Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

136.

Hat mit Mond und mit Plejaden
Man verglichen dein Gesicht,

So geschah's vermuthungsweise:
Denn dein Antlitz sah man nicht.

Nur ein Theilchen jener Liebe,
Die mir ganz verwirrt den Sinn,

Sind die zärtlichen Geschichten
Von Ferhad und von Schirin.

Schenke, gib mir Wein! Kein Sinnen
Hemmt der Ewigkeit Beschluss

Und verändern lässt sich nimmer
Was bestimmt geschehen muss.

Keine lange Augenwimper
Und kein Blick, der zaubern kann,

That was jene Moschuslocke
Und das schwarze Maal gethan.

 Sieh' der Zecher ird'ne Schale
Nicht verachtend an; fürwahr

Jenem Glas, das Welten zeiget,1
Dienet diese Trinkerschaar.

Ob ein Thor wohl je zum Weibe
Sich der Rebe Tochter nimmt,

Der die Barschaft des Verstandes
Ward zum Brautgeschenk bestimmt?

An der Gnadenschale Hefe
Hat nicht Theil des Staubes Mann:2

Sieh was elenden Verliebten
Grausames man angethan!

Keine Krähe und kein Rabe
Ist der Jagd und Fessel werth:

Nur der Adler und der Falke
Wird auf solche Art geehrt.

Staub vom Gau der Schönen hauchet
Uns mit Lebensdüften an:

 Hier durchwürzen sich Verliebte
Des Verstand's Geruchsorgan.3

Der Beschreibung deiner Güte
Widmete sein Lied Hafis,

Und es war, wo man's vernommen,
Echten Beifall's auch gewiss.
 

1 Das heisst hier: dem Herzen.

2 D.h.: der Mann niederen Standes, der gleichsam im Staube wohnt, bekommt selbst die Hefe aus der Gnadenschale der Reichen nicht, die Hefe die doch sonst in den Staub gegossen wird.

3 Eine Anspielung auf die vormuhammedanische Sitte arabischer Krieger, sich durch das Einhauchen von Wohlgerüchen zum Kampfe zu stärken.

 

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