Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

47.

Möge deine holde Schönheit
Sich vermehren immerdar

Und die Tulpe deiner Wangen
Blühen durch das ganze Jahr!

Der Gedanke deiner Liebe,
Den mein Haupt beständig nährt,

Mehre sich mit jedem Tage,
Den das Loos mir noch beschert!

Die Gestalten aller Schönen
Auf der Erde weit und breit

Mögen deinem Wuchs sich neigen,
Stets zu dienen dir bereit!

Möge jede der Zipressen,
Die wir auf der Wiese seh'n,

Dem Elife deines Wuchses
Als ein Nun zur Seite steh'n!1

 Jedes Aug', das, dich erblickend,
Der Verwirrung sich erwehrt,

Werde durch der Thränen Perlen
In ein Meer von Blut verkehrt!

Deinem Auge - um für immer
Alle Herzen anzuzieh'n -

Sei des Wissens reichste Gabe
In der Zauberkunst verlieh'n!

Jedes Herz - wo es auch schlage -
Das der Gram um dich erfasst,

Möge der Geduld entsagen
Und der Ruhe und der Rast!

Theuer wie die eig'ne Seele
Ist Hafisen dein Rubin:

D'rum berühre nie die Lippe
Eines nied'ren Wichtes ihn!
 

1 Das Elif ist der erste Buchstabe des orientalischen Alphabetes, dessen schlanke und gerade Form dem Wuchse der Schönen verglichen wird. Das Nun, der Buchstabe n der Orientalen, hat die bauchige Form der unteren Hälfte einer Null. - In der Bulaker Ausgabe steht statt: Tschu nun, d.h. wie ein Nun - sernikun, d.h. kopfgebeugt.

 

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