Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

35.

Leg' ich die Hand Ihm an das Haar,
Geräth Er gleich in Brand;1

Begehr' ich, dass Er freundlich sei,
Ist Er zu schmäh'n im Stand.

Dem Neumond ähnlich, tritt Er hin
Auf des Beschauers Bahn:

Die Brauenwinkel zeigt Er nur
Und ach, verhüllt sich dann.

Nachts, wenn wir trinken, macht Er mich
Durch's Wachen wüst; allein

Trag' ich Ihm Nachts ein Mährchen vor,
So schläft Er ruhig ein.

Voll Wirren und voll Truges ist,
O Herz, der Liebe Pfad:

Zu Boden fällt, wer diese Bahn
Mit zu viel Hast betrat.

 Beginnt in eines Bläschens Haupt
Des Hochmuth's Wind zu weh'n,

Wird seine Herrschermütze bald
In Weinlust untergeh'n.

Herz, alterst du, dann prahle nicht
Mit Liebenswürdigkeit:

Denn diese Art zu handeln passt
Nur für die Jugendzeit.

Des schwarzen Haares schwarzes Buch,
Schliesst es sich unverhofft,

Vertreibt das Weisse nimmer man,
Versucht man's noch so oft.2

Dem Betteln an des Liebling's Thor
Entsage um kein Reich:

Man tritt vom Schatten dieses Thor's
In's Licht der Sonne gleich.

Des Treubruch's schuldig hieltst du mich,
Doch ich besorge sehr,

Der Vorwurf trifft am jüngsten Tag
Gerade dich gar schwer.

Ein Hemmniss auf dem Liebespfad
Bist du, Hafis; d'rum: Auf!

Beglückt wer ohne Hemmniss stets
Folgt dieses Pfades Lauf!
 

1 Da tab, Hitze (Brand), aber auch Glanz und das Gekraustsein (des Haares) bedeutet, so bedient sich der Dichter vorsätzlich dieses Wortes, das zugleich auf den Glanz oder auf das Gekraustsein des Haares des Geliebten anspielt.

2 D.h.: Wenn die Haare aufhören schwarz zu sein und weiss zu werden beginnen, so vertreibt man diese Weisse nimmermehr.

 

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