Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

137.

Geformt, o Bild, nach schönen Formen
Ward deine reizende Gestalt,

Und mit der süssen Seele Farbe
Scheint deine Lippe hold gemalt.

Den grünen Flaum um deine Wange
Fand ich gar reizend und gar schön:

Ein Schattendach aus Ambrastaube
Wähnt rings um Rosen man zu seh'n.

Das Kriegsheer deines Traumgebildes
Kam an; drum stellte jeder Mann1

Ein Fest mit rothgefärbter Thräne
Im Lande seines Auges an.2

Der Erste, der da Moschus streute,
Warst, deine Locke schüttelnd, du;

Doch schrieb man es der Blase China's,3
Wiewohl mit grossem Unrecht, zu.

 Ist's, Herr, dein Antlitz, das ich schaue,
Umringt vom reichen Mützenband,

Wie, oder reihte man Plejaden
Rings um des hellen Mondes Rand?

Nur Schild'rung war's von meiner Liebe
Und Seinem schönen Angesicht

Was von Ferhad und von Schirinen
Man oft gesungen im Gedicht.

Hafis, sprich Wahrheit nur; ich meine:
Nur das was Liebe dir vertraut!

Ein Wahnbild ist ja alles and're
Und auf Vermuthung nur gebaut.
 

1 Wörtlich: Die Männer, was auch heissen kann: die Augensterne.

2 D.h.: Bei den häufigen Gedanken an dich weinte Jedermann blutige Thränen. Eine Anspielung auf die Ausschmückung der Häuser bei der Rückkunft eines siegreichen Heeres.

3 D.i.: Der Moschusblase des chinesischen Moschusrehes.

 

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