Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Zwei Kasside's

I. (1)

Wieder hat sich die Erde verjüngt wie die Fluren von Eden,
Deinem Glücke zu Gunst, weltenerobernder Schah!

Herr des Ostens und Wests, denn er ist in Osten und Westen
Schah, Chakan, Chosru Einzig gebietender Herr! 1

Er ist die länderbefruchtende Sonne, Sultan ein Gerechter,
Wie Darius gerecht, mächtig wie Keichosrew. 2

Er verteilt Diademen und Kronen im Reiche der Herrschaft,
Sitzt auf dem Polster des Doms; Werde, so spricht er, es wird;

Er, der Größte der Welt, und des Glaubens höchster Gebieter,
Den der Zeitengaul immer am Zügel erhält.

Er, der Beherrscher der Welt, Schah Schedschaa, Sonne des Reiches,
Mächtiger Chakan Schehinschah, Jüngling, der Könige Herr,

Er, ein strahlender Mond, deß Schimmer verkläret die Erde,
Er, ein Schah, der durch Kraft Zeiten hinaufzieht zu sich.

Nimmer vermag der Simurg die steilen Höh'n zu erfliegen,
Wo sein Geistesfalk sich hat bereitet ein Nest.

Seine Befehl' ergeh'n wie der Wind durch Länder und Meere,
Seine Lieb' durchdringt Menschen und Dschimen wie Geist.

Seine Gestalt ist das Reich der Schönheit, die Schönheit des Reiches
Ist die Welt der Seel', wieder die Seele der Welt.

Dschem und Keikobad sie beneiden mit Rechten den Thron nie,
Deine Kron' ist das Aug' über der Krone Dara's.

Wenn dein Schwerdtglanz sich abspiegelt im Bilde des Himmels
Werden aus Schrecken darob Zwilling' am Himmel getrennt.

Du bist die Sonne des Reichs, und wo in demselben du wandelst,
Folgt als Schatten dir nach hurtigen Fußes das Glück.

Solch' ein Kleinod wie dich erzeugt Fundgrube und Schacht nicht,
Ein Gestirn wie du zeigt sich Jahrtausende nicht.

Jegliche Wissenschaft, die in den Büchern nicht stehet,
Liegt als Antwort bereits dir auf der Spitze der Zung'.

An Freigebigkeit kann sich dir nicht vergleichen die Wolke,
Tropfen regnet die Wolk', Beutel vertheilet die Hand. 3

Deine Größe sie tritt selbst Himmel unter die Füße,
Von freygebiger Hand gehen die Sagen der Welt.

Sonne der Wissenschaft und Kron' auf dem Haupt des Verstandes,
Licht des Tugendaug's, Seele des Reichevereins.

Wissenschaft und Vernunft sind deinetwegen geschätzet,
Mächtig bedecket dein Schutz Religion und Gesetz.

O erhabener Herr und hochgebietender Kaiser,
Ein gewaltiger Fürst, ohne Vergleichung bist du.

Sonne des Reichs, bei deren Glanz selbst Schajegans Schätze 4
Klein und winzig sind, winzig wie Stäubchen der Sonn'.

Deinem Großmuthsmeer verglichen sind kleiner als Tropfen
Hundert Schätze Schajegans, welche umsonst du vertheilst,

Unter deinem Vorhang versteckt die Keuschheit die Wangen,
Und das Glück bei dir hüllt in Gardinen sich ein.

Himmel sind Nichts als ein Bild des himmelförmigen Zeltes,
Wolken sind ein Umbrel, Berge sind Schemel für dich.

Neunfach auf gerollt ist der blaue Atlas des Himmels,
Nur der Ueberzug deines erhabnen Gezelts.

Nach den Fürsten Kajan's hat keiner Salomons Herrschaft 5
Inne mit so viel Schatz, Schimmer und mächtigem Heer.

Während auf Rosen du liegst, ertönt Aethiopien und Sina
Von der Tapfern Geschrei und von dem Lärmen des Heers.

Deine Gezelte sind in Griechenland und das Lärmen der Pauke
Dringt bis Hindostan, bis in die Ebnen Sistans.

Seit du gebaut den goldnen Pallast, erzittern aus Neide
Dome der Kaiserstadt und der sinesische Köschk. 6

Wer ist's, dessen Reich sich deinem an Größe vergleiche,
Von Kairawan nach Sin' und von Aegypten nach Ruin? 7

Nächstes Jahr bringt dir der Kaiser die Krone zum Opfer,
Und Tribut für dich schickt der chinesische Chan.

Du bist dankbar dem Herrn, und dankbar sind dir die Völker,
Dich erfreuet das Glück und du erfreuest das Reich.

Sieh' in Gärten und Flur ziehst du einher mit Gefolge,
Und der Herrschaft Gaul schmieget sich deinem Gebot.

Sieh', es kommt von Zeit zu Zeit aus den Schaaren der Engel
Deinem reinen Gemüth himmlischer Aufschluß zu gut.

Deinem Herzen enthüllt sich auch das geheimste der Dinge,
Was der Schöpfer verbarg in des Geheimnisses Nacht.

Deinen Händen vertraut der Himmel die Zügel des Weltlaufs,
Deinem Winke gehorcht er ein gehorsamer Gaul.

Wider deine Feinde verleiht er Schwingen den Pfeilen,
Sind Geschenke dir noth, schenket er Minen das Gold.

Immer ist er bereit, den Feind dir niederzutreten,
Zu erhöhen den Freund über das Aug' und das Ohr.

 

1 Chosru und Chosrew, ein allgemeiner Name der persischen Kaiser, wie Chakan der sinesischen, Chan der tatarischen, und Sultan der türkischen Fürsten. Schah heißt ein König im Allgemeinen, und Schehnischah ein König der Könige. Die ganze Kasside ist zum Lobe Schah Schedschaa's gedichtet.

2 Gezeichnet mit Kei, das ist mit dem Beinamen eines großen Königs aus der Familie der Kaianiden, wie Keichosrew und Keikobad.

3 Dare ein persischer Beutel Geldes enthält zehntausend Aspern, der türkische Beutel Kise enthält 500 Piaster oder 60000 Asper.

4 Schajegan der Name eines berühmten Schatzes der Vorzeit.

5 Die Familie Kajan, die zweite Dynastie der alten persischen Könige.

6 Der goldene Pallast, der den Pallast des griechischen Kaisers und des sinesischen beschämte, war der von Sultan Schadschaa im Garten Bihischt erbaute.

7 Von Afrika's Küsten nach Sina's Gestaden von Aegypten nach Kleinasien, dessen größter Theil damals Ruin hieß.


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