Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Sad

I. (1)

Keiner kann sich aus den Banden
Deines Haars befreyen,
Ohne Furcht vor der Vergeltung
Schlepp'st du die Verliebten.

Bis nicht in des Elends Wüsten
Der Verliebte wandert,
Kann er in der Seele Innres
Heiligstes nicht dringen.

Deiner Wimpern Spitzen würden
Selbst Kustem besiegen 1
Deiner Brauen Schütze würde 2
Selbst Wakaß beschämen.

Wie die Kerze brennt die Seele,
Hell an Liebesflammen
Und mit reinem Sinne hab' ich
Meinen Leib geopfert.

Bis du nicht wie Schmetterlinge
Aus Begier verbrennest,
Kannst du nimmer Rettung finden
Von dem Gram der Liebe.

Du hast in des Flatterhaften
Seele Gluth geworfen,
Ob sie gleich längst aus Begierde
Dich zu schauen tanzte.

Sieh' der Chymiker der Liebe
Wird den Staub des Körpers,
Wenn er noch so bleiern wäre,
Doch in Gold verwandeln.

O Hafis! kennt wohl der Pöbel
Großer Perlen Zahlwerth?
Gieb die köstlichen Juwelen
Nur den Eingeweihten.

1 Küstem, der berühmte Held des Schahname, der so viele Abentheuer mit Diwen bestand.

2 Im Texte steht Hadschid, der Thürhüter deiner Brauen. Der Kommentar bemerkt, daß in einigen Exemplaren statt Hadschid, Tschatschi stehe. Tschatsch ist eine Stadt Persiens, berühmt durch seine Bogen. Wie ehmals Adrianopel. Ein Tschatschier heißt also eben so viel als ein vortrefflicher Bogenschütze, Thorhüter heißen die Brauen, weil sie als solche gleichsam vor den Augen Wache halten.
Saad Ebi Wakaß, ein Jünger und Gefährte des Propheten, der berühmteste Bogenschütze seiner Zeit.



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