Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Dal

158.

Mir im Haupte dreht verborgen
Sich die Leidenschaft zu dir:

Sieh doch, was im wüsten Haupte
Sich für Dinge drehen mir!

Wer sein Herz an's Schlägelhäkchen
Deiner Locke band, der muss

Einem Balle gleich sich drehen
Auf dem Haupt und auf dem Fuss.

Wenn auch jener Herzensräuber
Ungerecht mit mir verfuhr,

Folgt das Herz doch treu wie immer
Allenthalben seiner Spur.

Es zerreisst des Himmels Tücke
Und der Zeiten herbe Qual

Die Geduld, gleich einem Hemde,
Mir am Körper hundertmal;

Und mein armer Körper schwindet
Schwach und abgezehrt dahin,

Und schon zeigt, wie auf den Neumond,
Mit den Fingern man auf ihn;

Und der Sprosser meines Innern,
Seiner Rosenwange fern,

Sucht schon lange Zeit vergebens
Was ihn nähre: Laub und Kern.

Soll ich es noch öfters sagen?
Meide, Herz, der Lüste Spur:

Diese Lüste führen eben
Zu der Sünden Quell dich nur.1

Tulpenwange mit dem Wuchse
Gleich Zipressen! Lust an dir

Lässt gar Viele wirr und schwindlig
Sich im Kreise dreh'n, gleich mir.

Es bewohnet, gleich dem Oste,
Deinen Gau Hafisens Herz:

 Leidend ist's und hofft zu finden
Was da heile seinen Schmerz.
 

1 Da Lust, Hawa, auch Luft, Quell, Ain, auch ganz und gar - und Sünde, Chata (in Bezug auf die Luft) auch Verderbtheit bedeutet, so könnte der Sinn dieser Stelle auch sein: (die Lust) ist eine Luft, die ganz und gar verderbt ist.

 

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