Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

143.

Hafis, der einsam pflegt zu weilen,
Ging gestern nach der Schenke hin:

Gern gab er auf was er beschlossen,1
Und nach dem Becher stand sein Sinn;

Ihm war erschienen ja im Traume
Das holde Liebchen: »Jugendglück«

Und wahnsinngleiche Liebe kehrte
In sein ergrautes Haupt zurück;

Als, Herz und Glauben überfallend,
Ein Kind des Wirth's vorüber schritt,

Da folgt' er, fremd für alles And're,
Nur jenes Wohlbekannten Tritt.

Es hat der Rosenwange Feuer
Des Sprossers Garbe aufgezehrt,

Das lachende Gesicht der Kerze
Dem Falter Unglück nur beschert.

Mein Weinen Abends und am Morgen
War nicht verloren, Gott sei Dank,

Weil jeder Tropfen meines Regens
Als selt'ne Perle niedersank.

Der tolle Ssofi, der da gestern
Den Becher und das Glas zerschlug,

Ward durch ein einz'ges Schlückchen Weines
Des Abends wieder weis' und klug.

Da das Narzissenaug' des Schenken
Den Zaubervers zu beten scheint,2

So ward zur zaub'rischen Versammlung
Der Ring, der zum Gebet uns eint.

Es wurde jetzt Hafisens Wohnung
Zum kaiserlichen Festgemach:

Da ging das Herz dem Herzgeliebten,
Dem Seelenfreund die Seele nach.3
 

1 Nämlich enthaltsam sein.

2 D.h.: Da es bezaubernd ist. - Zaubervers heisst ein Vers des Korans, worin der Prophet die Gläubigen den Zauberkünsten zu glauben abmahnt.

3 D.h.: Der Monarch besuchte Hafisen, sein Herz und seine Seele aber flohen zum Geliebten. - Die Worte sind aber so gesetzt, dass unter dem Geliebten auch der Monarch verstanden werden kann.

 

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