Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Ta

LIX. (59)

Glauben und Herz sind weg, und die Geliebte
Ist, mich zu schmähen, aufgestanden.
Setze dich nicht zu mir! so sprach sie böse:
Das Heil ist von dir aufgestanden.

Hast du gehört, es sey bei diesem Fenster
Je Einer kurze Zeit geseßen, 1
Welcher zuletzt nicht voll von Reue über
Die Unterhaltung aufgestanden.

Weil sich die Kerze jüngst mit freyer Zunge
Gerühmet hat der Flammenwangen,
Ist sie dadurch zur Pein vor den Geliebten
Durch ganze Nächte Wach' gestanden. 2

Siehe der Frühlingswind ist von den Rosen
Und von dem Fuße der Cypreßen,
Blos aus Begier und Lust nach deinem Wuchse
Nach deinen Wangen aufgestanden. 3

Trunkenen Schrittes giengst du vorüber,
Da ist aus Sehnsucht deines Anblicks
Mitten im hohen Kreis der Himmelsbürger
Empörung und Gezänk entstanden.

Weil sich die Zeder schämt vor deinem Gange,
Hat sie den Fuß nie aufgehoben,
Schwankend mit hohem Wuchs ist sie bishero
Auf einem Flecke still gestanden. 4

Werfe hinweg, Hafis, das Kleid des Truges
Vielleicht kannst du die Seele retten.
Flammen des Schimpfes sind aus dem Gewande
Der frommen Mönchezunft entstanden.

1 Bei diesem Fenster, nämlich auf der Erde hienieden.

2 Weil sich die Kerze erfrecht hat, ihre Flammen mit deinen Wangen zu vergleichen, so muß sie aus Buße dafür Wache stehen.

3 Der Ost hat Rosen und Cypreßen verlassen, um dich zu suchen, deren Wangen und Wuchs schöner sind, als Rosen und Cypreßen.

4 Die Ceder traut sich nicht, sich von ihrem Orte fortzubewegen, weil sie weiß, daß dein Gang den ihren weit an Grazie übertreffen würde.


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