Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Re

13.

Einen Rath will ich dir geben,
Hör' ihn an und rechte nicht,

Treu befolgend was in Liebe
Der Ermahner zu dir spricht:

»Drücke Küsse auf die Wange,
Die im Jugendreize strahlt;

Lauert doch die Welt, die alte,
In des Lebens Hinterhalt.«

Um ein Korn verkauft die Liebe
Was das Weltenpaar bescheert:

Dieses ist gar schlechte Waare,
Jene hat gar hohen Werth.

Einen traulichen Genossen
Und Gesänge1 wünscht mein Herz.

Um im Basse und Soprane
Auszudrücken meinen Schmerz.

Keinen Wein will ich mehr trinken,
Keine Sünde mehr begeh'n.

Wenn das Schicksal meinem Vorsatz
Günstig will zur Seite steh'n.

Hundert Male hab' ich reuig
Aus der Hand gesetzt das Glas,

Doch das Augenspiel des Schenken
Währt ja ohne Unterlass.

Wenn der Liebling vierzehn Jahre
Und zwei Jahre zählt der Wein,

Gnügt ihr Umgang mir statt Allem,
Was mir böte Gross und Klein.

Als das ew'ge Loos geworden,
Ist es ohne mich gescheh'n:

Nun, so schmäle nicht, wenn Manches
Nicht nach Wunsche sollte geh'n.

Schenke! Moschuswein gleich Tulpen
Giess mir nun in den Pocal,

 Dass mir nimmer aus dem Sinne
Schwinde des Geliebten Maal!

Sagt' ich dir, o Herz, nicht immer:
Hüte dich vor Seinem Haar?

Kettet man an diese Ringe
Doch den flücht'gen Wind sogar.

Bring' den Becher voll von hellen
Perlen und Rubinen mir,

Und der Neider mag erbleichen,
Weil mir hold ist der Wesir.

Wer vermag mein Herz zu halten,
Das so ängstlich ist und bang?

Sagt den Leuten, dass ein Toller
Seiner Kettenhaft entsprang.

Lieder, die Chodscha2 gesungen
Und Selman3, wer preist sie hier?

Klingt Hafisens Lied doch besser,
Als die Verse des Sahir.4

 Sprich, Hafis, bei diesem Feste
Nimmer von der Reue Heil,

Schenken mit den Bogenbrauen
Treffen sonst dich mit dem Pfeil!
 

1 Das Wort das im Persischen Gesang bedeutet, nämlich Rud, heisst auch Knabe.

2 Chodscha Abdullah Wassaf, der Lobredner Sultan Abussaid des Dschingischaniden. Seine mit Versen untermengte, im Jahre 711 (1311) vollendete Geschichte der Nachkommen Dschingischan's gilt bei den Persern für das unübertroffene Muster rhetorischer Kunst.

3 Selman Sawedschi, ein Zeitgenosse des Hafis und einer der grössten persischen Dichter, war Sänger am Hofe der Familie Oweis zu Bagdad, wie Hafis am Hofe der Mosafferiden zu Schiras; er starb 758 (1357).

4 Sahir Farjabi, einer der grössten panegyrischen Dichter Persiens, lebte als Hofdichter am Hofe des Atabegen Mosaffereddin Mohammed und seines Nachfolgers Arslan Ben Ildigis zu Nischabur. Gegen Ende seines Lebens zog er sich in die Einsamkeit zu Tebris zurück, wo er im Jahre 598 (1201) starb.

 

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