Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Schin

19.

Jene Rose, jung und lächelnd,
Die du, Herr, empfohlen mir,

Jedem Neideraug' der Wiese
Zu entzieh'n, empfehl' ich dir;

Hält sie sich auch hundert Meilen
Fern vom Dorf der Treue auf,

Bleib' ihr doch von Leib und Seele
Fern des Mondes Unglückslauf.

Morgenwind, kömmst du vorüber
An Selma's geliebtem Haus,

Hoffe ich, du richtest freundlich
Einen Gruss ihr von mir aus.

Löse jener schwarzen Haare
Moschus unbehutsam nie:

Theure Herzen wohnen drinnen:
D'rum durchwühle nimmer sie.

 Sprich: »Es hat auf Flaum und Maale
Mein getreues Herz ein Recht:

D'rum behandle es mit Achtung
Dort im Ambra-Haargeflecht!«

Wo auf's Wohl man Ihrer Lippe
Wein geniesst in froher Lust,

Ist der Trunk'ne zu verachten
Der sich seiner bleibt bewusst.

Man erwirbt am Thor der Schenke
Ehr' und Reichthum nimmermehr:

Wer von diesem Wasser trinket
Wirft ja sein Gepäck in's Meer!

Dem, der sich vor Trauer fürchtet,
Ist kein Liebesgram erlaubt:

Liebchens Mund an meiner Lippe,
Liebchens Fuss auf meinem Haupt!

Als des Wissens Grundvers1 pranget
Was Hafis sang im Gedicht:

 Wie entzückend ist sein Odem
Und wie lieblich was er spricht!
 

1 Grundvers, Beitul-ghasel, wörtlich: zweistangiges Zelt des Ghasels, heissen die zwei ersten Verse eines Ghasels, auf welche die folgenden gereimt werden.

 

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