Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

125.

Ein paar Gläser fand ich gestern
Unverhofft zur Morgenstunde,

Und der Wein in ihnen schmeckte
Süss mir, gleich des Schenken Munde.

Zu dem holden Weibe: »Jugend,«
Das ich lange schon verstossen,

Wollt' im Rausch ich wiederkehren:
Doch die Scheidung blieb beschlossen.

Fern von jenem trunk'nen Auge
Wollt' ich einen Winkel1 finden:

Aber seine krumme Braue
Machte die Geduld mir schwinden.

Traumausleger, deute Gutes!
Theilte doch mit mir die Sonne

In des Morgens süssen Schlummer
Gestern des Vereines Wonne.

 Wo ich je noch hingekommen
Auf des Pfades Stationen,

Mussten Heil und Augenspiele
Immer abgesondert wohnen.

Reich' mir Glas auf Glas, o Schenke,
Denn die auf dem Pfade2 wallen

Und nicht liebend hingekommen,
Sind der Heuchelei verfallen.

Eben als die Hand Hafisens
Dieses wirre Lied geschrieben,

Wurde sein Gedankenvogel
In der Sehnsucht Netz getrieben.
 

1 Einen Winkel der Ruhe.

2 Auf dem Pfade des Mysticismus.

 

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