Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Dal

CVII. (107)

Nirgends kann ich Freunde schauen,
Was ist aus ihnen geworden?
Wo ist Freundschaft? wo die Freunde?
Was ist aus ihnen geworden?

Trübe ist des Lebensquelle,
Wo ist der reinliche Chiser?
Umgekehrt sind Wind und Rosen,
Was ist aus ihnen geworden?

Keiner redet von den Freunden,
Die Wort und Treue bewahren,
Dankbarkeit, wohin entfloh sie?
Was ist aus Freunden geworden?

Gottesleitung, Himmelsgnade
Ward uns als Spende geworfen,
Keiner tummelt auf dem Platz sich,
Was ist aus Reitern geworden?

Sohre singet nicht mehr lieblich, 1
Hat sie die Leier verbrennet?
Niemand freut sich mehr des Rausches,
Was ist aus Trinkern geworden?

Diese Stadt war sonst der Wohnort
Der Fürsten und der Verliebten,
Was befiel denn die Verliebten?
Was ist aus Fürsten geworden?

Aus der Mine ihrer Gnaden
Entsteigen nicht mehr Rubinen,
Windepfleg' und Sonnenwärme
Was ist aus ihnen geworden?

Schweige still Hafis, denn Niemand
Erspäht Geheimniße Gottes,
Welchen fragst du von dem Zeitlauf,
Was ist aus selbem geworden?

1 Sohre auf arabisch, Nahid auf persisch, Anais oder Kalliste auf griechisch, der weibliche Genius des Morgen- und Abendsterns. Der orientalischen Sage, welcher zufolge Sohre als himmlische Lautenspielerinn den Reigen der Sterne anführt, ist in diesen Noten schon mehr als einmal und am ausführlichsten bei der Ode des Buchstaben Ta, wo sich jeder Vers wechselweise mit dem Worte Harut oder Marut schließt, erwähnt worden.


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