Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

41.

Schön ist eine Rose nimmer
Ohne Freundeswangen;

Schön ist nimmer auch der Frühling,
Wenn nicht Becher klangen;

Schön ist keine grüne Wiese,
Keine Luft in Hainen,

Wenn nicht Liebchen dort mit Wangen,
Tulpen gleich, erscheinen;

Schön sind rosengleiche Leiber,
Lippen, zuckersüsse,

Doch nur wenn sie das Umarmen
Dulden und die Küsse;

Schön sind tanzende Zipressen,
Und verzückte Rosen,

Doch nur wenn auf ihnen Sprosser
Tausendstimmig kosen;

 Schön ist nimmer ein Gemälde
Vom Verstand gemalet,

Nur das Bild des Seelenfreundes
Ist's, was herrlich strahlet;

Schön zwar ist die Flur, die Rose
Und der Saft der Reben:

Aber schön sind sie wohl nimmer,
Weilt kein Freund daneben.

Da, Hafis, der Seele Münze
Keinen Werth errungen,

Ist's nicht schön sie zu benützen,
Gilt es Huldigungen.1
 

1 D.h.: Da meine Seele eine nur unbedeutende Münze ist, so ist es nicht schicklich, sie dir als Huldigung zu Füssen zu streuen. Über die Sitte des Nisar, d.i. Geldstreuens, siehe die 2. Anmerkung zum 13. Ghasel aus dem Buchstaben Elif.

[2 Bekanntlich werden im Morgenlande bei öffentlichen Aufzügen, Festlichkeiten und Hochzeiten vornehmer Leute kleine Münzen unter das Volk gestreut, was auf persisch Nisar, d.i. das Ausstreuen heisst; ein uralter persischer Gebrauch, der schon häufig im Schahname erwähnt wird. - "Eben so will ich", sagt hier Hafis, "zu den Füssen dessjenigen fallen, der mir einen Gruss von dir überbringt, glänzende Freudenthränen statt der gedachten kleinen Münzen verstreuen, und seine Füsse in das Gold meines vor Gram gelb oder goldfarben gewordenen Gesichtes fassen".]

 

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