Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

94.

Hilft uns erst der Weinverkäufer
Zechern freundlich aus der Noth,

So verzeiht ihm Gott die Sünden
Und beseitigt was ihm droht.

Schenke, gib mir Wein im Glase,
Der gerechtes Maass enthält:

Denn die Eifersucht des Bettlers
Füllt mit Unglück sonst die Welt.

Sänger, singe zu der Laute:
»Vorbestimmt ist jeder Tod.«

Und wer dieses Lied nicht singet,
Der versündigt sich an Gott.

Treten Leiden dir entgegen
Oder Freuden, weiser Mann,

So bezieh' dies nicht auf And're:
Denn nur Gott hat es gethan.

 Wesshalb übt in einer Werkstatt,
Wo nichts weise ist und gut,1

Die Verblendung schwacher Menschen
Nichts als Stolz und Übermuth?

Traun, der Rettung frohe Kunde
Geht aus diesem Gram hervor,

Wenn nur erst der Erdenwaller
Treulich hält was er beschwor.

Mich, der Liebesschmerz empfindet
Und zugleich des Rausches Pein,

Heilt nur der Rubin des Freundes,
Oder nur der reine Wein.

Lust nach Wein entseelt Hafisen,
Der verbrannt ist weil er liebt:

Wo doch weilt ein and'rer Jesus,
Der mir neues Leben gibt?
 

1 D.h.: In dieser Welt.

 

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