Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

75.

Einsamkeit dünkt mir gar herrlich,
Wenn der Freund ganz als mein Freund,

Und nicht etwa, wenn ich brenne,
Als des Saales Licht erscheint.1

Salomon's erhabenes Siegel
Nehm' um keinen Preis ich an;

Rührt daran ja doch zuweilen
Auch die Hand des Ahriman.2

Lass, o Gott, den Nebenbuhler
In der Liebe heil'gem Schooss

Nicht zum Eingeweihten werden,
Und Entbehrung sein mein Loos!

Seinen edlen Schatten werfe
Nie der Huma auf ein Land,

Das dem Raben höh're Geltung
Als dem Psittich zugestand.

 Nein, die Lust nach deinem Gaue
Weicht mir nimmer aus dem Sinn;

Zieht den Fremdling nach der Heimath
Das beklomm'ne Herz doch hin.

Braucht die Sehnsucht Commentare?
Ist man doch des Herzens Brand

Aus dem Feuer eines Wortes
Zu erklären leicht im Stand.

Selbst im Fall Hafis besässe,
Lilien gleich, der Zungen zehn,

Bleibt er doch vor dir, wie Knospen,
- Auf dem Mund ein Siegel - steh'n.
 

1 D.i.: Für Alle leuchte.

2 Siehe die 2. Anmerkung zum 31. Ghasel aus dem Buchstaben Dal.

[2 Anspielung auf Salomon's Siegelring, der ihm die Herrschaft über alle guten und bösen Geister, Peris nämlich und Diwe, verlieh. Einer der letzteren (Ahriman) setzte sich durch List in kurzen Besitz des Ringes und bestieg in Salomon's Gestalt den Thron, bis die Weisen und Räthe des Volkes diesen wieder dadurch dazu verhalfen, dass sie dem Diwe den Pentateuch vorlasen; worauf dieser, auf Ring und Reich verzichtend, entfloh und sich in's Meer stürzte. - Diese Stelle hat Bezug auf Schah Manssur, den die turkomanischen Stämme aus Schiras vertrieben hatten, das er aber mit Hilfe eines zahlreichen Heeres bald wieder zurückeroberte.]

 

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