Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Mokataat

XXII. (22)

Es sandte gestern mir ein Freund das Wort:
"Der Feder Ausfluß ist des Auges Schwarz."

Warum, da seit zwei Jahren dich das Glück
Zurückgeführt, verläßt du nicht das Haus?

Zur Antwort gab ich ihm: entschuld'ge mich;
Die Eigenliebe hat hier nicht ihr Spiel;

Der Diener des Gerichtes lauert mein,
Wie Nattern mit der Fodrung in der Hand,

So daß, wenn ich des Herren Haus verlaß',
Ich in den Kerker wandern muß mit Schimpf.

Das Haus des Herren ist mein Schutz,
Wenn Jemand vom Gericht mir schaden will,

Und mit der Hülf' der Diener des Wesirs
Schlag' ich ihm aus des schwarzen Kopfs Gehirn.

Was braucht es anders noch, nun ist's bestimmt,
Beim Herrn zu seyn, dies ist die wahre Ursach'.

Es öffne sich nach seinem Wunsch sein Thor.
Es sey der blaue Himmel stets in seinem Dienst.

 

Hafis war nach einer Abwesenheit nach Schiras zurückgekommen, und lebte nun schon beiläufig zwey Jahre lang im Hause des Wesirs Kawameddin Hasans in der größten Zurückgezogenheit, völlig unsichtbar für seine übrigen Freunde, gegen deren einen er sich hiemit rechtfertiget, erst im Scherze falsche Ursache vorschützend, als geschäh' es aus Furcht vor den Gerichtsdienern, die mit Schuldcitationen auf ihn lauerten, und dann die wahre Ursache angebend, nämlich die Innigkeit und Anhänglichkeit an seinen Hausherrn den Wesir. Diesen letzten Grund heißt er den wahren geheimen illeti gaibi, während alle anderen Gründe ilel werden in der arabischen Grundlehre in viererley eingetheilt, die wir mit Sudi sogleich durch ein Beyspiel erklären wollen. Der materielle Grund illeti maddje eines Throns, z. B. ist das Holz und Metall, aus dem er zusammengesetzt ist; der aktive Grund desselben illeti failige ist der Tischler oder Tapezierer, der denselben angerichtet; der formelle Grund desselben illeti scheklije ist die Gestalt, die er nach seiner Vollendung erhalten; er geheime oder eigentliche Grund aber des Throns illeti gaibi ist, daß er dem Fürsten zum Sitze dienet. Säße der Fürst nicht darauf, so fielen alle übrigen hinweg. So erklärt sich Hafis auch die wahre Ursache seiner Unsichtbarkeit, die nicht in der Furcht vor dem Gerichtsdiener, sondern, wie er sagt, darinn zu suchen ist: daß die zwey Buchstaben Kiaf und Nun sich dahin verbunden haben, daß er immer um seinen Hausherrn seyn müße. Diese zwey Buchstaben zusammen verbunden machen das Wörtchen Kiun d.i. das Schöpfungswort: Werde, in dem schon die Bestimmung des Weltenschicksals, und des Looses aller Menschen, und auch folglich Hafisens Bestimmung, immer um seinen Herrn zu seyn, unabänderlich als die wahre und einzige wesentliche Ursache verborgen lag.


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