Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Ain

III. (3)

Des Morgens, als aus dem geheimen Köschk des Aufgangs 1
Die Sonne Strahlen Pfeile schoß auf alle Seiten,
Als aus dem Sack den Spiegel zog der Kreis des Himmels
Und als darin die Welt erschien in tausend Formen;

Als in dem Hoch-Pallast des himmlischen Dschemschids
Der Sohre Orgel schlug, gleich meiner Lauten Tönen,
Da scholl die Leyer laut: Wo ist der Liebesläugner?
Da lächelte das Glas: Wer kann es mir verwehren?

O Schenke schau' den Gang der Welt ergreif' die Freude,
Für jeden Fall ist dies das beste Thun und Lassen.
Betrug und Schlingen sind die Locken der Geliebten,
Die Weisen sind zu klug in Streit sich einzulassen.

Wenn du das Wohl der Erde wünschest, wünsch' dem König 2
Ein langes Leben, denn sein Körper ist allgnädig.
Er ist der ew'gen Gnade Stoff, der Hoffnung Auge,
Die Weltenseele voll von Thatenkraft und Kenntniß.

Hafis steh Sklaven gleich an seiner Thür beständig,
Denn er gehorchet Gott, und ich gehorch' dem Schahe.

1 Die äußerst kühnen Bilder der ersten drey Strophen heißen: Da es Morgen ward. Der Himmel zieht seinen Spiegel aus dem Sacke, um die Erde in dem wechselnden Spiele des Morgenlichtes zu betrachten; im Pallast des himmlischen Dschemschids, das ist des des Herren der Himmel, schlägt Sohre (der Morgenstern) auf der Orgel den Marsch zum Abzug der Sterne.

2 Von hier bis ans Ende der Ode geht das Lob Schah Schedschaas fort.


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