Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Schin

1.

Bist du mir ein liebender Gefährte,
Musst du Wort mir halten treu und wahr

Und im Stübchen, Bad und Rosenhaine
Mir Gesellschaft leisten immerdar.

Gib die Krause der verwirrten Locke
Nimmermehr dem Winde in die Hand;

Sage nicht: »Verwirrung möge herrschen
Im Gemüth, das Liebe nur empfand!«

Wenn an Chiser's Seite dich zu setzen
Ein Gefühl der Sehnsucht dich beschlich,

Nun, so sei dem Lebenswasser ähnlich
Und verbirg vor Alexandern dich!1

Schmeichlerische Liebespsalmen singen
Kann nicht jeder Vogel unbedingt:

Komm denn du und sei die junge Rose
Dieses Sprossers, der Ghasele singt!

Fortzuwandeln auf des Dienstes Pfade,
Und der Pflicht der Knechtschaft mich zu weih'n.

O gestatt' es mir um Gotteswillen
Und du selber sollst mein Sultan sein!

Hüte dich und falle ja nicht wieder
Mit dem Schwert die heil'ge Beute2 an,

Und empfinde Reue über Alles,
Was du meinem Herzen angethan!

Bist des Kreises Kerzenlicht; drum habe
Eine Zunge nur und nur Ein Herz,

Und im Geist des Falters Streben schauend,
Lächle freundlich auch im grössten Schmerz!

Nur im Augenspiele zeigt vollendet
Schönheit sich und Liebenswürdigkeit:

Sei daher durch Zärtlichkeit der Blicke
Einer von den Selt'nen deiner Zeit!

Schweig', Hafis, und ist der Freund auch grausam,
So beklage dich darüber nicht:

Denn wer hatte staunen dich geheissen,
Schautest du ein schönes Angesicht?
 

1 Siehe die 2. Anmerkung zum 1. Ghasel aus dem Buchstaben Re.
[2 Iskender, d.i. Alexander, zog mit Chiser in's Land der Finsterniss, um das Lebenswasser aufzusuchen; doch nur seinem Begleiter gelang der Fund.]

2 D.i. Mich, den Geweihten.

 

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