Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Dal

LII. (52)

Die Freundinn, deren Haarnarziß
Der Schwärze Neid erreget hat, 1
Sie, die mit den Verliebten noch
Beständig was zu zanken hat.

Mit Schnelle geht sie über das,
Was sie zunächst betrift, hinaus.
Was ist hiebei zu thun, sie lebt,
Ihr wißt, das Leben Eile hat.

Wenn was von ihren Lippen quillt,
Das wahre Lebenswasser ist,
So ist ein Dunst nur jener Quell,
Den Choser im Besitze hat.

Ihr strahlenvolles Mondgesicht
Vom Schleier ihres Haars versteckt,
Ist blos ein Sonnenangesicht,
Das Wolken vorgezogen hat.

Mein Auge hat in jeder Eck'
Vergoßen einen Thränenstrom,
Damit der hohen Cedern Wuchs
Beständig frisches Wasser hat.

Die Schelmenwimpern haben zwar
Aus Irrthum ausgeschöpft mein Blut,
Es mangle nie Gelegenheit hiezu,
Weil man die beste Absicht hat.

Dein trunknes Aug' verlanget sehr,
Daß ihm mein Herz sey dargebracht,
Natürlich! denn es ist ein Türk,
Der nach dem Raub' Verlangen hat. 2

Ach meine kranke Seele darf
Sich nicht erkundigen um dich,
Beglückt der Kranke, welcher stets
Von seinem Freunde Kunde hat.

Wenn würdigt sich dein trunkenes Aug',
Herabzuschauen auf Hafis,
Dein trunknes Aug', das überall
Verzweiflung angerichtet hat.

1 Ghalie heißt die Moschussalbe, womit das Haar geschwärzt wird; das Schönheitswasser, womit sich die Frauen so Haar als Gesicht waschen (wie die Engländerinnen mit honeywater), heißt auf arabisch Caramel.

2 Wörtlich: Es ist ein betrunkener Türke, vielleicht daß ihn nach einem Braten, d.i. nach einem liebekranken Herz gelüstet.



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