Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

146.

Mit entglühter Wange kam Er
Gestern Abends hergerannt:

Hat Er einem Gramerfüllten
Abermals das Herz verbrannt?

Das Ermorden des Verliebten
Und der Aufruhr einer Stadt,

Kleider sind's, die Seinem Wuchse
Trefflich angepasst Er hat.

Rautenkraut für Seine Wange
Scheint die Seele die Ihn liebt,

Sie, durch die er hell'res Feuer
Seinem Angesichte gibt.1

Seiner Locken finst'rer Glaube2
Fiel den wahren Glauben an

Und das Wangenlicht erhellet
Jenes Marmorherzens Bahn.

 Blut errang mein Herz in Menge,
Doch das Aug' vergoss es dann:

Gott, o Gott, wer hat verloren,
Und wer war es der gewann?

Nicht um eine Welt verkaufe
Du den Freund; zu Schaden kam

Wer um schnödes Geld den Joseph
Zu verkaufen unternahm.

Sprach Er gleich: »Ich will dich schmählich
Tödten«, sah ich dennoch klar,

Dass Sein Blick mir Herzverbranntem
Heimlich zugewendet war.

»Wirf, Hafis, die Kutt' in's Feuer!«
Sprach Er hold, und hiess mich geh'n.

Wer, o Herr, hat Ihn gelehret
So auf Herzen sich versteh'n?
 

1 Wie das Rautenkraut, sipend, in's Feuer geworfen dasselbe aufprasseln und höher flammen macht, so macht die Seele des Verliebten, die der Freund diessfalls für Rautenkraut hält, seine Wange höher glühen, d.i. die häufige Liebe zu ihm verschönert ihn.

2 Die schwarzen Haare werden hier mit dem moralisch finstern Glauben, d.i. mit dem Unglauben (Kiüfr) verglichen.

 

zurück