Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

67.

Schon entfloh mein Geist, und nimmer
Gibst du noch was ich begehrt;

Weh', dass meines Glückes Schlummer
Ohne Unterbrechung währt!

In das Aug' ward mir vom Oste
Erde Seines Gau's geschnellt,

Wesshalb selbst das Lebenswasser
Keinen Blick von mir erhält.

Bis ich deinen Leib, den schlanken,
Nicht gedrückt an meine Brust,

Trägt das Bäumchen meiner Wünsche
Nimmermehr die Frucht der Lust.

Zum beständ'gen Aufenthalte
Wählt' mein Herz dein reiches1 Haar:

Nachricht von dem armen Fremdling2
Fehlet aber ganz und gar.

 Nur das Antlitz meines Freundes,
Das den Herzen Schmuck verleiht,

Doch durchaus kein and'res Mittel
Fördert die Zufriedenheit.

Von der Treue Bogen schnellte
Tausend Segenspfeile ich;

Doch, was frommt es mir? Nicht Einer
Freuet einer Wirkung sich.

Sich, Hafis, des Haupt's entäussern
Ist der Treue kleinste Pflicht:

Drum entferne dich von hinnen,
Bist du dies im Stande nicht.
 

1 Das hier mit reich übersetzte Wort Sewad heisst Üppigkeit des Bodens und zugleich auch Schwärze, durch welche letztere Bedeutung Hafis auf das dunkle Haar des Geliebten anspielt.

2 Dem Herzen nämlich, das seinen Wohnsitz in deinem Haare aufschlug.

 

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