Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Se

11.

Jener, der das Herz mir raubte,
Ist ein Wühler Lulis gleich1,

Hält sein Wort nicht, ist ein Mörder
Und an Ränken überreich.

Dem zerriss'nen Hemd der Schönen2
Sei'n zu Tausenden geweiht

Falscher Gottesfurcht Gewänder,
Kutten der Enthaltsamkeit!

Dankbar für den Ball der Schönheit,
Den man dir vor Engeln gab,

Fordere ein Glas und schütte
Rosennass auf Adam's Grab!3

Krank kam ich zu dir und dürftig:
Habe Mitleid denn mit mir;

Kein Geschenk kann ich dir bieten,
Als die Liebe nur zu dir.

 Mich erkauft nur jene Rede,
Die zur Flamme bringt die Glut

Und des Wortes helle Gluthen
Nicht begiesst mit kalter Fluth.

Komm, denn gestern in der Schenke
Rief mir eine Stimme zu:

»Halte fest an der Ergebung;
Nicht entfliehst dem Schicksal du!«

Sei nicht stolz auf eig'ne Kräfte:
Lehrt uns doch die früh're Zeit,

Tausend Schicksalsmittel stünden
Zu der Kaiser Sturz bereit.

Knüpf an's Grabtuch mir den Becher,
Und am Morgen des Gericht's

- Naht der Tag der Auferstehung -
Schreckt mich Weingestärkten Nichts.

Zwischen Liebchen und Verliebten
Hat kein Hinderniss Bestand:

 Auf, Hafis, geh' aus dem Wege,
Bist ja selbst dir eine Wand!
 

1 Luli heissen schöne tatarische Knaben mit wollusttrunkenen Augen.

2 D.h. Den gefälligen Schönen.

3 D.h. Dankbar dafür, dass man dir vor Engeln den Preis der Schönheit zuerkannte, sollst du Wein auf Adam's Grab giessen, der den Mohammedanern für das Vorbild menschlicher Schönheit gilt.

 

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