Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Aus: Der Buchstabe Ta

LXXXII. (82)

In Schmerz ließ mich der Freund,
Er selber gieng davon,
Aufs Feuer legt er mich
Wie Rauchwerk, gieng davon.

Mir Liebetrunknem gab
Er nicht ein einz'ges Glas,
Er gab mir lautres Gift
Zu kosten, gieng davon.

Mich Kranken, den er sich
Erjagt, ließ er zurück
Im Meer des Grams, er spornt
Das Roß und gieng davon.

Ich dachte ihn mit List
Zu bringen in mein Netz,
Da schreckt' er sich und schreckt'
Mein Glück und gieng davon.

Weil meinem Herzensblut
Zu eng die Straße ward,
Fand es den Weg durchs Aug'
Als Thräne, gieng davon. 1

Da mir das Glück nicht ward,
Zu dienen ihm als Sklav,
Küßt' ich die Schwelle nur
Des Thors, und gieng davon.

Die Rose ist verhüllt 2
Im Schleier, denn Bülbül
Kam zu Hafisens Bett,
Und klagt und gieng davon.

1 Im Persischen liegt hier ein unübersetzbares Wortspiel. Galchun heißt rosenfarb, blutig ist aber auch der Name des rosenfarbnen Pferdes Chosrus, das er später mit dem Rappen Scherins vertauschte. Das rosenfarbne Blut des Herzens gallopirt also gleichsam als blutige Thräne zum Auge hinaus.

2 Die Rose muß noch nicht entknospet seyn, weil die Nachtigall heute früh so wehmütig klagte.



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