Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Elif

13.

Ich, ich zog dahin, du weisst es,
Und mein Herz, das Gram verschlingt.

Wo mich wohl des Schicksals Tücke
Unterhalt zu suchen zwingt?1

Deiner Locke ähnlich, fasset
Meine Wimper reich in Gold

Jenes Boten Fuss, der Grüsse
Mir von dir entbietet hold.2

Betend kam ich; heb' auch betend
Du die Hand empor und sprich:

»Möge Treue dich begleiten,
Und des Himmels Segen mich!«

Zückte eine Welt auch Schwerter
Auf mein Haupt, - bei deinem Haupt!3 -

Nimmer würde deine Liebe4
Aus dem Haupte mir geraubt.

 Irrend treibt nach allen Seiten
Mich der Himmel, wie du weisst,

Weil er meinen Umgang5 neidet.
Der die Seele kräftig speist.

Übte alles Volk der Erde
Unbill wider dich und mich,

Rächte unser Herr und Richter
Uns an Allen sicherlich.

Wohlbehalten kehrt mein Liebling
Heim zu mir von ferner Bahn:

O des wonnevollen Tages,
Seh' ich grüssend ihn mir nah'n!

Dem, der sagt, dass weite Reisen
Nie Hafis noch unternahm,

Sage, dass die weite Reise
Nie ihm aus dem Sinne kam.6
 

1 Hafis dichtete dieses an einen Freund gerichtete Ghasel bei Gelegenheit seiner Übersiedlung nach Jesd.

2 Bekanntlich werden im Morgenlande bei öffentlichen Aufzügen, Festlichkeiten und Hochzeiten vornehmer Leute kleine Münzen unter das Volk gestreut, was auf persisch Nisar, d.i. das Ausstreuen heisst; ein uralter persischer Gebrauch, der schon häufig im Schahname erwähnt wird. - "Eben so will ich", sagt hier Hafis, "zu den Füssen dessjenigen fallen, der mir einen Gruss von dir überbringt, glänzende Freudenthränen statt der gedachten kleinen Münzen verstreuen, und seine Füsse in das Gold meines vor Gram gelb oder goldfarben gewordenen Gesichtes fassen".

3 Ich schwöre es.

4 D.h. Die Liebe zu dir; eine orientalische Ausdrucksweise, die häufig vorkommt und selbst dem Westen nicht fremd ist.

5 Meinen Umgang mit dir.

6 Dass er stets an die weite Reise nach dem Jenseits, an den Tod denke. - In vielen handschriftlichen Ausgaben des Hafis steht, statt dieses letzten Distichons, das folgende:

Seit Hafis dein schönes Antlitz
Zu besingen unternahm,
Fühlt vor meines Buches Blatte
Selbst der Rose Blatt nur Schaam.

 

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