Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

120.

Brenne, Herz, denn durch dein Brennen
Wird was frommt zu Stand gebracht;

Hundertfaches Unglück weichet
Dem Gebet der Mitternacht.

Duld' es liebend, wenn ein holder
Perigleicher Freund dich schilt,

Weil ein einz'ger seiner Blicke
Hundertfache Qual vergilt.

Von der Erde bis zum Himmel
Zieht man dem den Schleier ab,

Der dem Glas', das Welten spiegelt,
Dienstbeflissen sich ergab.1

Wie Messias neues Leben
Gibt der Liebe Arzt; allein

Wenn er dich nicht krank erblicket,
Wem verschreibt er Arzenei'n?

 O vertraue deinem Gotte
Und verliere nicht den Muth!

Weil, wenn sich der Widersacher
Nicht erbarmt, doch Gott es thut.

Mich betrübt des Glückes Schlummer:
Stimmt vielleicht ein wacher Mann

Zur Eröffnungszeit2 des Morgens
Ein Gebet, ein frommes, an?

Keinen Duft der Freundeslocke
Roch Hafis, und brannte doch:

Doch zu diesem Glücke führet
Ihn vielleicht der Ostwind noch.
 

1 D.h.: Demjenigen werden alle Geheimnisse enthüllt, der dem weltenspiegelnden Glase, d.i. dem Weine, oder wie er Commentator Sudi meint, dem Herzen fröhnt.

2 Anspielung auf den Namen der allerersten Koransure, die Fatiha, d.i. die Eröffnung oder die Eröffnende heisst und gleichwie bei uns das Vaterunser bei den Muhammedanern das Hauptgebet ausmacht.

 

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