Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

66.

Nicht immer ist der Ssofis Münze
Von allem Beisatz rein;

O wie verdient so manche Kutte
Des Feuers Raub zu sein!

Mein Ssofi, den die Morgenandacht
Berauschte, gleich dem Wein,

Wird, siehst du ihn zur Abendstunde,
Gar heiss im Kopfe sein.

Gut wär' es, träfe allenthalben
Man einen Prüfstein an,

Dass schwarz das Antlitz dessen würde,
Der eine Lüg' ersann.

Den zartgepflegten Weichling führet
Zum Freunde nicht sein Schritt:

Der Zecher nur versteht zu lieben,
Der viel erfuhr und litt.

 Du trankst den Gram der nied'ren Erde,1
O trinke lieber Wein!

Wie Schade, wenn das Herz des Weisen
Ein trübes sollte sein!

Malt so ein Bild der Flaum des Schenken
Hin auf des Wassers Fluth,

O dann bemalen viele Wangen
Mit Wasser sich und Blut.2

Bei'm Wirthe lässt Hafis den Teppich3
So wie das Mönchsgewand,

Reicht jener mondesgleiche Schenke
Ihm Wein mit eig'ner Hand.
 

1 D.h.: Die Welt hat dir vielen Gram und viele Leiden verursacht. Die Perser sagen Gram essen, statt: Gram erdulden.

2 D.h.: Stellt der Flaum des Schenken ein so liebliches Bild auf seinem dem Wasser an Glanz ähnlichen Gesichte dar, so werden aus Sehnsucht darnach Wasser- und Blutthränen über manche Wange rollen. Der Ausdruck Naksch ber ab seden, d.h. ein Bild auf Wasser malen hat aber noch zwei allegorische Bedeutungen, nämlich: sich sonderbar benehmen und sich hartnäckig erweisen. Dann wäre der Sinn: Wenn der Flaum des Schenken sich so sonderbar benimmt oder so hartnäckig erweist, nämlich sich Küsse zu empfangen weigert, so usw.

3 Den bereits erwähnten Teppich, Sedschschade, auf dem die Musulmanen ihr Gebet zu verrichten pflegen.

 

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