Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

127.

Ein Stern erglänzt' und ward zum Mond,
Der ganz den Saal erhellt

Und meinem scheuen Herzen sich
Gar freundlich hat gesellt.

Mein Holder ging in Schulen nie,
Auch schreiben lernt' er nicht:

Doch hundert Professoren gab
Sein Auge Unterricht.

Ganz ausgebauet steht nun da
Der Liebe Wonnehaus:

Des Freundes Brauenbogen war
Der Architekt des Bau's.

Dein Kosen reichte Liebenden
Wein von so selt'ner Art,

Dass Kenntniss zu Unwissenheit,
Verstand zu Tollheit ward.

 Mach' dir um Gotteswillen doch
Die Lippe rein von Wein:

Denn tausend Sünden dringen schon
Versuchend auf mich ein.

Es wies den Vorsitz auf der Bank
Nunmehr der Freund mir an;

Sieh da, den Bettler aus der Stadt
Erhob zum Fürsten man.

Das kranke Herz Verliebter weiht,
Dem Oste gleich, für Ihn

Dem Auge der Narzisse sich,
Der Wange des Nesrin.1

Lenkt, Freunde, Euren Zügel nicht
Hin auf der Schenke Bahn:

Kam doch Hafis, der sie betrat,
Dort als ein Bettler an;

Er hatte Kjeïchosrew's Pocal
Und Chiser's Quell im Sinn2

 Und von des Reitervaters3 Wein
Zu kosten ging er hin.

Wie Gold ist köstlich an Gehalt
Mein Lied; und in der That,

Dies Kupfer wurde nur zu Gold,
Weil's Fürstenbeifall hat.
 

1 Da das Auge der Narzisse an des Geliebten Auge und die Wange des Nesrin, d.i. der Hagerose an dessen Wange mahnt.

2 D.h.: Hafis dachte in der Schenke den Pocal Kjeichosrew's und Chiser's Lebensquell zu finden. - Kjeichosrew's (oder Kjeichosru's) Pocal ist derselbe mit dem Becher Dschem's, da ihn Kjeichosrew von Dschem geerbt hatte.

3 Reitervater, Ebul - Fewaris ist der Beiname des dem Weine und allen Lüsten sehr ergebenen Königs Schedscha.

 

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