' meine Freuden,
Mein tiefstes Leiden,
Mein Wünschen, Hoffen
Ihr zeigen offen.
Dann sterbend schließen
In ihren süßen
Armen das Leben;
In ihr verschweben,
Und wieder blühen,
Und wieder glühen
In Blumenaugen,
Und wieder saugen
Im stillen Sehnen
Durch Thaues Thränen
Ein duftig Leben,
Und endlich heben
Die Aetherschwingen
Mit leisem Klingen
Zum Himmel oben,
Und selig droben,
Im Liebesverein,
Unsterblich sein!
(S. 82-83)
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Hohe Wege

Auf hoher Aetherbrücke,
In tiefer Himmelsbläue,
Da wandeln stille Wesen,
Begegnend sich in Treue.

Sie grüßen sich in Liebe,
Verfolgend ihre Bahnen,
Zu täuschen nicht der Herzen
Sehnsüchtig stilles Ahnen.

So ziehen hin und wieder
Die Wesen in Gedanken
Durch der Entfernung Räume
Und über Trennungs-Schranken.

Doch nur der Seelen-Liebe
Wölbt sich die Himmelsbrücke,
Wenn ihre ird'schen Wege
Gehemmt des Schicksals Tücke.
(S. 82)
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Erkennung

Erst im Verluste wird's dem Herzen klar,
Ob der Besitz sich tief mit ihm verwoben,
Ob nur Gewohnheit seinen Werth gehoben,
Ob er ein Kind aus hoher Sphäre war.

Die Trennung ist der Liebe Probestein.
Was uns nur werth, das können wir verschmerzen,
Doch was wir lieben, tragen wir im Herzen,
Und würd' es hier der Seele höchste Pein.

Wir nehmen's mit auch in das Heimathland;
Denn was auf Erden Theures wir besaßen,
Kann unser Herz im Tode nicht verlassen,
Er ist der ew'gen Treue Unterpfand.
(S. 95)
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Vereinigung

Wenn Treue fest geschlossen
Die Liebe in das Herz,
Dann heben die Genossen
Sich muthig himmelwärts.

Mag auch die Erde halten
Was ihr gehört zurück,
Die irdischen Gestalten
Und des Vereines Glück.

In den getrennten Formen
Lebt doch die Seele fort,
Nach ihren hohen Normen
Vereinigt hier und dort.
(S. 96)
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Gedankengruß
An M.

Hält auch die Ferne dich umfangen,
Du steh'st mir dennoch ewig nah',
Und kann das Wort dich nicht erlangen,
Für den Gedanken bist du da.

Der schwebet frei durch alle Räume
Und bringt mir treu den Seelengruß,
Verwebt sich sanft in's Spiel der Träume,
Und haucht mich an als Engelskuß.

Der flüstert süße Liebesworte
Vernehmbar in's entzückte Ohr,
Und wenn sich schließt die nächt'ge Pforte
Besetzt er still des Tages Thor.

Und wie auch strömt die laute Menge,
Und wie auch braus't der Rede Fluß,
Es bahnt den Weg sich durch's Gedränge
Der freundliche Gedankengruß.

Drum mög' uns auch die Ferne trennen,
Sind nur die Herzen immer nah',
Und zu dem geistigen Erkennen
Die liebenden Gedanken da!
(S. 97)
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Süße Klänge

Lieb' und Treue, Himmelsblüthen,
Hier von Engeln still gepflegt,
Die vor Unheil sie behüten,
Wenn ein reines Herz sie hegt.

Lieb' und Treue, holde Schwestern
Aus der Seraphimen Schaar;
Fest vereinet, heut wie gestern,
Bis zum Tode immerdar.

Lieb' und Treue! süße Klänge,
Seelenvolle Harmonie!
O, daß nie ein Mißton dränge
Euch in's Reich der Phantasie!
(S. 99)
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Tröstliches Bewußtsein

Verlust läßt sich verschmerzen,
Wenn er das Auge trifft,
Doch dringt er zu dem Herzen,
Dann wird er Todesgift.

Die Trennung läßt sich tragen,
Wenn nur die Herzen nah',
Sich auch in Ferne sagen,
Daß kein Verlust geschah.

Wenn liebend der Gedanke
Den Weg der Sehnsucht fand,
Und keine Erdenschranke
Ihm ward zur Scheidewand.

Dann nur läßt sich verschmerzen
Der Gegenwart Verlust,
Denn sorglos sind die Herzen
Der Nähe sich bewußt.
(S. 100)
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Der Liebe Dauer

Ist aufgelöst auch das Band,
Das fest verknüpfet einst,
Und treulos von dir abgewandt,
Was liebend du beweinst:
Herz, tröste dich in deinem Harm,
Es hält dich fest der Liebe Arm.

Sie wich nicht von dir, wie es schien;
Es war ihr Schatten nur;
Sie kann dir nimmermehr entflieh'n,
Folgst du nur ihrer Spur.
Und wie ihr Bild auch flüchtig scheint,
Sie selbst bleibt standhaft dir vereint.

Die Rose welkt, des Lenzes Zier,
Der Frühling selbst zieht fort.
Dein eignes Dasein welket dir,
Berührt vom kalten Nord;
Doch in dir, wie in der Natur,
Wirkt fort und fort die Liebe nur.

Erkenne dies mit heiterm Sinn,
Und schwand der Liebe Schein,
Laß schwinden ihn, schwinden dahin!
Die Liebe selbst bleibt dein.
Ihr himmelhelles Lebenslicht
Erlischt in reinen Herzen nicht.
(S. 135-136)
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Der Liebe Sold
Eine Vision

Ich stand auf hohem Berge
Und sah in's tiefe Thal,
Und wünschte hinab zu steigen,
Ach, nur ein einzig Mal.

Denn in der tiefen Ferne
Begrüßte mich so mild,
Als wär' es nie gewichen,
Der Kindheit rosig Bild.

Mit allen Zauberfarben,
So hell, so lebensvoll,
Stand es vor meinem Auge,
Dem Thrän' auf Thrän' entquoll.

Es wies mir jede Stelle,
Wo ich mit Lust geweilt,
Mit Schmerz auch und wo milde
Ein Lächeln ihn geheilt.

Wo Maienblümchen kränzten
Und Veilchen mir das Haar,
Und mir die Pracht der Blumen
Die allerreichste war.

Und doch so gern und freudig
Des Kindes weicher Sinn,
Nur für ein Wort der Liebe,
Gab seinen Reichthum hin.

Und als ich so versenket
In die Erinn'rung stand,
Da war's, als hätt' ein Engel
Leis' einen Namen genannt.

Und von dem Klang berühret,
Sucht' ich des Namens Bild,
Das schon mit stiller Sehnsucht
Des Kindes Herz erfüllt.

Und sieh'! aus einer Rose
Stieg es so himmlisch schön,
Wie ich's im Morgentraume
Der Phantasie geseh'n.

"Ich bringe deine Blumen,"
So sprach's mit holdem Blick,
"Die du mir einst gegeben,
In Liebe dir zurück."

Und aus des Wortes Fülle
Sah ich den Segen blüh'n,
Und hörte Sangesklänge
Durch Duft und Farben zieh'n.

"In Liebe?" rief ich selig,
"Bringt Liebe solchen Lohn?
Hat sie den stillen Blüthen
Verlieh'n den Sangeston?"

Da lächelte der Engel
Der Rose an mich hold.
"So ist's," sprach er, "die Gabe,
Die ist der Liebe Sold."
(S. 147-149)
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Treue
An die Entfernte

Ich grüße Dich;
Du siehest mich
Im treuen Immergrün.
Du grüßest mich,
Ich sehe Dich
In jeder Rose blüh'n.

Du rufest mich;
Ich höre Dich
In süßer Melodie.
Ich rufe Dich;
Du hörest mich
In stiller Harmonie.

So lieb' ich dich,
So liebst du mich.
Uns trennt die Ferne nie.
Ich schweb' um dich,
Du schwebst um mich;
Es ist nicht Phantasie.

Du lebst für mich,
Ich leb' für Dich,
Wo ich auch immer sei.
Ich sterb' für Dich,
Du stirbst für mich;
So will's die heil'ge Treu.
(S. 151-152)
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Glücksentsagung

Der Winter ist vorüber,
Es strahlt die Sonne mild;
Doch eine dunkle Wolke
Sie meinem Blick verhüllt.

Denn meines Herzens Sonne,
Und meines Lebens Licht,
Sie - ach, sie ist betrübet,
Der Frühling freu't sie nicht.

Aus ihren Himmelsaugen
Nur Himmelssehnsucht spricht!
Sie sieht die grüne Erde,
Den holden Frühling nicht.

Ach, dürfte ich sie führen
In seinen hellsten Schein!
Dann möcht' es immer finster
Und Winter für mich sein.
(S. 153)
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Rosentraum

Es wandelt im blühenden Garten
Ein stiller Jüngling umher,
Doch wie die Rosen auch blühen,
Sie freuen sein Auge nicht mehr.

Er suchet voll Sehnsucht die Stelle,
Wo er die Rose gepflegt,
Die er mit schmerzlicher Liebe
Jetzt, ach! im Herzen nur trägt.

Und wie sie auch knospet und blühet
Als Immortelle hier fort,
Es zieht ihn ein ewig Verlangen
Doch an den irdischen Ort.

Es ziehet ihn hin zu der Stelle,
Wo sie einst freudig geblüht,
Die jetzt im Traume der Sehnsucht
Der traurige Gärtner nur sieht.

Und wenn er den Ort erreichet,
Da küßet ihn selig der Traum.
Und hebt mit der Rose im Herzen
Ihn in den himmlischen Raum.
(S. 157)
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Für Sie

Süße, holde Phantasieen,
Rosenträume hell und mild!
Ach, sie alle nur umziehen
Ein geliebtes, theures Bild.

Alle Rosen, die mir blühen,
Alles was das Herz erfüllt,
Was die Musen mir verliehen,
Schmücket nur das holde Bild.

Farbentöne, Melodieen,
In der Saite tief verhüllt,
Ihrer Fessel schnell entfliehen
Für das ferne, theure Bild.

Süße, holde Phantasieen,
Rosenträume hell und mild,
Möchtet ihr ins Leben blühen
Für das ideale Bild!
(S. 158)
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Sendung

So eilt nur hin! - Ich kann euch doch nicht halten,
Gedanken, eilt nur hin,
Zu ihr, wo, ob getrennt auch die Gestalten,
Im Geist ich immer bin.

So eilt nur hin! - Umweht sie still und leise
Als sanfter Zephirhauch.
Ich zweifle nicht, sie kennet eure Weise
Und euer Wesen auch.

So eilt nur hin! - Verwandelt euch in Rosen
Und Nachtigallenklang,
Das Zarte nur darf zärtlich mit ihr kosen,
Nur Blumen und Gesang.

So eilt nur hin! - Sie wird euch hold empfangen.
Süß ist die Phantasie! -
Wird, euch begrüßend, nach der Laute langen,
Und lächelnd stimmen sie.

So eilt nur hin, den Himmelsklang zu hören
Der reinsten Harmonie!
Ach, alles And're könnet ihr entbehren;
Nur sie nicht - sie!
(S. 160)
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An Wanda
Mit einem Epheukranze

Von allen Kränzen, die das Leben
Mir bot mit freundlich milder Hand,
Von allen Blüthen, die mein Streben
Selbst dem Verlangen zugewandt,
Ist nur ein Kranz mir grün geblieben,
Und er umschließt die stille Welt,
Die mit dem Himmelsworte: Lieben!
Das Dunkel ihrer Nacht erhellt.

Es ist die Welt im tiefen Herzen,
Dem Liebe nur die Leuchte wird,
Wenn in der Nacht der Erdenschmerzen
Es seinen Weg zum Ziel verliert;
Es ist die Treue, die es hütet
Mit ihrem starken Immergrün,
Das Dir mein Herz im Kranze bietet,
Wie in den Rosenphantasie'n.
(S. 162)
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Lust und Weh

Mir ist so wohl und auch so weh,
Daß ich den Frühling wieder seh'!
Im Herzen Wonn' und Schmerz sich einen,
Und beide süße Thränen weinen.
Es ist die Lust, es ist das Weh,
Daß ich den Frühling blühen seh.

Und wenn im Hain das Vög'lein singt,
Das Veilchen seinen Duft mir bringt,
Und träum'risch sich die Augen schließen,
Die Gaben besser zu genießen,
Dann ist's die Lust, die in mir singt,
Und in die Brust das Weh mir bringt.

Die Veilchen blüh'n so lieb und nah,
Wie sie als Kind mein Auge sah,
Und meines Herzens Frühlingslieder,
Die singen mir die Vög'lein wieder;
Doch was der Sehnsucht Auge sah,
Das bringt kein Duft und Klang mir nah'.

Drum ist mir wohl und auch so weh,
Daß ich den Frühling blühen seh',
Und meine Augen müssen weinen,
Wenn sich im Herzen innig einen
Das süße Glück, das bitt're Weh,
Das ich im Frühling blühen seh'.
(S. 163-164)
_____



Liebesboten

Süße, linde Frühlingslüfte,
Traget meinen Gruß ihr hin
Ueber der Entfernung Klüfte,
Sagt ihr, daß ich nahe bin!
Daß ich liebend sie umschwebe,
Wenn die Blüthe sie berührt,
Daß ich in dem Zephir lebe,
Der zu ihr sie nieder führt.

Süße, linde Frühlingslüfte,
Alles Schöne tragt ihr hin!
Sangesklänge, Blumendüfte,
Ach, erheitert ihren Sinn!
Alles Trübe ihr entschwinde
Wie ein winterlicher Traum,
Und in ihrem Herzen finde
Muth und Hoffnung wieder Raum.

Süße, linde Frühlingslüfte,
O, erfasset meinen Sinn,
Traget Gruß und Blumendüfte
Liebreich zur Entfernten hin, -
Und, o bringt, o bringt mir wieder,
Süße Antwort auch von ihr! -
Eine Blüthe schwebt hernieder, -
Ja, sie naht - sie nahet mir!
(S. 166)
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Gute Nacht

Gute Nacht! - gute Nacht!
Der Geliebten sei's gebracht.
Sanft mög' sie der Wunsch umschweben,
Und ihr Rosenträume geben,
Bis sie hold der Tag anlacht.
Gute Nacht!

Gute Nacht! - gute Nacht!
Tön' es noch einmal ihr sacht.
Liebe hört nicht auf zu grüßen,
Möcht' im Traum sie noch umschließen,
Bei ihr halten treulich Wacht.
Gute Nacht!
(S. 168)
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Was ihm bliebe

Wenn ich dich nie mehr sähe,
Ich trüge es mit Schmerzen,
Doch wär's ein süßes Wehe,
Lebt ich in deinem Herzen.

Doch wenn ich todt darinnen,
Und ach! dich dennoch sähe,
Was sollte ich beginnen
In meinem bittern Wehe?

Das Auge kann entbehren
Den Farbenglanz der Liebe;
Es fände Trost in Zähren,
Doch was dem Herzen bliebe?

Dem bliebe nur sein Pochen
Nach der gestorb'nen Liebe,
Bis von dem Schmerz gebrochen,
Es endlich stehen bliebe.
(S. 169)
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Der Schiffer

Zieh hin, du kleine Welle
Und bring' mit Liebesschnelle
Die Rose ihr von mir!
In ihrer Blätter Fülle
Birgt sich die heil'ge, stille
Sehnsucht nach ihr - nach ihr.

Ich schiff' derweil behende
Dort an des Baches Ende,
Und zieh' das Segel auf.
Die Hoffnung wird es schwellen,
O, meines Glückes Wellen,
Beflügelt euern Lauf!

Dort will ich ruhig lauschen
Auf eures Ganges Rauschen
Von ihrer Nähe her.
Und müßt' ich lange stehen,
Und in die Ferne sehen,
Es würde mir nicht schwer.

Doch wenn, du kleine Welle,
Mit deines Laufes Schnelle,
Die Liebste selbst trügst her:
Da würd' ich hier mir bauen
Die Heimath, nimmer schauen
Dann in die Ferne mehr.
(S. 170-171)
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Der Jüngling an die Geliebte

So wie die Morgensonne
Durch Nacht und Nebel dringt,
Und Leben, Licht und Wonne
Der dunklen Erde bringt:
So schwand vor deinen Blicken
Auch meine Lebensnacht,
So haben sie Entzücken
Und Wonne mir gebracht.

Doch könntest du entziehen
Sie mir ein einzig Mal,
Dann müßt' ich trostlos fliehen
In's finst're Todesthal.
Drum, ist dir lieb mein Leben,
So lasse deinen Blick
Stets zu dem meinen schweben,
Und zieh' ihn nie zurück!
(S. 172)
_____



Entsagung
An W. . .

Verzichten will ich auf dein Wiedersehen,
Auf jede Wonne der Vereinigung,
Verlassen still durch Dornenwege gehen,
Dich nur besitzen in Erinnerung.

Wenn Rosen nur auf deinem Pfade stehen,
Und denkst du mein in Abenddämmerung,
Nur liebevoll des Zephirs sanftes Wehen
Den Gruß mir zuführt als Entschädigung.
(S. 173)
_____



Versicherung

Wenn es dahin je käme,
Daß kalt für mich dein Herz,
Dann wollt' ich, daß mir nähme
Der Tod sogleich den Schmerz.

Wenn es dahin je käme,
Daß kalt für dich mein Herz,
Dann - o, Geliebte gräme
Dich nicht, es wär' nur Scherz.

Du kannst mich nur betrüben,
Mir zieh'n das Todesloos;
Ich aber kann dich lieben
Nur ewig wandellos.
(S. 174)
_____



Liebesfragen
Gnomen

Kann man denn quälen, was man innig liebt,
Mit Vorsatz, schmerzlich, über alle Maßen?
Warum nicht? denn wenn Liebe es vergiebt,
Vermag sein Glück der Quäler kaum zu fassen.
_


Wie aber, wenn die Saiten doch gesprungen,
Nicht ausgehalten in der Spannung Pein? -
Dann hat die Liebe den Ton durchdrungen,
Denn ihre Kraft muß unvergänglich sein.
_


Du könntest lieben noch die Liebelose,
Bewahren ihr des Herzens heil'ge Treue?
Ich glaube es, und würde ohne Reue
Die Wunde pflegen von der Dornenrose;
Und könnt' ich nimmer auch davon genesen,
Sie zeigte doch, daß wir vereint gewesen.
(S. 175)
_____



Leidenswohlthat

Sie hat mein Herz betrübt;
Es hat sie dafür geliebt.
Und sind auch Thränen geflossen,
Sie haben die Blumen begossen,
Die oft im vollen Sonnenschein
Verwelken und gehen ein.
So wird der Leidensregen
Für zarte Blüthen zum Segen.
(S. 176)
_____



Zudringlichkeit

Ich strebte Wonne zu umfangen,
Da kam verhüllt der Schmerz gegangen,
Sank in die off'nen Arme mir ein,
Sprach: Werde mit Liebe bei dir sein.
Ich wurde ihn nicht wieder los,
Mußt' ziehen ihn mit der Liebe groß.
(S. 176)
_____



Leichtsinn

Heut will ich mich noch freuen,
Weil morgen Leid kann kommen,
Wird mich vielleicht auch reuen,
Was ich voraus genommen.
So oder so, es wird nicht die Int'ressen
Der Wuchrer Schmerz vergessen.
(S. 177)
_____



Lieblingsbeschäftigung

Denkst du vielleicht an mich?
Ich dachte eben an dich.
Gedanken nichts Schöneres thun,
Und Worte nichts Lieberes fragen.
Ach! müßten sie schweigen und ruh'n,
Sie würden sub rosa dir's klagen.
(S. 177)
_____



Thema

Ich kann dir viel erzählen,
Doch nur ein Thema wählen;
Wie sich's auch läßt verwandeln,
Von dir wird's immer handeln.
(S. 177)
_____



Gewohnheit

Ich habe oft mir vorgenommen,
Zu denken nicht an dich;
Doch eilig die Gedanken kommen
Und tadeln d'rüber mich,
Und eh' ich selber mir's verseh'n,
Sie ihre alten Wege geh'n.
_


Ich dichte oft im Traume Lieder,
Doch find' ich sie, erwacht, nicht wieder;
Sie folgten heimlich dem Verlangen,
Sie sind zu dir vorausgegangen.
(S. 178)
_____



Herzensschwächen

Wenn's Herz die Andern lassen ruh'n,
Muß es sich selber wehe thun;
Es kann hier ohne Schmerz nicht leben,
Es führt zu ihm ja all sein Streben.
_


Was liegt im Reich der Möglichkeit,
Ersinnt das Herz mit Lust und Leid.
_


Zuweilen geht mit dem Verstand
Das Herz, doch selten Hand in Hand,
Denn eh' der erst're sich's versieht,
Das Herz als Schmetterling entflieht.
_


Verstand verlanget nach der Frucht,
Das Herz nur Blumen immer sucht.
_


Es giebt zwei Bundesstaaten,
Die sind dem Himmelreich
Mit ihren Potentaten,
Doch auch der Hölle gleich.
Denn eine Welt der Schmerzen
Und eine Welt der Lust,
Die herrscht im kleinen Herzen
Und in der engen Brust.
_


Was Menschen hier oft zerreißen, zerbrechen,
Darüber Engel die Weihe sprechen.
(S. 178-179)
_____



Serenade

Blick' herab, du meines Lebens Sonne,
Und eh' neidisch mir der Tag erwacht,
Sende huldreich einen Blick der Wonne
Deinem Jüngling in der finstern Nacht!

Einen Blick nur, Heißgeliebte, sende,
Und dann schließe leis' das Fenster zu,
Daß er stillbeglückt sich heimwärts wende,
Und nicht ferner störe deine Ruh!

"Gute Nacht!" - O, mein geliebtes Leben!
Hat das Echo mir den Gruß gebracht?
Gute Nacht! - Die Herzenssaiten beben
Von dem süßen Klange: Gute Nacht! -

Gute Nacht! - Es sinkt der Vorhang nieder;
Gute Nacht, im letzten Saitenklang.
Gute Nacht! - Ich kehre morgen wieder,
Und wie heute lohn'st du meinem Sang.
(S. 180)
_____



Liebe

Alle Rosen, die mir blühen,
Alle Töne in der Brust,
Alle Sterne, die mir glühen,
Alles Wehe, alle Lust,
Alles, alles Sehnsuchtstriebe,
Alles, alles dir zu Liebe.

Alles, Alles dir zu Liebe,
Und doch seufzet still das Herz,
Und doch ist das Auge trübe,
Und die Brust erfüllet Schmerz;
Ach! die zarten Sehnsuchtstriebe
Grünen nicht in deiner Liebe.

Alles, Alles dir zu Liebe
Dennoch ewig, wandellos!
Alle zarten Sehnsuchtstriebe
Zieht die eig'ne Liebe groß.
Alles Göttliche im Leben
Muß sich selbst die Weihe geben.
(S. 181)
_____



Perlenband

Die Lieder alle, die ich dir gesungen,
Und alle Blumen, die ich dir gepflückt,
Und alle Thränen, die hervorgedrungen,
Und meine Sehnsucht, die das Herz gedrückt -
Es sind die Glieder in dem Perlenband,
Das Liebe still um deine Schläfe wand.
_


Die Lieder alle, die ich dir gesungen,
Du hast sie mir in's tiefe Herz gelegt,
Doch wären nimmer sie hervorgedrungen,
Wenn ihre Saiten nicht der Schmerz bewegt.

Und alle Kränze, die ich dir gewunden,
Und alle Blumen, die ich dir gepflückt,
Mein Auge hätte nimmer sie gefunden,
Wenn bange Sehnsucht nicht das Herz gedrückt.

Und alle Thränen, die dabei geflossen
Und sich gereiht zu einem Perlenband,
Sie haben mir der Muschel Werth erschlossen,
Die ihren Tod durch ihr Besitzthum fand.
(S. 182)
_____



Lebewohl

So nimm sie hin, die letzte Zähre,
Den letzten liebevollen Blick.
Es fehlt dem Herzen, ach! die Wehre,
Zu halten ihn mit Stolz zurück.

Denn bald wird sich auf immer schließen
Der Lebensquell, aus dem er bricht,
Nur einmal sollte dich noch grüßen
Sein treues, dir geweih'tes Licht.

So nimm sie hin, die Weihezähre
Des wehmuthvollen Augenblick's!
Doch senke nimmer seine Schwere
Sich auf die Blüthen deines Glück's!
(S. 183)
_____



Vorwurf
Nach Fried. Halms Griseldis

Du zögerst, das Wort der Pflicht zu sprechen,
Mit Liebe dich für Liebe zu erheben.
Es ward dir leicht, mein treues Herz zu brechen,
Zu opfern, was so innig dir ergeben.

Es schmerzte tief, ich kann dir's nicht verhehlen,
Und keine Zeit wird meine Wunden heilen.
Des Trostes Balsam wird ihr ewig fehlen,
Denn keine Macht vermag ihn zu ertheilen.

Geknickte Blüthe kann noch auferstehen,
Gebroch'ne nicht die Blätter mehr erheben.
Wenn schnell die Stürme auch vorübergehen,
Die ihr den Tod, den schmerzlichen gegeben.

So kann auch mir dein süßes Liebeslächeln
Mit allem Zauber der vergang'nen Tage
Das Leben nicht mehr in die Seele fächeln,
Das jetzt verstorben in der bittern Klage.

Dein war sein Schmelz, sein helles Frühlingsblühen!
Für dich nur glänzten seine Rosenfarben;
Doch hat mein Herz in Liebe Dir verziehen,
Daß sie durch dich in schönster Blüthe starben.
(S. 184)
_____



Schattenglück

Die Liebe ist todt, die Freundschaft ist kalt,
Du bist nun einsam, mein Herz.
Nur eine einz'ge treue Gestalt
Ist dir geblieben - dein Schmerz.

Und der erzählet so viel - so viel -
Und immer hörest du zu,
Ob auch seine Rede kein Ende, kein Ziel,
Und nimmer gönnet dir Ruh.

Du wär'st ohne ihn so ganz allein,
So öde, mein Herz, dein Raum!
Jetzt fällt doch noch der Schatten hinein
Von deinem sonnigen Traum.
(S. 185)
_____



Nachruf
An W. . .

So hab' ich dich denn nur gefunden,
Um wehmuthsvoll dir nachzuseh'n!
Der süße Traum - er ist entschwunden,
Du mußtest deine Straße geh'n!
Es ist mir nichts davon geblieben,
Als der Erinn'rung trübes Glück,
Das Glück, dich sehnsuchtsvoll zu lieben,
Blieb nur als Schatten mir zurück.

Doch diesen Schatten will ich halten!
Der Liebe Geist ihn still belebt,
Der, ob getrennt auch die Gestalten,
Die Seelen einend treu umschwebt,
Und mit dem Zauber der Gedanken,
Der keinen Schicksalsmächten weicht,
Hoch über die erbauten Schranken
Die Bundeshand der andern reicht.

In diesem himmlischen Vereine,
Laß uns fortan des Weges geh'n!
Und ob ich einsam auch hier weine,
Du sollst nicht meine Thränen seh'n;
Die Blüthe nur, die ihr entsprossen,
Durch deiner Thränen Glanz verklärt,
Sie zeige sich, wenn sie erschlossen,
Der liebenden Betrachtung werth.
(S. 187-188)
_____



Süße Einbildung

Das Traumbild mir entwich!
Doch ob ich auch erwacht,
Noch seh' ich immer dich
Wie in der dunklen Nacht

Auch du wohl siehest mich!
Es weilt dein Geist bei mir,
Wie meiner schwebt um dich,
So ist der deine hier.

O, süße Harmonie!
Du hebst das treue Herz
In hoher Phantasie
So tröstlich himmelwärts.
(S. 189)
_____



Schonung

O, wagt es nicht, das Heil'ge zu berühren
Mit ungeweih'ter Hand!
Versucht nicht den Begeisterten zu führen
Aus seiner Träume Land.

Was könnt ihr ihm nach der Entzaub'rung bieten?
Ersatz hat nicht die Welt
Für die zerstörten wundervollen Blüthen,
Die er für ew'ge hält.

Laßt ihm den Wahn, daß nimmer seine Liebe
Ersterbe mit der Zeit;
Daß wenn sie ihm als Lebenslicht nicht bliebe,
Dem Tode er geweiht!

Laßt ihm den Wahn, daß er geliebt auch werde
Von seinem Ideal,
So treu, so heiß, daß keine Macht der Erde
Je trenn' des Herzens Wahl.

O, weckt ihn nicht aus diesem schönen Traume,
Bis er von selbst erwacht.
Vergönnt ihm in des Daseins dunk'lem Raume
Das Sternenlicht der Nacht!
(S. 191)
_____



Blühend Leid
An W. . .

Viel Wonnen hast du mir gegeben,
Doch tausend bitt're Schmerzen auch,
Und denk' ich dein mit süßem Beben,
Wird der Gedanke Seufzerhauch.

Doch soll er nimmer dich verklagen;
Nur liebevoll will dir mein Leid
Zu deinem Troste leise sagen,
Daß es geworden Seligkeit.

Es sproßten aus dem Schmerze Blüthen,
Wie nimmer sie die Freude ruft,
Die mich zu trösten sanft sich müh'ten
Durch ihres Lebens Klang und Duft.

Und steigt er auch nicht aus den Rosen,
Den Veilchen und den Lilien mehr;
Es trägt der Kelch der Herbstzeitlosen
Mir der Erinn'rung Düfte her.
(S. 192)
_____



Waldesstimmen

Einsam ging er in dem Haine,
Hörte laut die Vöglein singen,
Sich erheben in die reine
Höhe auf den leichten Schwingen.

Doch sein Herz war angstbeklommen,
Fühlte nur des Kummers Schwere,
Wußte kaum, wie er gekommen
In des Waldes dunk'le Sphäre.

Hatte lange nicht gesungen,
Keinen Gruß von ihr empfangen,
Alles, alles schien verklungen,
Sang und Liebe ihm vergangen.

Doch die Vög'lein weckten wieder
Ihn aus seinem bangen Traume,
Und er mischt im Waldes Raume
Seine Stimm' in ihre Lieder.

Sieh! da ward er wieder heiter,
Dachte nicht an seine Schmerzen,
Immer singend ging er weiter,
Süßes Lieb' im treuen Herzen.
(S. 200)
_____



Der Liebe Geist

Es ist vorbei! - Im Duft zerronnen
Ist meiner Träume Rosenbild!
Nur etwas habe ich gewonnen -
Die Thräne, die mein Auge füllt.
Sie ist erschienen, still zu nähren
Das tiefe Weh in meiner Brust,
Sie ist geblieben, zu verklären
Den unabwendbaren Verlust.

Es ist vorbei! - Kann Liebe sterben,
Verwelken wie ein Rosenblatt?
Entflieht ihr Geist nicht dem Verderben,
Weilt er nicht hier an Gottesstatt? -
Und Antwort tönt der bangen Frage:
O, zweifle an der Liebe nicht!
Entweih' sie nicht durch ird'sche Klage,
Denn ewig flammt ihr Himmelslicht.

Und wo es losch in einem Herzen,
Da hat es himmlisch nicht gebrannt,
Da waren es der Erde Kerzen,
Dem Schimmer nach ihr nur verwandt;
Die Liebe selbst, sie kann nicht sterben,
Und wo ein Herz sie rein erfaßt,
Da wohnet sie, auch im Entfärben
Der äußern Form, ein treuer Gast.

Ja Liebe, Liebe, ich verstehe
Dein göttlich Wesen, deinen Ton,
Und preise meines Herzens Wehe
Und weihe es zu deinem Thron.
Ich fühl's, du hast mich nicht verlassen,
Hast mir die hohe Kraft verlieh'n,
Dein himmlisch Wesen zu erfassen,
Du wirst mir nie dein Licht entzieh'n!
(S. 206-207)
_____



Sonette

1.
Wenn still die Dämmerung hernieder steiget,
Mit ihrem Schleier meinen Blick umzieht,
Schließ' ich das Auge, denn im Innern blüht
Was meiner Seele immer hell sich zeiget.

Und wenn je mehr und mehr der Tag sich neiget,
Der letzte Schimmer seines Daseins flieht,
Die Nacht herein mit dunk'lem Auge sieht,
Und jede laute Lebensstimme schweiget.

Dann höre ich in süßen Phantasieen
Der Aeolsharfe sanfte Melodieen,
Die in den Zweigen der Gefühle schwebt;

Und alle Saiten in der Brust erbeben,
Und ihr Klänge nach der Höhe streben
Zur ew'gen Liebe, die den Ton belebt.
(S. 211)
_____



2.
Die zarte Brust muß sterben oder träumen,
Die höchste Lust, sie ist ein süßer Duft;
Die Phantasie der Seele Lebensluft;
Das Götterkind wohnt nur in hohen Räumen.

Es tragen ihre Flügel ohne Säumen
Den Schützling über jede Erdenkluft;
Dem Blick verschwimmt die finstre Todesgruft;
Er schifft im Aether, wenn die Wogen schäumen.

Und zieht ihn nieder auch die Macht der Schwere
Aus seiner dichterischen Himmelssphäre,
Nicht lange fesselt ihn des Staubes Raum;

Es heben wieder ihn des Geistes Schwingen;
Er muß empor in seine Heimath dringen,
Und wär sein Glück auch nur ein schöner Traum.
(S. 212)
_____



3.
"Nicht ewig bleibt, was ewig ist, verloren!"
So klang einst eines Sängers Trostesspruch,
So steht er fest in unserm Glaubensbuch:
Das Leben wird im Tode neu geboren.

Sind deine schönsten Blumen dir erfroren
Im Schicksals-Winter; deckt sein Leichentuch
Auch Schmerzen, die des Freundes Eidesbruch
Dem treuen Herzen ewig zugeschworen;

Verzage nicht! es wird der Wahn vergehen,
Dein Schmerz nicht, nur sein Urquell wird bestehen,
Die Liebe, die den Lebensstrom verklärt;

Und wird er auch zur dunk'len Todeswelle -
Sie trägt das Fahrzeug an des Himmels Helle,
Wenn nur dein Herz sein reines Licht begehrt.
(S. 213)
_____



4.
An Sie
Nicht bannen kann ich Dich aus meinem Herzen,
Ich liebe Dich, und Du bleibst ewig mein!
Kein Machtgebot darf trennen den Verein;
Ich halt' ihn fest mit der Gewalt der Schmerzen.

Nur leicht Erworb'nes läßt sich leicht verscherzen,
Das schwer Errung'ne will erhalten sein
In treuer Brust als Trost, als Sonnenschein,
Wenn ausgelöscht des Tages helle Kerzen.

So halt' ich Dich, mein Leid, mein Glück, mein Leben!
So sollst Du Licht im Innern mir stets geben,
Wie trübe auch die äuß're Färbung sei.

Durch Leid und Schmerz ja hab' ich Dich gewonnen,
Und nimmer sei Dein Dasein mir verronnen,
Zog des Besitzes Freude auch vorbei!
(S. 214)
_____



5.
Die Linden blühen! - Süßer Balsamduft
Durchzieht des Sommerabends laue Luft
Und grüßt mich mit des Zephirs sanftem Wehen,
Als müßte ich den süßen Gruß verstehen.

Und über der Entfernung tiefe Kluft,
Der Herzenswünsche aufgeschloss'ne Gruft,
Still die Gedanken ihre Wege gehen,
Und unverwandt nach ihrem Ziele sehen.

Was sehen sie? - Ein idealisch Bild,
Das in der Ferne Nebel eingehüllt,
Doch der Gedanken allmachtreiche Schwingen

Dem Auge nah' und immer näher bringen,
Bis es, in süßer Harmonie vereint,
Der Seele als ihr Sonnenlicht erscheint.
(S. 215)
_____



6.
Schreibe!
Du denkest mein! O, süßes Ahnen, Denken!
Nichts Lieberes kannst du mir, Theure, schenken,
Als den Gedanken, der mich tröstend küßt,
Wenn gramerfüllt mein Auge überfließt.

Nur dies Bewußtsein kann es aufwärts lenken,
Den Frieden wieder in das Herz mir senken,
Der mir verloren, wie die Freude ist,
Seit du, Geliebte! mir entschwunden bist.

Doch willst du mir die Freude wieder geben;
Laß die Gedanken sichtbar zu mir schweben
Durch der Entfernung winterlichen Raum;

Laß sie mir Balsam still in Worten reichen,
Verkünde mir durch liebevolle Zeichen,
Daß ihr Besitz kein Luftgebild, kein Traum.
(S. 216)
_____



7.
Ich denke Dein! Mein Sein ruht in dem Klange,
Und mit der Fülle schmerzlich süßer Lust,
Dringt er empor aus der bewegten Brust,
Und wird für Dich - für dich nur zum Gesange.

Für dich nur folgte ich dem innern Drange. -
Was in mir schlief verhüllt, fast unbewußt -
Für dich hat es hervor an's Licht gemußt,
Ob es bedeckt die Nacht auch tief und lange.

Verklingen wird es nur mit meinem Leben,
Als leiser Nachhall dann noch Dich umschweben,
Und Dich begleiten in die bess're Welt.

Wo jener Klang voll Harmonie und Leben,
Dem Liebe hier den Seelenton gegeben
Die Himmelsweihe durch sie selbst erhält.
(S. 217)
_____



Seelenband

Du nahtest mir! - da ward es in mir helle.
Du grüßtest mich! da brach mein Morgen an.
Du führtest mich an deines Tempels Schwelle,
Ich ließ mich nieder auf der heil'gen Stelle,
Und meines Lebens schönster Tag begann.

Denn wie der Blinde, den die Nacht umfangen,
Vergebens seinen Blick zum Lichte hebt,
Dem nur im Traum die Sonne aufgegangen
In Thränen, die aus seinem Herzen drangen,
So hab' auch ich in Sehnsucht nur gelebt.

So haben holde Bilder mich umzogen,
Mein Ohr entzückt durch ihre Melodie,
Den Schmerz geschaukelt auf des Trübsinns Wogen,
In sanfter Schifffahrt durch der Iris Bogen,
Im Sternenlicht der Dichter-Phantasie.

Doch giebt's ein Band, in Harmonie gewoben
Von der verklärten Geister reiner Hand,
Die, ob sie längst der Erde auch enthoben,
Vergessen nicht in ihrem Himmel oben,
Was treu hienieden ihnen blieb verwandt.

Dies Seelenband hat dich und mich umwunden,
Und mich geführt in deines Daseins Licht,
Der Sehnsucht Nacht, sie ist hinabgeschwunden,
Und aufgestiegen sind des Tages Stunden,
Als Himmelspfand, das hell durch Wolken bricht.
(S. 229-230)
_____



Begeisterung

Des Herzens Durst, du hast ihn mir gestillt,
Geliebte! mit dem reinsten Seelenthau
Von Blüthen aus des Himmels hoher Au,
Die sich der frommen Sängerin enthüllt.

Und wie dein Wesen rein und klar und mild,
Worin ich tief des Himmels Abglanz schau',
Auf das ich fest wie auf ihn selber bau' -
So selig mich der Gabe Werth erfüllt.

Und wer erfüllt, entzückt ist, schweiget nicht,
Denn der Begeist'rung frohe Stimme spricht
Aus ihm in Bildern, Klängen und Gesang.

Und wie die Blume hauchet ihren Duft,
So trägt mein Herz der Seele Lebensluft
Zu dir, wie schwach auch meiner Laute Klang.
(S. 232)
_____



Der Seele Würdigung

Bald möcht' ich ruh'n zu deinen Füßen,
Bald an dein Herz
Mich schmiegen, dich umschließen,
Vergessend jeden Schmerz.

Bald möcht ich schweigend lauschen
Nur deinem Wort;
Bald Seel' um Seele tauschen
Im geistigen Akkord.

Bald möcht' ich wieder fragen,
Ob nur ein Traum
Herab dich mir getragen
Aus hohem Himmelstraum?

Doch immer möcht' ich flehen:
Verlaß mich nicht!
Laß uns vereinigt gehen
In Nacht, in Sonnenlicht!

Ach! nicht in arme Worte
Sich fassen läßt,
Was höhere Akkorde
Im Klang nur halten fest.

Drum liebe, treue Laute
Vermitt'lerin!
Trag', was ich dir vertraute
In Liebe zu ihr hin!

Bring' ihr des Herzens Grüße,
Die Huldigung,
Der höchsten Liebe Süße,
Der Seele Würdigung!
(S. 233-234)
_____



Begegnung
Sonett

Duftvolle Veilchen reicht mir deine Hand
Heut bei der Sonne erstem Frühlingsgrusse,
Daß mich umweh' in des Aroma's Kusse
Der Liebe Geist, der ihn mir zugesandt.

O, süßes sonnenholdes Liebespfand!
Wie fühl' ich mich berauscht in dem Genusse!
In der Begeistr'rung seligstem Ergusse
Hab' ich der Geister Einfluß selbst erkannt.

Verborgen hielt ich in des Schweigens Hülle
Den Sehnsuchtsruf, den Herzenssaitenton,
Daß er im Lenz erst dein Gefühl berühre.

An deinem Tage Antwort zu mir führe -
Da - wunderbar! umweht ihr Geist mich schon
Voll Liebe in des Veilchensduftes Fülle!
(S. 237)
_____



Geben und Nehmen

Wenn Dich ein Leid drückt, möcht' ich heben
Vom Herzen Dir sogleich die Pein,
Und wenn ein Glück mir ist gegeben,
Möcht' ich in's Herz Dir's senken ein.

Doch bin nicht blöde ich im Nehmen,
Weil Du im Geben Engeln gleich;
Und theilst du Glück - ich muß mich schämen -
Erfaß' ich gleich ein Himmelreich.
(S. 242)
_____



Wunsch

Könnt' ich dir zur Seite gehen
In dem Erdenleben hier!
Wo du weiltest, bleiben stehen -
Könnt' ich dir zur Seite gehen
Immer weiter fort mit dir!

Könnt' ich die Gefahren wenden,
Die dir droh'ten auf dem Weg',
Tragen dich auf meinen Händen -
Könnt' ich die Gefahren wenden
In dem Schicksalsdorngeheg'!

Könnt' ich Rosen für dich brechen -
Und gewiß ich fände sie,
Möchten mich auch Dornen stechen -
Könnt' ich Rosen für dich brechen,
Rosen, die verwelkten nie!

Könnt' ich dir das Schönste bringen,
Wie es nur in Träumen lebt!
Fesseln alle Freudenschwingen -
Könnt' ich dir das Schönste bringen,
Das die Seele hier erstrebt!

Könnt' ich jedem Schmerze wehren,
Der in's Auge dich gefaßt!
Seinen Becher für dich leeren -
Könnt' ich jedem Schmerze wehren,
Für dich tragen jede Last!

Könnte ich nur mit dir gehen,
Was mich drückte, fühlt' ich nicht,
Dürft' ich dir in's Auge sehen -
Könnte ich nur mit dir gehen,
Wär mir Alles leicht und licht!

Könnt' ich deine Worte hören!
Wenn der Hoffnung Stimme schweigt,
Würde Liebe mich belehren -
Könnt' ich deine Worte hören,
Würde nie mein Muth gebeugt! -

Könnte ich zuletzt besteigen
Mit dir jenen stillen Kahn,
Wo die Lebenstöne schweigen -
Dürft' ich ihn mit dir besteigen,
Sähe ich den Tod nicht nah'n! -
(S. 247-248)
_____



Süßes Gedenken

Du denkest mein! O, freundliche Gedanken,
Wie süß umweht mich euer Liebesgruß!
Wie sinken nichtig alle Trennungsschranken,
Wie wandelt sich Entbehrung in Genuß!

Du dachtest mein, der armen Sehnsuchtskranken!
Und der Gedanke ward ein Friedenskuß;
Die Ruhe kam, die matten Augen sanken
In sanften Schlummer nach des Tages Schluß.

Mein wirst du denken, wenn hier nach dem Traume
Mein Auge sich nicht mehr dem Licht erschließt,
Und es mir tagt in einer höhern Sphäre.

Dort oben! - o, der Liebe heil'ge Zähre,
Die still in den Gedanken überfließt,
Verbürgt Erinnerung im Himmelsraume!
(S. 249)
_____



Anmaßung

Ich liebe dich so sehr,
Daß ich mir bilde ein,
Kein Herz dir könne mehr
Als mein's ergeben sein.

Das Wort genügt mir nicht; -
Es klingt mir noch zu leer;
Die inn're Stimme spricht:
Kein Herz liebt dich so sehr!

Anmaßend freilich klingt's;
Doch mag's das Herz auch sein;
Denn nach dem Höchsten ringt's,
Und nennt das Liebste "mein".

So, süßes, eignes Selbst,
In Liebe angemaßt,
Den Himmel du dir wölbst
Durch mein und dein erfaßt.

So, süßer Herzensbrauch,
Halt' ich dich fest beim Wort,
Hier bis zum letzten Hauch,
Und droben ewig fort.
(S. 250)
_____



Seelenstärkung

An den Bächen, an den Quellen,
Deren lebensvolle Wellen
Trübes Dasein mild erhellen,
Sprech' ich oft mit dir;
Und auf stillen Waldeswegen
Tritt dein Bild mir sanft entgegen,
Und die Nähe wird zum Segen
Immer, immer mir.

Ach! entbehrend Heimathliebe,
Fühlt ich doppelt alles Trübe,
Fragte, wo die Segnung bliebe
Von dem Segensquell?
Die Natur selbst schwieg der Frage,
Denn die sonnenlosen Tage
Gingen unter mit der Klage:
Ach, es wird nicht hell!

Doch als auf die Sonne blickte,
Ihre Strahlen niederschickte,
Mild die Erde mit beglückte,
Ward auch wohler mir.
Und ich konnte wieder sprechen
Mit den Quellen, mit den Bächen,
Konnte wieder Blumen brechen,
Und sie weihen dir.

Doch dein Anblick, deine Nähe,
Die ich geistig fühl' und sehe,
Wo ich wandle, wo ich stehe,
Wirket magisch fort.
Füllt mir hier des Daseins Leere,
Trägt der langen Tage Schwere
Aus der Schwermuth trüber Sphäre
Nach der Hoffnung Port.

Und schon seh' ich ihre Zeichen,
Seh' die Stunden nicht mehr schleichen,
Mir den vollen Becher reichen,
Der die Seele stärkt,
Der, versüßt durch deine Liebe,
Setzt zu Boden alles Trübe,
Was ihm noch zu eigen bliebe,
Ruhig, unvermerkt.
(S. 257-258)
_____



Lichtes Spur

Als Schimmer von dem Blumenflor,
Der reich im Herzen blüht,
Dringt eine Thräne oft empor
In's äußere Gebiet.

Doch wie sie auch mit Liebe spricht,
Und Liebe sich erwirbt,
Dem Seelenton erreicht sie nicht,
Der still im Herzen stirbt.

Es ist der Liebe tiefstes Sein
Ein sel'ger Himmelstraum,
Zerfließend bei der Erde Schein
Wie gold'ner Wolken Saum.

Drum bleibt hienieden unsichtbar
Dem Aug' die Himmelsflur,
Nur der Empfindung immer klar
Ist ihres Lichtes Spur.

Und so erscheine hier dir auch
Mein armes Herzenswort,
Als Bote nur, als Liebeshauch,
Vom schönern Dasein dort!
(S. 259)
_____



Dank

Einen Engel herabgesandt
Hast du mir, Vater, von Oben,
Und durch ein harmonisches Seelenband
Sein Dasein in mein's verwoben.
Ich fühle das überirdische Glück -
Den Himmel im Lebenstraum -
Und bete, daß es nicht weiche zurück
In seinen ursprünglichen Raum.
Ich flehe, Vater, voll Inbrunst zu dir:
Laß mir den Engel zur Seite,
Daß er in Licht und Dunkel mich hier,
Beschirmend zur Heimath geleite!
Nicht fassen könnte mein Herz das Leid,
In Nähe ihn nicht mehr zu sehen,
Wie milde auch die Vergangenheit
Als Gruß mich möchte umwehen. -
Nicht trösten würde Erinnerung,
Nur steigern mein schmerzliches Sehnen;
Der Zukunft freundliche Dämmerung
Zerflöß' in der Gegenwart Thränen. -
Ach! sie entrinnen dem Auge schon,
Wie fern auch der Schmerz noch stehe! -
Es erzittert der Seele Aeols-Ton
Von dem berührenden Wehe. -
Doch wozu rufen hervor die Pein!

Warum nicht lieber mich freuen,
Daß ich noch wand'le im Sonnenschein,
Und Blumen dem Engel darf streuen,
Und schmücken damit den eignen Pfad,
Den so erhellt ich noch sehe? -
Nicht kümmern soll mich des Schicksals Rad,
Wie seine Richtung auch gehe;
Ich hebe zum Himmel den Hoffnungsblick -
In Dank geht über mein Flehen;
Ich preise mein überirdisches Glück:
Der Liebe ewig Bestehen.
(S. 260-261)
_____



Engelshuth

Wie glücklich bin ich, wenn ich bei dir bin!
Der Zauber deiner süßen Liebesnähe
Füllt mir das Herz, erhellt den trüben Sinn,
Daß ich nur Licht und Freude um mich sehe.

Und bist du fern - mein Auge doch dich sieht,
Und die Gedanken liebend dich umfassen,
Und der Erinn'rung stille Blume blüht
In meinem Blick, dem sehnsuchtsthränennassen.

Dann - wie dem Kinde ist mir oft zu Muth,
Dem gläub'gen, dem die fromme Mutter lehrte:
Es steh' in eines Engels treuer Huth,
Der von dem Himmel zu ihm niederkehrte.

Und wie das Kind im stillen Kämmerlein,
Versprech ich oft im innigen Gebete
Des lieben Engels Nähe werth zu sein,
Den wohl herab der Mutter Segen fleh'te.

So wendet nimmer sich sein Angesicht;
Und kehr' ich heim, der Mutter Dank zu sagen,
Wird seiner Liebesnähe Erdenlicht
Mich auf zum Licht der ew'gen Liebe tragen!
(S. 262)
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Herbarium der Liebe

Nicht länger kann ich euer Leben fristen,
Ihr süßen Blüthen, ferner euch nicht pflegen!
Ihr welkt, ob Engelsblicke auch euch küßten,
Und hauchten über euch den Liebessegen.

Wohin mit euch, ihr todten Frühlingskinder!
Erblich'ne Himmelsboten, Liebesgaben,
Die mir erhellt, erwärmt den Lebenswinter,
Wo wollt ihr euer Ruhestätte haben?

Ihr schweigt; als müßte ich von selbst es wissen. -
Nun ja! ich habe süß mir's schon geträumt:
Ich füll' mit euch mir still mein Sargeskissen -
Die Stelle ist's, die ich euch eingeräumt.
(S. 263)
_____



Die weiße Rose
Nach einer Legende

Das Leben war ihm aufgegangen
In ihres Auges Himmelsstrahl;
Doch keine Wünsche, kein Verlangen
Verwandelten das Glück in Qual.
Er war der heil'gen Kirche Priester;
Der ird'schen Liebe süßes Glück,
Der Herzensstimme still Geflüster
Wies er mit Ernst und Kraft zurück.

Laurent, so hieß der Gottgeweihte,
Und Agnes hieß sein Engelsbild;
Auf Erden schon Gebenedeite
Durch ihren Wandel fromm und mild.
Des Vaters Glück, der ohne Söhne,
Die Tochter stolz sein Kleinod pries,
Und deren wunderbare Schöne
Kein Auge ungerühret ließ.

Der Priester sah die holde Blüthe,
Sah, als sie rosig sich erschloß,
Der Anmuth Reiz, die Engelgüte,
Die überirdisch sie umfloß;
Und unsichtbare Liebesbande
Umwanden beide unbewußt;
Nur wenn sie Freund ihn leise nannte,
Da schlug ihr Herz in Weh und Lust.

Und er - nur wenn er sie nicht sahe,
Da fühlte er ein tiefes Leid;
Doch war die holde Freundin nahe,
Da schlug sein Herz voll Seligkeit,
Der Himmel strahlt aus seinen Blicken,
Wie ihre Seele hell und rein.
Ach, seine Sehnsucht, sein Entzücken,
Sie sollten harte Prüfung sein.

Es bleichten plötzlich ihre Wangen,
Es starb des holden Auges Blick,
Das Herz erfüllte Heimathbangen,
Der Himmel nahm sein Kind zurück.
Laurent erfährt der Krankheit Kunde,
Die niederschmetternd ihn berührt,
Und das Gefühl der Liebeswunde
Erst jetzt in sein Bewußtsein führt.

Er nahte ihrer Leidensstätte,
Er nah'te und zog sich zurück;
Er kniete trostlos im Gebete,
Er haderte mit dem Geschick.
Sein Herz verlangte sie zu sehen,
Noch einmal, eh' ihr Auge brach,
Und Liebe heiß ihr zu gestehen,
Wie streng die Pflicht dagegen sprach.

Doch unter diesen bittern Klagen
Und der Verzweiflung Finsterniß,
Da hatten Engel sanft getragen
Die Sterbende in's Paradies.
Der Freundlichste vernahm ihr Flehen,
Als sie berührt des Todes Kuß:
Laß mich den Freund dort wiedersehen
Und bring ihm meinen Abschiedsgruß!

Laurent sank an dem Sarge nieder
Vernichtet, kraftlos, todesmatt;
"O, reiner Engel, hebe wieder
Den Sünder auf, an Gottesstatt!
Erhelle meine Nachtgedanken,
O laß mich in Verzweiflung nicht
Wie ein Verirrter ruhlos wanken
Vom Wege meiner heil'gen Pflicht!"

So fleht er und erhob die Blicke
Zu dem beweinten Himmelsbild,
Eh es die Erde ihm entrücke;
Und sieh! es lächelte so mild,
Als sei es schmerzlos hingeschieden,
Vom Todeskusse unverletzt,
Beseligt in des Himmels Frieden
Aus süßem Traume still versetzt.

Die engelschöne Körperhülle
Umwob ein weißes Sterbekleid,
Und an dem Busen, der so stille
Empfunden Schmerz und Seligkeit,
Da blüh'te eine weiße Rose,
Der Trauerliebe schönes Bild,
Die für die Reine, Makellose
Den weißen Kelch mit Duft erfüllt.

Da fühlt' Laurent sich neu erhoben;
Ein andrer Geist kam über ihn:
"Du weilst im Lichte", sprach er, "droben,
Du wirst mich liebend nach dir zieh'n!
Ich will getrost empor mich richten,
Mein Herz ist von der Angst befreit,
Auf's strengste sei nur meinen Pflichten
Mein ganzes Dasein jetzt geweiht!"

Und wie er ernst sich's vorgenommen,
So lebte er dem Worte nach.
Man nannte ihn den Hohen, Frommen,
Der wie ein Gottgesandter sprach;
Befolgte thätlich, was er lehrte;
Ein Hirt, der mit dem mächt'gen Stab
Sanft dem verirrten Sünder wehrte,
Sich selbst den Namen "Sünder" gab.

So waren Jahre ihm vergangen,
Seit Agnes von der Erde schied.
Da fühlt er plötzlich von Verlangen,
Von Sehnsucht seine Brust durchglüht,
Den fernen Friedhof zu betreten,
In welchem ruhte ihr Gebein,
An ihrem Hügel still zu beten
Und eine Thräne ihr zu weih'n.

Er kann dem Wunsch nicht widerstehen,
Es forderte das Herz ihn ab.
Es war die Sehnsucht kein Vergehen,
Zu suchen der Geliebten Grab.
Von Rosen sieht er es umblühet,
Und ihre Düfte ihn umweh'n,
Ach, als im Schmerz er niederknieet,
Glaubt er sie selbst - sie selbst zu seh'n.

Er meint, die Kraft hat ihn verlassen,
In schmerzlicher Erinnerung
Möcht' er die Hülle noch umfassen,
Ihr weih'n des Herzens Huldigung.
"O Rosen," ruft er, "euer Leben
Sog ihres Lebens Purpur ein;
Laßt mich dem Grabe euch entheben,
Ihr sollt mein einz'ger Trost jetzt sein!"

Und sorgsam ließ er aus sie graben,
Und andre dafür pflanzen ein,
Um mit den duft'gen Schmerzensgaben
Nun immerdar vereint zu sein.
Er ließ sie in sein Zimmer bringen,
Er fühlte seine Agnes nah,
Die mit den lichten Engelsschwingen
In Liebe zu ihm niedersah.

Sein Auge hatte sich geschlossen,
Denn nur das Nachtumhüllte sieht
Der Seele himmlische Genossen,
Die sichtbar zu ihr niederzieht
Die Nacht, die aus des Herzens Sehnen
Den Faden des Vereines spinnt,
Der durch der Liebe heil'ge Thränen
Die ew'ge Haltbarkeit gewinnt.

"Du weinst um mich? sprach sie mit Lächeln,
Du kennst nicht meine Seligkeit!
O laß mich Trost in's Herz dir fächeln
Und enden deiner Liebe Leid!
Hier diese Rose wird dich führen
Still an des Himmels hohe Thür;
Du darfst sie nur damit berühren,
Sie öffnet sich - du bist bei mir!"

So reicht sie ihm die weiße Rose,
Die er an ihrer Brust erblickt,
Mit der die Reine, Makellose, -
Im Sarge jungfräulich geschmückt,
Als Engel ihm verklärt erschienen
Und sanft beschwichtigt seinen Schmerz.
Mit diesen holden Himmelsmienen
Legt sie die Rose an sein Herz.

Und als sie leise ihm entschwunden,
Berührte er die Himmelsthür,
Und hatte Einlaß schnell gefunden,
Die Rose führte ihn zu ihr.
Noch frisch lag sie auf seinem Herzen,
Als man ihn still entschlummert fand,
Und seine Miene, ohne Schmerzen,
Den Tod der Liebe eingestand.

So starb er und es geht die Sage
In Breslau's Dome, daß noch oft
Hier an dem heil'gen Laurenttage
Die Rose liege unverhofft
In einem Betstuhl, zu verkünden
Still des Besitzers nahen Tod; -
Daß wie Laurent er werde finden
Des ew'gen Friedens Morgenroth.
(S. 267-274)
_____


Aus: Gedichte von Julie von Großmann
Breslau bei Urban Kern 1839
 

Biographie:

http://www.stadtwikidd.de/wiki/Julie_Florentine_von_Großmann


Grossmann, Julie v., geb. Menzel, geboren 1790 zu Freistadt in Schlesien, gestorben den 20. Dezember 1860 in Dresden.

aus: Lexikon deutscher Frauen der Feder.
Eine Zusammenstellung der seit dem Jahre 1840 erschienene Werke weiblicher Autoren, nebst Biographieen der lebenden und einem Verzeichnis der Pseudonyme. Hrsg. von Sophie Pataky
Berlin 1898

 

 


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