Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Schin

13.

Ich verlange nach dem bitt'ren Weine,
Der den Mann zu Boden wirft mit Kraft,

Denn ein Weilchen möcht' ich Ruhe finden
Vor der Welt, die nichts als Böses schafft.

Bringe Wein, denn vor des Himmels Tücke
Fühlt wohl Niemand völlig sicher sich

Durch Sohre, des Harfenmädchens, Spiele
Und durch seinen Waffenknecht Merrih.1

Auf dem Tisch der nied'ren Erde gibt es
Keinen Honig der Zufriedenheit:

Wasche, Herz, den Gaum der Lust und Gierde
Rein von Herbe und von Bitterkeit!

Wirf das Jägernetz Behram's2 bei Seite,
Halte hoch den Becher Dschem's empor!

Denn es fand, als ich dies Feld durchmessen,
Nicht Behram und nicht sein Grab sich vor.3

Auf Derwische seine Blicke heften
Kann der Grösse keinen Eintrag thun:

Salomon, trotz seiner hohen Würde,
Liess die Blicke auf der Ämse ruh'n.4

Komm, ich lasse dich im reinen Weine
Das Geheimniss des Geschickes schau'n;

Doch versprich mir es nicht schiefen Seelen
Oder blinden Herzen zu vertrau'n.

Aus smaragd'nem Glase will ich trinken
Einen Wein, so funkelnd wie Rubin,

Denn der Frömmler ist des Lebens Schlange,
Und dadurch mach' ich erblinden ihn.5

Zwar des Seelenfreundes Brauenbogen
Wendet nimmer von Hafis sich ab;

Doch es macht ihn unwillkürlich lachen
Dieser Arm, so kraftlos und so schlapp.
 

1 Merrich, der Planet Mars, der mit Waffen in der Hand abgebildet wird.

2 Behram, ein persischer König aus der Dynastie der Sassaniden und ein berühmter Jäger wie Nimrod.

3 Behram, mit dem Beinamen Kiur, der wilde Esel, welcher in Persien für das Symbol der Kraft und Stärke gilt, hatte einst, wie das Schahname erzählt, einen solchen wilden Esel bis in eine Grotte verfolgt, worin man aber weder Letzteren noch ihn mehr fand. Hafis spielt hier mit dem Kiur, das Grab bedeutet, auf den Beinamen Behram's an.

4 Anspielung auf die bekannte Sage von der Ameise, die, als alle Genien und Menschen dem Salomon Huldigungsgeschenke darbrachten, ihm mit der Gabe eines Strohhalmes nahte, die der mächtige Monarch anzunehmen nicht verschmäht.

5 Eine Sage lässt die Schlangen durch den Glanz der Smaragden erst geblendet werden, bevor es gelingen kann sie zu fangen.

 

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