Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Ta

LXXIV. (74)

Schenke! bringe mir Wein, die Fasten ist vergangen,
Gieb mir immer das Glas, mein Ruf ist längst vergangen.

Hin ist köstliche Zeit, o komm', laß uns ersetzen
Zeit, die ohne den Wein, und ohne Glas vergangen.

Gleich der Aloe brennt, die Seele voll von Reue
Bring' mir Wein, denn es ist mein Leben leer vergangen.

Mach' mich trunken, daß ich von Sinnen selbst nicht wisse,
Wer in meinem Gehirn gekommen, wer gegangen.

In der Hoffnung, daß mir der Duft des Hefens werde,
Bin ich frühe und spät zu beten ausgegangen.

Das erstorbene Herz empfieng ein neues Leben,
Seit von deinem Geruch ein Hauch ihm zugegangen.

Stolz auf frommes Verdienst, verfehlt den Weg der Klausner,
Trunkene sind dafür ins Haus des Heils gegangen. 1

Meiner Seele Gewinn hab' ich auf Wein verwendet,
Schwarz befleckt ist mein Herz, Verbotnem nachgegangen.

Gieb Hafisen nicht Rath, den Weg hat nicht gefunden, 2
Wem's mit köstlichen Wein, nach seinem Wunsch gegangen.

 

1 Dares – sebam, das Haus des Heiles, das Paradies, sonst auch gewöhnlich Bagdad, wie Belgrad dare – dschihad, das Haus des heiligen Krieges heißt.

2 Umsonst giebst du Hafisen guten Rath zur Beßerung seines Lebenswandels; derjenige, der das Glück gehabt hat, sich in dem Wein der Liebe zu berauschen, wird nie den wahren Weg des Heiles finden.


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