Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Ta

XXXV. (35)

Die Stadt verließ seit einer Woche
Mein Mond, mir scheints ein Jahr;
Du kennest nicht der Trennung Leiden,
Wie schwer sie sind.

Ich sah von meinen schwarzen Augen
Auf ihr den Wiederschein,
Und meint', es sey auf ihren Wangen
Ein Moschusmaal.

Es träufelt Milch von ihren Lippen,
Süß wie das Zuckerbrod,
Doch sind die Wimpern, wenn sie koset,
Ein Todespfeil.

Du, die ob ihrer Seelengüte
Mit Fingern zeigt die ganze Stadt,
Warum bekümmerst du so wenig
Um Freunde dich?

Ich zweifle nicht mehr, ob es eine
Karfunkelperle giebt? 1
Dein Mund beweiset zur Genüge
Die Wahrheit mir.

Du würdest, hieß die frohe Kunde,
Bey mir vorübergehn,
Verwirf nicht den Entschluß, er ist
Ein gutes Loos.

Wie trägt Hafis? die Felsenbürde
Von deinem Trennungsleid,
Er, der durch Klagen und durch Weinen
Zusammenschwand.

1 Dschewheriserd, eigentlich eine einzige überaus große Perle, von der aber auch wie vom Karfunkel gefabelt wird, daß sie im Finstern leuchte.


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