Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

154.

Auf dem Markt der Seelenspieler1
Ruft man eine Kunde aus;

Hört sie, hört Ihr, die Ihr wohnet
Im Bereich des Liebchengau's:

»Schon so manchen Tag vermissen
Wir der Rebe Töchterlein:

Sie entfloh, um frei zu handeln:
Holt, o holt die Flücht'ge ein!2

Von Rubin sind ihre Kleider,
Bläschen krönen ihr das Haupt;

Wahret Euch vor ihren Ränken,
Da sie Geist und Klugheit raubt.

Wer die Bittre3 bringt, dem geb' ich,
Statt Halwa4, die Seele hin;

Bärge sie der Schlund der Hölle,
Nun so dringet selbst in ihn.

 Bitter ist sie, scharf und rosig,
Zecht, bleibt ganze Nächte aus;

Bringt sie, wenn Ihr sie gefunden.
Alsbald in Hafisens Haus!«
 

1 D.i.: Auf dem Markte der Liebe, wo man seine Seele auf's Spiel setzt.

2 Dieses Ghasel dichtete Hafis bei Gelegenheit eines verschärften Weinverbotes.

3 Dem Wein pflegen orientalische Dichter die Eigenschaft des bitteren beizulegen.

4 Die Perser pflegen den Finder oder Zurücksteller einer verlorenen Sache mit einer Art Zuckerwerk zu bewirthen, das Halwa, d.i. die Süsse heisst.

 

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