Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Dal

LXXV. (85)

Wer von Ewigkeit her die Huld des Glückes verdient hat,
Wird in Ewigkeit hin trinken den Becher nach Wunsch.

Als ich den Wein begehrte, da überfiel mich die Reue,
Nach gekosteter Frucht, sagte ich, werd' ich's bereu'n.

Nun gesetzt, ich nähm' auf die Schultern den Teppich wie Lilien, 1
Wäre mein Ordenskleid doch rosengefärbet vom Wein,

Ohne das Licht des Weins vermag ich nicht einsam zu sitzen,
Des Vernünftigen Zell' ist ja beständig erhellt.

Jetzt im Frühling, im freundlichen Kreis, bei trauten Gesprächen
Nicht zu nehmen das Glas von dem Geliebten ist dumpf.

Fröhlichen Muths! wenn auch das Glas nicht mit Steinen besetzt ist,
Wackeren Trinkern gilt Nektar der Reb' als Rubin.

Siehst du gute Männer mein Herz, so fliehe die Bösen,
Böser erlernter Brauch ist von der Thorheit ein Maal.

Scheinet mein Thun gleich ohne Besinnung, so ist es doch ernsthaft,
Denn das Betteln gilt hier mir für die Würde des Schahs.

Sehet, Hafis trinkt Wein im Verborgenen, so sagte ein Frommer;
Frommer! was heimlich geschieht, ist noch nicht Sünde deßhalb.

 

1 Wenn ich mich auch vor dem Volke rein zu waschen und unschuldig zu erscheinen suchte, wie Lilien, so würde mich doch mein mit Wein gefärbtes Kleid verrathen.


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