Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

26.

Was doch solchen Rausch mir brachte?
Ich begreif' es nimmermehr.

Wer versieht das Amt des Schenken,
Und wo bracht' den Wein er her?

Dieser liederkund'ge Sänger,
Welche Weise stimmt er an?

Denn bekannte Worte bracht' er
Zwischen Liedern auf die Bahn.

Scheint der Ostwind doch der Bote
König Salomon's zu sein,1

Der da freudenvolle Kunde
Bracht' aus Saba's Rosenhain.

Nimm auch du zur Hand2 den Becher,
Lenkend nach dem Feld den Schritt,

Denn der Vogel holder Töne
Brachte schöne Klänge mit.

Hochwillkommen ist die Rose,
Hochwillkommen der Nesrin;3

Freude spendend kam das Veilchen,
Wonne brachte der Jasmin.

Klage, Herz, nicht gleich der Knospe,
Dass kein Ausweg sei für dich;

Hauche, die die Knoten4 lösen,
Brachte ja der Ost mit sich.

Meine Herzensschwäche heilet
Nur des Schenken Schmeichelei;

Auf! Es ist der Arzt gekommen
Und er brachte Arzenei.

Bin des alten Wirthes Jünger;
Zürne, Scheich, mir nicht zu sehr:

Denn, was du mir nur versprochen,
Brachte in Erfüllung er.

Jenes Kriegertürken Habsucht5
Schmeichelt meinem süssen Wahn,

Denn auf mich halbnackten Armen
Bracht' er einen Angriff an.

Dem Hafis als Knecht zu dienen
Ist der Himmel gern bereit,

Denn, zu deiner Pforte flüchtend,
Bracht' er sich in Sicherheit.6
 

1 Der Wiedehopf, Hudhud, war, nebst dem Ostwinde, der Liebesbote zwischen Salomon und der schönen Balkis, Königin von Saba.

2 Da Tschenk, Hand, Faust, auch Harfe bedeutet, so kann dieser  Halbvers auch heissen: Nimm auch du zur Harfe den Becher.

3 Nesrin, eine Art wilder Rosen.

4 D.i. die Schwierigkeiten deines Entfaltens, deines Erblühens.

5 Im Persischen heisst Habsucht Tenktscheschmi, d.i. Enge des Auges; ein Ausdruck, durch welchen der Dichter zugleich auf die kleinen Augen der Türken (Tataren) anspielt.

6 D.h.: Da Hafis bei dir Schutz und Sicherheit fand, so ist dieses ein Beweis, dass ihm selbst der Himmel (das Schicksal) gern unterthänig sein wolle.

 

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