Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Ja

LXIV. (64)

Meiner Sehnsucht Trauerkleid
Schrieb ich auf, die Thränen floßen,
Komm' denn, ohne dich bin ich
Ganz entseelt von Gram und Leiden.

Sehnsuchtsvoll nach dir entflammt
Sprach ich oft zum blut'gen Auge,
Stete meiner Selma sag',
Sage, wo ist deine Selma!

Aeußerst wunderlich fürwahr,
Und ein nie gehörtes Ding wär's,
Wenn der Mörder selbst den Schmerz
Des Ermordeten beklagte.

Darf sich Einer unterstehn,
Deinen reinen Saum zu schmähen?
Rein bist du wie Tropfen Thau's,
Die auf Rosenblättern hangen.

Von dem Staube deines Gau's,
Gab der Herr der Ros' und Tulpe
Glanz, als Er am Schöpfungstag'
Erd' und Wasser formend mischte.

Ambra hauchend gieng vorbei
Jetzt der Ostwind, auf! o Schenke!
Bring' mir einen Becher Weins
Lauter und Gerüche duftend.

Sag' dich von der Trägheit los,
Nütz' die Zeit, es geht das Sprüchwort:
List und Schlauheit suche du
Bei dem Wanderer des Weges.

Ohne deine Milde bleibt
Einst von mir kein Denkmal über,
Meinen Thaten kannst nur du
Leben in die Zukunft geben.

Sieh' der Rose Wangenglanz,
Und der Füßestaub der Ceder,
Danken solchen Zauberreiz
Nicht dem Wasser, nicht dem Staube.

Wie vermöchte wohl Hafis
Deine Schönheit zu beschreiben,
Da die göttliche Natur
Unsre Hoffnung übersteiget?


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