Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Ra

I. (1)

Ha! o Papagey, der von der Liebe Geheimnissen schwätzet,
Nie fehl's deinem Schnabel an Zucker! 1

Immer grüne dein Haupt, und immer sey fröhlichen Herzens,
Bist mir ein Bild von den Flaumen des Freundes.

Ein verborgenes Wort hast du zu den Freunden gesprochen,
Gott! heb' auf vom Räthsel den Schleier!

Günstiges Glück! bespreng' mich mit Rosenwasser vom Becher,
Denn mein Auge ist beflecket vom Schlafe.

Welchen Ton hat der Sänger zu seiner Weise gewählet,
Daß die Trunknen und Nüchternen tanzen!

Siehe die Wirkung des Moschus, den der Schenk' in den Wein hat geworfen,
Kopf und Dulbend geh'n beide verlohren. 2

Alexandern ward nicht verlieh'n das Wasser des Lebens, 3
Gold und Gewalt erzwingen nicht solches.

Nüchtern sag' und erzähle du nie das Geheimniß des Rausches,
Seelenkunde frag' nicht von den Gemälden. 4

Immer sey der Verstand die baare Münze des Lebens,
Gilt er doch nichts beim Golde der Liebe.

Komm' und höre mir an der Betrübten traurige Lage,
Worte sind wenig, und viel ist der Inhalt.

Sina's Götzenbilder, sie sind die Feinde des Glaubens, 5
Herr! bewahre mein Herz und den Glauben.

In den Reichen der Dichtkunst weht Hafis als die Fahne
Durch des Schahes schützende Gnade.

Seinen Dienern hat er statt Diensten Herrschaft verliehen,
Herr! bewahr' ihn vor Schaden und Unglück!

1 Der Dichter redet seine eigene Feder oder Seele an, die er mit dem Papageye und dann gleich hierauf die grünen Federn desselben mit den zarten Bartflaumen seines Freundes vergleicht.

2 Dulbend der Muslin, den die Moslimen um ihre Kopfbedeckung winden, woher das deutsche Turban. Das Wort Muslin selbst kommt nicht von den Moslimen, sondern von der Stadt Moßul her.

3 Alexander wanderte nach der morgenländischen Sage in's Land der Finsterniß, um vom Quelle des Lebens zu trinken, von dem ihm der Hüter, Chisr, zurückwies; eben so wenig als Alexander das Wasser des Lebens mit Gold und Gewalt erzwingen konnte, eben so wenig läßt sich die Liebe mit Gold und Gewalt erzwingen.

4 Suche in schönen Gemälden keine Seele, denn sie haben keine.

5 Sina's Knaben, berühmt durch ihre Schönheit, sind die Idole der Liebenden.



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