Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

42.

Des verreisten Freund's erwähnte
Gestern Nachts des Windes Weh'n;

Ich auch weih' mein Herz dem Winde:
Mag was immer nun gescheh'n!

Schon so weit ist es gekommen,
Dass mit mir gefühlvoll klagt

Jeder helle Blitz am Abend,
Jeder Wind, wenn's wieder tagt.

In den Ringen deiner Locken
Sprach mein Herz, das blöde, nie:

»Mögest du doch nie vergessen,
Deine Heimath seien sie!«1

Was der Rath der Theuren gelte,
Sah ich heute deutlich ein.

Lass, o Herr, die Seele dessen,
Der mir rieth, befriedigt sein!

 Blut'gen Herzens dacht' ich deiner,
Band der Wind auf grünem Moos

Sanft die Schleifen vom Gewande
Einer Rosenknospe los.

Deine schiefe Königsmütze
Kam mir immer in den Sinn,

Trug der Wind den Schmutz der Kronen
Auf Narzissenhäupter hin.

Als bereits mein schwacher Körper
Meiner Hand entglitten war,2

Gab der Wind mir neues Leben
Morgens durch dein duftend Haar.

O Hafis! Was du gewünschet
Bringt dein Edelmuth dir ein:

Mögen sich dem edlen Menschen
Fürder alle Seelen weih'n!
 

1 Um das Wohlgefallen an dem schönen Haare des geliebten Gegenstandes auszudrücken, sagen orientalische Dichter, dasselbe sei der Wohnort, das Vaterland, die Heimath des verliebten Herzens.

2 D.h.: Als ich im Begriffe stand meinen Geist aufzugeben.

 

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