Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Ta

LVII. (57)

Ein Wörtlein hörte ich, das Jakob einst gesagt,
Der Schmerz der Trennung von dem Freund wird nicht gesagt,

Was uns der Prediger vom jüngsten Tag erzählt,
Hat er als Gleichniß nur vom Tag der Flucht gesagt.

Wer giebt mir Kunde von dem fortgereis'ten Freund,
Der Ost hat alles so verwirret angesagt.

Vertreibt den alten Gram mit Wein, mit altem Wein,
Dies macht das Herz vergnügt, so hat der schlaue Greis gesagt. 1

O weh! Der Freunde Feind, der liebelose Mond
Hat ohne Müh' den Freunden Lebewohl gesagt.

Ich will getrost, selbst Nebenbuhlern dankbar seyn,
Mein Herz, gewohnt an Schmerz, hat Arzney'n entsagt.

Vertrau nicht auf den Wind, selbst wenn er günstig bläst. 2
Dies Sprichwort hat zu Salomon der Ost gesagt.

Giebt dir das Schicksal Frist, verlasse nicht den Weg,
Wer sagt daß eine Metze dem Betrug entsagt? 3


Du frag' nicht um Warum und Wie, ein treuer Knecht
Vollzieht ein jedes Werk, das ihm sein Sultan sagt.

Wer sagt, es sey Hafis von dir zurückgekehrt?
Ich nicht. Wer's sprach, hat aus Verläumdung es gesagt.

 

1 Der Alte von Kanaan, d.i. Jakob wie Joseph, der Mond von Kanaan.

2 Diese Weisheitslehre mußte also schon Salomon von seinem Reitpferd, dem Ostwind, anhören.

3 Das Schicksal, die Welt, das Glück wird von den persischen Dichtern immer als ein betrügerisches altes Weib personificirt. Das Letzte (wie ein persischer Dichter so schön es malet,) nicht blind, hat ein Auge, aber nicht auf der Stirne, sondern auf dem Scheitel des Kopfes. Es tappt mit den Händen herum, um Menschen zu greifen, statt deren es aber meistens nur Esel greift, die es hinaufhebt, bis zum Scheitel, um zu sehen, was es gegriffen. Sobald es sieht, daß es Esel statt Menschen sind, wirft es dieselben ferne von sich, und greift dafür andre Esel.


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