Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

147.

Nicht bestimmt war's, dass da tödte
Diesen wunden Mann dein Schwert.

Deine Zauberwimper hätte
Dessen sonst sich nicht gewehrt.

Was besitzt dein Schönheitsspiegel,
Herr, für eine Eigenschaft,

Dass auf ihn mein Seufzer nimmer
Wirket mit gewohnter Kraft?

Deine Locke liess ich gleiten
Aus der Hand, ich toller Mann,

Und verdiente wohl, man legte
Kettenringe drum mir an.

Zarter als dein Wuchs entsprosste
Keine Pinie dem Gefild,

Und die Welt kennt kein Gemälde
Schöner als dein holdes Bild.

 Um, wo möglich, gleich dem Oste
Wieder deinem Haar zu nah'n,

Stimmt' ich gestern unablässig
Nächtliches Gestöhne an.

An der Schenke Thüren hob ich
Hocherstaunt das Haupt empor,

Denn kein Alter, dir Bekannter
Fand im Andachthaus sich vor.1

Um der Qual, die du mir schafftest,
Zu entgeh'n, o Trennungsgluth,

Muss ich selber mich vernichten,
Wie es eine Kerze thut.

Ja, es ist Hafisens Kummer
Ohne dich ein Vers der Pein,2

Der auch ohne Exegese
Jedem wird verständlich sein.
 

1 D.h.: Ich ging in die Schenke, erstaunt darüber, dass ich im Bethaus keinen dir Bekannten, d.i. keinen der dich zu lieben versteht, vorfand.

2 Verse der Pein heissen jene im Koran häufig vorkommenden Verse, in welchen den Ungläubigen und Gottlosen mit der Pein der Hölle gedroht wird.

 

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