Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Elif

XV. (15)

Gnädig bist du wenn du
Nicht verwehrst dem armen Harut,
Daß er nach Verlangen
Schau ins Auge seinem Marut. 1

Von der Liebe Leiden –
Bin ich überhäuft wie Harut,
Wollte Gott ich hätte
Nie gesehen meinen Marut!

In des Kinnes Grübchen
Wäre nicht gefallen Harut,
Hätte nicht entlehnet
Deiner Schönheit Schatten Marut.

Rosen blühn, ihr Peris
Kommet auf die Fluren Haruts
Nachtigallen singen,
Trunken von dem Auge Maruts

Qual und Leiden
Kostet mich die lange Trennung,
Zeig' dich gnädig daß einst
Auch Hafis dein Antlitz sehe!

1 Harut und Marut, zwey Engel, welche von Gott auf die Erde gesandt, Menschentöchter verführten, und dann selbst gegen einander in Liebe entbrannten; Suhre (Venus) ein tugendhaftes Weib, das ihre Anträge zurückgewiesen hatte, ward zur Belohnung für ihre Tugend in den Himmel versetzt, wo sie im Morgenstern die Laute spielt zum Reigen der Sterne. Harut und Marut aber wurden zur Strafe ihrer Missethaten in einem Brunnen bei Babel, bei den Füssen aufgehängt, wo sie bis ans Ende der Welt so hangen bleiben, unterdessen aber allen, die sich dem Brunnen nahen, und mit ihnen sich unterhalten wollen, in der Zauberei Unterricht geben; aus dieser sonderbaren Mythe fließen die häufigen Anspielungen in den erotischen persischen Gedichten, wo bald der Zauberreiz des Geliebten nur der Zauberkraft dieser beiden gefallenen Engel, und bald das Kinngrübchen mit dem Brunnen, in dem sie aufgehänget sind, verglichen wird.

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