Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Be

IV. (4)

Der Garten deines Genusses
Verleiht dem Paradiese Glanz.
Das Feuer deiner Entfernung
Entflammt der Hölle Gluth.

Zu deinem Gesichte und Wuchse
Hat sich geflüchtet Edens Flur,
Von Tag zu Tage vermehre
Sich ihrer Schönheit Preis!

Wie Quellen fließet mein Auge
Die ganze lange Nacht hindurch,
Und schaut das Bild der Narzisse
In deinem Aug', im Traum.

Der Frühling hat die Reize
Von deiner Schönheit nur erklärt,
Das Paradies erinnert
Mit jedem Schritt an dich.

Mein armes Herz – es verbrennet,
Und nicht erreicht es seinen Wunsch.
Wär' sein Verlangen gestillet,
Nicht weinen würd' es Blut.

Dein Mund erfordert mit Rechte
Von mir das Brand – und Wundengeld.
Du hast die Brust mir verwundet,
Er hat mein Herz verbrannt.

Glaub' nicht es seyen Verliebte,
Zu unsrer Zeit allein berauscht,
Hast du von frommen Betrachtern,
Die trunken nichts gehört?

Ha deine Lippen bezeugen,
Daß der Rubin ein Tropfen ist,
Der von den Gluthen der Sonne
Zur Erde niederfällt.

Den Schleier zieh zurücke,
Wie lang wirst du dich noch verhüllen?
Was nützet dich der Schleier?
Zu was verbergen dich?

Dein Gesicht schaute die Rose,
Ha! da entglühte sie voll Schaam,
Sie spürte deinen Geruch und
Zerfloß in Rosenwasser.

Aus Liebe deines Gesichtes
Stürzt in das Elend sich Hafis,
Bald wird er sterben, o komm!
Und finde Rettung auf.

Hafis es gehe das Leben
Nicht ohne Früchte dir vorbey,
Bemüh dich und erkenne
Des Lebens grossen Werth.

In unserer Prosa würde der Inhalt dieser Ode beyläufig so heißen:

1) Bin ich bey dir, so bin ich im Paradiese, bin ich ferne von dir, so bin ich in der Hölle.

2) Die Reize Edens huldigen den deinen.

3) Mein Auge weint die ganze Nacht aus Sehnsucht nach dem deinigen.

4) Die Schönheit des Frühlings ist ein bloßer Kommentar über die deinige, und die Freuden des Paradieses sind eine schwache Erinnerung, gegen die, welche deine Liebe gewähret.

5) Mein Herz ist verbrannt, weil ihm sein heißester Wunsch nicht gewährt wird.

6) Da dein Mund ein wahrer Wüthrich und Mordbrenner ist, so mag er freilich auch Kriegssteuer und Brandschatzung fodern.

7) Nicht nur Verliebte, sondern auch fromme Männer sind Trinker.

8) Wenn ihr zweifelt, daß der Rubin nichts als geschmolzene Sonnensgluth sey, so seht nur die Lippen des Geliebten an.

9) Entschleiere dich.

10) Rosen entfliehen, weil du sie an Schönheit beschämest.

11) Und Hafis vergeht aus Liebe.

12) Er kennt den Werth des vergänglichen Lebens, und will es benutzen.



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