Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Lam

X. (10)

Es sprach ein jeder, der mein Wort
Zu Ihrem Lobe hörte,
Das hat er recht und gut gethan,
Es möge Gott ihm's lohnen!

Ich sprach zur Freundinn: wann wirst Du
Dich meiner denn erbarmen?
Sie sprach: am Tag wo Seelen einst
Sich ohne Schleier schauen.

Zwar schien es Anfangs mir so leicht
Zu trinken und zu lieben,
Doch meine Seele ist zuletzt
In dieser Kunst verbrennet.

Gar schön sprach jüngst vom Dach herab
Der Reiniger der Wolle: 1
O fragt den Schafiiten nicht 2
Um Ausschluß dieser Fragen.

Ich hab' mein Herz an einen Schelm,
An eine zarte Schönheit,
An eine Freundinn frommer Art,
Und guten Sinns gegeben.

Ich zog' in Winkel mich zurück,
Gleich deinem trunknen Auge,
Und zu den Trunknen hab' ich mich
Wie deine Braun geneiget.

Es zeigten meine Thränen mir
Wohl tausendmal die Sündfluth,
Und doch ward aus der Brust dein Bild
Kein einz'gesmal verwischet. 3

O weh! daß mir die Freundinn nicht
Zu ihr zu gehn erlaubte,
So sehr von allen Seiten auch
Ich Stoff und Anlaß suchte.

Mein Freund! Die Hand Hafisens ruht
Auf seinem wunden Auge,
O könnt' ich wie ein Amulet 4
Sie um den Nacken schlingen!

1 Vermuthlich eine Anspielung auf eine im Kreise der Freunde Hafisens bekannte Anekdote.

2 Schafiita, das ist der Doktor der Gottesgelahrtheit nach der Lehre des Imans Schafii; ein solcher ist um Liebesgeheimniße nicht zu fragen.

3 Der Strom meiner Thränen konnte bisher aus meinem Auge dein Bild nicht wegwaschen.

4 Hamail jedes Amulet, des en baudrier auf dem Leib getragen wird, gewöhnlich aber der Koran, oder einzelne Suren desselben.



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