Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Dal

CX. (110)

Ueber meines Liebchens Aeugeln
Staunen alle Unerfahrne,
Ich bin so wie ich erscheine,
Während sie es anders wissen.

Weise sind zwar sonst das Mittel,
Von der ganzen Schöpfung Kreise;
Doch die Liebe weiß, daß selbe
In dem Kreise sich oft drehen.

Was ist das, mit Liebe prahlen,
Und zugleich auf Freunde schmählen,
Solche Liebende verdienen,
Mit der Flucht gestraft zu werden.

Gott der Herr hat meine Tage
An Süßlippichte gebunden,
Ich bin ihr ergebner Sklave,
Sie allein sind meine Herren.

Jeder kann von deinen schwarzen
Augen lernen einen Kunstgriff,
Denn nicht Jeder kann im Rausche
Die Enthaltsamkeit bewahren.

Nicht mein Aug' allein betrachtet
Die Liebkosungen der Wangen,
Mond und Sonne machen immer
Diesem Spiegel ihren Kreislauf.

Wenn von meinen Herzensplanen
Schenkenjungen Nachricht hätten,
Würden sie der Frommen Kutten
Nimmermehr zum Pfande nehmen.

Wir sind ganz zu Grund gerichtet,
Wünschen dennoch Wein und Sänger,
Ach! wenn die befleckte Kutte
Nun der Wirth zum Pfand nicht nähme.

Wenn zum Sammelplatz der Geister,
Deinen Hauch der Ostwind brauchet,
Streuen sie Verstand und Seele,
Als ob es nur Locken wären.

Zu dem Lichtgenuß der Sonne
Kann ein Blinder nicht gelangen,
Weil vor diesem Spiegel Seher
Selbst verblendet niederfallen.

Freilich kann den Rausch Hafisens,
Nicht der Eremit verstehen,
Denn der Teufel flieht vor jenen
Leuten, die den Koran beten.


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