Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Dal

CIV. (104)

Die Perle des Schatzes der Liebe ist
Noch immer, was sie war,
Der Becher der Lieb' ist versiegelt noch,
Wie er versiegelt war.

Die Schaar der Verliebten bewahret stets
Das angetraute Pfand,
Deßwegen ist perlender Augenschmuck
Noch stets so, wie er war.

Erkundige dich, ob die ganze Nacht
Bis zu der Morgenzeit,
Der Duft von dem Haare verbrannt nicht ist
Wie er verbrannt einst war.

Rubinen und Perlen begehret nun
Seit langer Zeit kein Mensch,
Wiewohl noch die Sonne die Kraft besitzt, 1
Die ihr längst eigen war.

Die blutige Thräne der heißen Brust
Von mir mit Fleiß versteckt,
Erscheint auf den Lippen mir abermal
Wie sie erschienen war.

O komm' und besuch' die Todten all',
Die Gemordeten von deinen Brauen,
Der Arme ist voll von Erwartungen,
Wie es das Herz längst war.

Ich sagte, die Locke wird
Ausgeh'n auf Räuberei,
Der Jahre verfloßen zwar viele schon,
Sie ist, wie sie eh' war.

1 Nach der Meinung der morgenländischen Naturforscher, welche glauben, daß die Edelsteine nur durch die bis in die Tiefen der Erde dringenden Sonnenstrahlen gezeitigt werden, und Licht und Glanz erhalten.


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